# taz.de -- Langzeitfolgen der Pandemie: Wie viel Long Covid kostet
       
       > Wissenschaftler:innen versuchen zu berechnen, wie teuer die
       > langfristigen Pandemiefolgen werden. Ihre Ergebnisse sind aber noch
       > ziemlich ungenau.
       
 (IMG) Bild: Der Verursacher von Long Covid: Kolorierte Elektronenmikroskopaufnahme des Coronavirus
       
       BERLIN taz | Neben den gesundheitlichen rücken zunehmend auch die
       volkswirtschaftlichen Folgen von Long Covid ins Blickfeld der
       Öffentlichkeit. In einer am Dienstag [1][veröffentlichten Studie] versuchte
       das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI), den
       Spätfolgen der Pandemie ein Preisschild zu verpassen: Auf durchschnittlich
       22.200 Euro beziffern sich demnach die „indirekten Kosten“ der chronischen
       Erkrankung. „Long Covid könnte zu hohen Kosten durch Arbeitsausfälle
       führen“, bilanzierte das Institut.
       
       Die per Konjunktiv zum Ausdruck gebrachte Vorsicht erscheint geboten: Die
       Berechnung ist bestenfalls eine grobe Annäherung. Sie geht zurück auf eine
       Online-Befragung, die das RWI mit dem Selbsthilfeverband Long Covid
       Deutschland durchgeführt hat. 1.021 Betroffene machten darin [2][Angaben zu
       Symptomatik], Erfahrungen im Gesundheitssystem und zur Dauer ihrer
       Krankschreibung.
       
       Bei den Befragten betrug die durchschnittliche Krankschreibungsdauer 237
       Tage, dies multiplizierte das RWI mit dem durchschnittlichen
       Bruttoverdienst und errechnete so die gut 22.000 Euro als Indikator für den
       Produktionsausfall.
       
       Es ist eine Annäherung mit Grenzen: Einerseits kann die Stichprobe nicht
       repräsentativ sein – diejenigen, die nach kurzer Zeit wieder weitgehend
       genesen sind, dürften seltener an der von einer Selbsthilfegruppe
       organisierten Befragung teilgenommen haben. Andererseits lässt sie offen,
       ob Personen aus der Umfrage nach der Befragung noch länger als angegeben
       krankgeschrieben blieben. Beim RWI spricht man daher von einer
       „Momentaufnahme“.
       
       ## Viele Fragen ohne Antworten
       
       Vergleichsweise hoch ist der so errechnete Wert jedoch zweifellos. Zum
       Vergleich: Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)
       schätzt jedes Jahr die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle durch
       Arbeitsunfähigkeit insgesamt, also unabhängig von bestimmten Erkrankungen.
       Zuletzt kam sie [3][für das Jahr 2021] auf einen Wert von 2.174 Euro pro
       Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin, bei durchschnittlich 17 Krankheitstagen.
       
       Das ganze Ausmaß der gesellschaftlichen [4][Folgen von Long Covid] können
       derartige Berechnungen mithilfe der Arbeitsausfälle freilich nicht sichtbar
       machen. Den Versuch, möglichst alle Kosten zu fassen, unternahm im Juni der
       Gesundheitsökonom Afschin Gandjour – Professor an der Frankfurt School of
       Finance & Management und ein früherer Mitarbeiter des heutigen
       Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD), als dieser noch als
       Wissenschaftler tätig war.
       
       Für seine Studie schätzte Gandjour den long-covid-bedingten
       Produktionsverlust in Deutschland für das Jahr 2021 auf insgesamt 3,4
       Milliarden Euro. Hinzu kamen in seiner Projektion ein Verlust an
       Bruttowertschöpfung von 5,7 Milliarden Euro sowie Gesundheitsausgaben,
       näherungsweise auf Basis von Reha-Kosten dargestellt, sowie Rentenzahlungen
       von zusammen genommen 1,7 Milliarden Euro.
       
       ## Langzeitfolgen den Pandemie können teuer werden
       
       Der Ökonom ging davon aus, dass mittelfristig 0,4 Prozent der Beschäftigten
       wegen Long Covid ganz oder teilweise aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Dies
       ist zugleich die wackeligste aller Größen bei den volkswirtschaftlichen
       Gesamtbetrachtungen: Wie viele Menschen überhaupt an Long Covid erkranken,
       wie viele von ihnen wie lange ausfallen und welche Therapiekosten
       möglicherweise über Jahre hinweg für sie entstehen – für all diese Fragen
       gibt es bislang keine aussagekräftigen Daten.
       
       Die Krankheitstage jedenfalls können kein realistisches Bild der
       Betroffenheit zeichnen. Manch moderat Betroffener schleppt sich im Beruf
       noch irgendwie durch oder wechselt auf eine Teilzeitstelle – taucht damit
       aber in keiner Statistik auf. Therapiekosten „verursachen“ diese Menschen
       dennoch.
       
       Wie groß der gesellschaftliche Schaden von Long Covid ist, lässt sich also
       noch lange nicht zuverlässig beziffern. Sicher ist nur: Die chronifizierten
       [5][Spätfolgen der Pandemie] kommen die Gesellschaft teuer zu stehen.
       
       13 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.rwi-essen.de/fileadmin/user_upload/RWI/Publikationen/RWI_Materialien/rwi-materialien_156.pdf
 (DIR) [2] /Diagnose-Chronisches-Fatigue-Syndrom/!5938615
 (DIR) [3] https://www.baua.de/DE/Themen/Monitoring-Evaluation/Zahlen-Daten-Fakten/pdf/Kosten-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3
 (DIR) [4] /Long-Covid-Erkrankte-in-Niedersachsen/!5947968
 (DIR) [5] /Infektionsforscher-ueber-neue-Medikamente/!5948802
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Rücker
       
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