# taz.de -- Debatte über den Industriestrompreis: Macht euch mal ehrlich
       
       > Industriestrompreis – kann man machen. Aber warum sollen Unternehmen
       > immer sofort Entlastungen bekommen, wenn es mal nicht so läuft?
       
 (IMG) Bild: Anlagen der BASF in Ludwigshafen
       
       Erinnern Sie sich noch an die [1][EEG-Umlage]? Damit wurde bis vor einem
       Jahr die Förderung der Erneuerbaren finanziert. Die Kosten trugen – fast –
       alle. Stromintensive Unternehmen erhielten nämlich Rabatte. Und nun geht
       es in der Diskussion über den Industriestrompreis wieder um eine
       Extrawurst für die Industrie. Das kann man machen, sollte aber ehrlich
       dabei sein.
       
       Zur Ehrlichkeit gehört erstens, dass es beim [2][Industriestrompreis] nicht
       um ein Konjunkturprogramm geht. Mit einem Industriestrompreis wäre die
       derzeitige Wachstumsflaute nicht aufgelöst. Das ist aber auch nicht
       schlimm. Eine Rezession von 0,3 bis 0,5 Prozent, wie sie Ökonom*innen
       für dieses Jahr vorhersagen, ist weit von einer veritablen Krise entfernt
       und für die Unternehmen verkraftbar. Stattdessen soll der
       Industriestrompreis dazu dienen, ihnen so lange zu helfen, bis der Ausbau
       der Erneuerbaren die Strompreise genügend nach unten gedrückt hat. Ob das
       sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Darüber streiten sich auch
       Ökonom*innen.
       
       Zur Ehrlichkeit gehört zweitens, dass die Alternativen der Gegner*innen
       nicht überzeugen. Eine [3][Stromsteuersenkung] für alle würde, wenn sie
       wirklich etwas bringen soll, vermutlich deutlich teurer werden als ein
       Rabatt für einen begrenzten Empfängerkreis. Und das in Zeiten, in denen der
       Finanzminister meint, haushaltspolitisch sei schon alles ausgereizt. Und
       dass überhaupt über die Reaktivierung der Atomkraft laut nachgedacht wird,
       ist allein schon absurd.
       
       Aller guter Dinge sind bekanntlich drei, und so gehört zur Ehrlichkeit vor
       allem auch: Mit der Diskussion über den Industriestrompreis hat die
       wirtschaftspolitische Debatte komplett gedreht. Es geht jetzt nur noch um
       Entlastungen für Unternehmen, aber nicht mehr um Entlastungen für die
       Menschen. Dabei leiden insbesondere Haushalte mit niedrigem Einkommen
       weiterhin unter der Inflation. Sie betrug im August 6,1 Prozent und war
       damit weitaus höher als in Spanien.
       
       ## Warum Entlastungen für Unternehmen?
       
       Dort konnte sie die Regierung mit Maßnahmen wie der Abschaffung der
       Mehrwertsteuer auf Lebensmittel auf 2,4 Prozent drücken. Eine solche
       Maßnahme würde nicht nur die Verbraucher*innen entlasten, sondern auch
       konjunkturell etwas bringen. Zum Vergleich: Während die deutsche Wirtschaft
       letzthin stagnierte, wuchs die spanische um 0,4 Prozent.
       
       Wenn man diese drei grundlegenden Punkte beachtet, kann man gern ehrlich
       über das Für und Wider eines Industriestrompreises diskutieren. Ansonsten
       ähnelt es nur einer Neuauflage der Debatte über die Befreiungen von der
       EEG-Umlage, und man fragt sich unweigerlich, ob Unternehmen immer sofort
       Entlastungen bekommen sollen, wenn es mal nicht perfekt läuft.
       
       3 Sep 2023
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simon Poelchau
       
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