# taz.de -- Vorbericht G20 in Indien: Indien will die Welt verändern
       
       > G20-Gastgeber Indien präsentiert sich als Stimme des Globalen Südens.
       > Doch die Fronten zwischen dem Westen und Russland überschatten die
       > Ambitionen.
       
 (IMG) Bild: Indiens Premierminister Narendra Modi grüßt die Indien-Besuchenden von unzähligen G20-Plakaten
       
       DELHI taz | Ein neues Parlament, ein neues Konferenzzentrum, ein neues
       Indien. Narendra Modi, Premierminister des bevölkerungsreichsten Landes der
       Welt, hat sich viel vorgenommen. Beim ersten G20-Gipfel in Südasien, der am
       Samstag und Sonntag in der indischen Hauptstadt Delhi stattfindet, möchte
       er nichts dem Zufall überlassen. Im eigens für das Gipfel errichteten
       Pragati Maidan wird der diesjährige G20-Gipfel stattfinden.
       Regierungschef:innen der führenden Wirtschaftsmächte sowie der EU
       werden in diesen Tagen erwartet. Modi selbst ist gerade vom Asean-Gipfel in
       Indonesien zurückgekehrt.
       
       Zu Hause in Delhi wurden bereits lästige Rhesusaffen verjagt, tausende neue
       Bäume gepflanzt und so manche:r Straßenhändler:in in den Zwangsurlaub
       geschickt. Die Hauptstadt hat sich in eine glänzende Hochsicherheitszone
       verwandelt. Hoher Besuch ist seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine keine
       Seltenheit, doch in diesem Jahr wird Indien hofiert wie nie zuvor. Nicht
       zuletzt [1][als Partner gegen Russland].
       
       Es soll auch ein Gipfel „für alle sein“, nicht nur die Chefs der G20,
       betont der 72-jährige Modi, der sich auf dem Zenit seiner Karriere
       befindet. Das G20-Mantra lautet: „Eine Erde, eine Familie, eine Zukunft“.
       Die Innenstädte von 60 Städten, in denen über 200 Treffen rund um G20
       bereits stattfanden, wurden herausgeputzt.
       
       In kleineren Millionenstädten wie Modis Wahlkreis Varanasi wurde das
       gefeiert: Die Welt ist zu Gast in Indien. Ziel des G20-Gipfels sei es, die
       Welt „bereit für Indien“ zu machen, propagiert Außenminister Subrahmanyam
       Jaishankar. Unter Indiens Präsidentschaft habe man den Globalen Süden „ins
       Bewusstsein der Welt gebracht“, beansprucht er.
       
       ## Modi nutzt den G20-Gipfel als Wahlkampfbühne
       
       Das Logo des G20-Gipfels ist eine Lotosblüte, die „Hoffnung in diesen
       schwierigen Zeiten“ spenden soll. Kritische Beobachter:innen sehen
       eine große Ähnlichkeit mit dem Wahlsymbol von Modis hindunationalistischer
       Volkspartei BJP.
       
       Manche raunen, die G20-Präsidentschaft diene Modi bereits als Wahlkampf
       fürs kommende Jahr. Inzwischen formiert sich auch die Opposition im Land.
       Dennoch sei der G20-Gipfel für Modi die Chance, der Welt zu zeigen, dass
       Indien ein globaler Akteur ist, sagt Ramesh Menon, der über Modis
       politischen Aufstieg ein Buch geschrieben hat.
       
       Kritik an Gastgeber Modi ist rar. Dabei gäbe es durchaus Grund: [2][2021
       stufte das schwedische Forschungsinstitut V-Dem Indien zur
       „Wahlautokratie“ herab]. Es stehe kurz davor, seinen Status als Demokratie
       zu verlieren. Es fehle „Raum für die Medien, die Zivilgesellschaft und die
       Opposition unter der Regierung von Premierminister Modi“, hieß es.
       
       ## Druck um die Abschlusserklärung steigt
       
       Im Umland Delhis gingen die Verhandlungen über die Abschlusserklärung des
       G20-Gipfels der Unterhändler:innen bis spät in die Nacht. Für Indien
       ist es wichtig, einen aussagekräftigen und konsensfähigen Text zu
       formulieren. Indien hat sich selbst ein hohes Ziel gesteckt und möchte
       [3][über die Erfolge des G20-Gipfels auf Bali im November 2022
       hinausgehen]. Der ambitionierte Plan zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler
       Brennstoffe wird es aber wohl nicht in das Dokument schaffen.
       
       Für viele G20-Staaten steht der Angriffskrieg gegen die Ukraine oben auf
       der G20-Agenda. Die Europäische Union (EU) hätte die Teilnahme von
       Präsident Wolodimir Selenski am G20-Gipfel in Neu Delhi begrüßt, sagte ein
       hochrangiger Beamter in Brüssel. In EU-Kreisen gelten die Ukraine-Frage,
       Klimaziele und -finanzierung sowie die globale Ernährungssicherheit, die
       durch Russlands Krieg verschärft wurde, als die wichtigsten Themen.
       
       ## Die Afrikanische Union wird Teil des G20-Formats sein
       
       Die Botschafter von Dschibuti, Sudan und den Komoren in Indien
       unterstrichen öffentlich Modis Engagement für den Globalen Süden und
       Afrika. Die Afrikanische Union ist in diesem Jahr Indiens Gast beim Gipfel
       und wird künftig Teil des G20-Formats sein. Hinter den Kulissen dient die
       G20 auch dazu, die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen
       Indien und der EU voranzutreiben. Daran ist nicht nur die Modi-Regierung
       interessiert.
       
       Dass der chinesische Präsident Xi Jinping den G20-Gipfel im Gegensatz zum
       [4][Brics-Gipfel im vergangenen Monat] meidet, hat international für
       Aufsehen gesorgt. In Indien wird das als Affront aufgefasst. Gegen den
       russischen Staatschef Wladimir Putin wurde vom Internationalen
       Strafgerichtshof ein internationaler Haftbefehl erlassen, deswegen scheut
       der Kremlchef Reisen ins Ausland. Von diesen Absagen ließ sich Indiens
       Führung nicht beeindrucken. In Delhi wird Putin durch seinen Außenminister
       Sergei Lawrow vertreten.
       
       8 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /SOZ-Aussenministertreffen-in-Indien/!5928865
 (DIR) [2] https://www.v-dem.net/publications/democracy-reports/
 (DIR) [3] /G20-Treffen-auf-Bali/!5894904
 (DIR) [4] /BRICS-Gipfel-in-Johannesburg/!5956012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Natalie Mayroth
       
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