# taz.de -- Die Linkspartei und Sahra Wagenknecht: Ist sie Lady Voldemort?
       
       > Viele Linke haben „Harry Potter“ nicht gelesen. Sonst wüssten sie: Der
       > Vergleich von Wagenknecht mit Voldemort fällt auf die Linke selbst
       > zurück.
       
 (IMG) Bild: Sahra Wagenknecht, die Verkörperung des Bösen?
       
       Zu den Vorteilen, sich ein Kind anzuschaffen, gehört, dass man Kinderbücher
       noch mal lesen darf, ohne so zu wirken, als wäre man völlig in der eigenen
       Kindheit hängen geblieben.
       
       Zum Beispiel „Harry Potter“. Mein Sohn ist jetzt mit dem ersten Band durch
       und ich vorlesenderweise auch. Und was soll ich sagen, es ist immer noch so
       gut wie beim ersten Mal. Auch wenn man mit erwachsenem Blick manches anders
       liest als damals.
       
       Vielleicht haben Sie auch schon gelesen, dass Sahra Wagenknecht [1][von]
       [2][einigen] [3][ihrer] [4][Noch-GenossInnen] als „[5][Lady Voldemort]“
       bezeichnet wird. Als das ultimativ Böse also. In den nächsten Wochen biete
       ich deshalb einen „Harry Potter“-Lesekreis an. Lesekreise sind ja unter
       Linken sehr beliebt, weil man dann lang und breit über Texte labern kann,
       die man nicht verstanden hat. Anders als Marx macht „Harry Potter“ aber
       wirklich Spaß.
       
       Und offensichtlich haben viele Linke „Harry Potter“ nicht gelesen oder
       nicht verstanden. Denn sonst wüssten sie: Der Vergleich von Sahra
       Wagenknecht mit Voldemort fällt auf die Linke selbst zurück.
       
       ## Wenig schmeichelhaft
       
       Klar, ich verstehe schon, warum der Vergleich erst mal naheliegend ist. Zum
       Beispiel, weil Sahra Wagenknechts nationaler Sozialismus nur für
       Auserwählte ist und nicht für Muggels, also Ausländer.
       
       Trotzdem ist er wenig schmeichelhaft. Wer „Harry Potter“ gelesen hat, weiß:
       Voldemort ist nur deshalb so mächtig, weil er sich aus Harrys Blut einen
       neuen Körper erschaffen hat. Voldemort und Harry Potter sind schicksalhaft
       miteinander verbunden. So, wie sich die Stärke von Sahra Wagenknecht auch
       nicht ohne die Linkspartei, deren Geschichte und Potenzial erklären lässt.
       Die Linke hat Wagenknecht groß gemacht, ohne die Partei wäre sie heute
       nicht mal ein Talkshowgast.
       
       So wie Voldemort und Potter haben auch Wagenknecht und viele GenossInnen in
       ihrer Partei mehr gemeinsam, als sie wahrhaben wollen: ein Weltbild, das
       zum Teil in den 80er Jahren hängen geblieben ist, insbesondere das der
       Außenpolitik gegenüber Russland und der Vorstellung von Pazifismus.
       
       Wenn Sahra Wagenknecht Lady Voldemort wäre, dann würden sie und ihre
       Getreuen die nächsten Jahre brandschatzend durchs Land ziehen. Und nur eine
       ähnlich elitäre, avantgardistische Truppe könnte sie stoppen. Aber kann
       sich irgendwer vorstellen, dass die Linke ohne Sahra Wagenknecht das Zeug
       hätte, als „Orden des Phoenix“ die Welt zu retten?
       
       ## Der Erlösungsglaube der Linken
       
       Am problematischsten ist aber der Erlösungsglaube, der in dem Vergleich
       steckt. Als wären die Probleme der Linken plötzlich gelöst, wenn Sahra
       Wagenknecht die Partei endlich verlassen hätte. Am Ende des letzten „Harry
       Potter“-Bands bekommt das religiöse Züge: Die Welt ist gerettet, ein paar
       glückliche Kinder laufen durchs Bild, es gibt keinerlei Böses mehr auf der
       Welt. Und der allerletzte Satz ist tatsächlich: „Alles war gut.“
       
       Solche kommunistischen Erlösungsfantasien sind beliebt unter Linken. Mit
       der Realität aber haben sie nichts zu tun.
       
       Bei der Linken ist nichts gut, wenn Sahra Wagenknecht die Partei verlässt.
       Es mag ihre einzige Chance sein zu überleben, aber die großen
       Herausforderungen warten dann erst auf die Partei: Die Außenpolitik und die
       Haltung zu Russland sind in der Partei auch ohne Wagenknecht
       unentschlossen. Die Frage, ob man reformorientierte Regierungspartei sein
       will oder Fundamentalopposition, scheint auch nicht geklärt. Und da draußen
       wartet das wirkliche Böse, 20 Prozent, die eine rechtsextreme Partei wählen
       wollen.
       
       Ist die Linke noch zu retten? Mit Wagenknecht sicherlich nicht. Und ohne
       sie? Das weiß nur der Stein der Weisen.
       
       16 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.sueddeutsche.de/politik/sahra-wagenknecht-progressive-linke-berlin-1.5708856?reduced=true
 (DIR) [2] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1169257.linke-abgrenzung-und-einladung.html
 (DIR) [3] https://www.zeit.de/2023/01/die-linke-krise-sahra-wagenknecht-janine-wissler/seite-5?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
 (DIR) [4] https://www.moz.de/nachrichten/brandenburg/sahra-wagenknecht-spaltung-in-der-partei-sorgt-fuer-verwirrung-_-die-linke-und-lady-voldemort-67985449.html
 (DIR) [5] /Wagenknecht-und-die-Linke/!5899996
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kersten Augustin
       
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