# taz.de -- Autoritäre Klimapolitik: Schuldenbremse fürs Klima
       
       > Klimapolitik ist zum Kulturkampf geworden. Wie kommen wir da raus?
       > Vielleicht müssen wir mehr Otto Schily wagen.
       
 (IMG) Bild: Schien die Priorität des Klimaschutzes nicht längst abgemacht zu sein?
       
       Kürzlich erwischte ich hier in Berlin eine interessante Abendveranstaltung
       zur Klimapolitik. Im etwas stickigen Konferenzsaal in Moabit summte ein
       Kühlschrank aufreizend laut vor sich hin, als wollte auch er bezeugen, dass
       jede Form der Kühlung eben etwas kostet – und sei es Nervengeld. Was die
       versammelte Runde aus dem Berliner Politikbetrieb – Think TankerInnen,
       JournalistInnen, Verbandsleute und manche mehr – allerdings schon wusste.
       
       Enorm belesen und schlagfertig waren sie alle, was mich in der Annahme
       bestätigte, die mich über das klimapolitische Desaster dieses Jahres
       hinwegtröstet: Es sind die besonders Klugen eines Jahrgangs, die in den
       Klimaschutz gehen. Und doch tut sich angesichts der Wucht der aktuellen
       anti-ökologischen Konterrevolution die Frage auf, ob auf Strategisches
       bisher genug geachtet wurde.
       
       Jedenfalls waren viele im Raum völlig konsterniert, dass sich die deutsche
       Klimadebatte in wenigen Monaten aus einer Sache von Vernunft und
       Bloß-noch-Umsetzung in ein Kulturkampfspektakel verwandelt hat, in dem
       jeder Vorschlag sofort zum Attentat aufs Höchstpersönliche umgedeutet wird
       – „sie wollen dir ans Schnitzel!“. Hatten denn nicht endlich auch die
       [1][Wirtschaftsverbände] und Unternehmen, die CDU, FAZ und das Handelsblatt
       das Ende der Fossilität verkündet; ward nicht überall gemessen, dass die
       Sorge ums Klima quer durch Schichten und Altersgruppen geht; kurz: Schien
       die Priorität des Klimaschutzes nicht längst abgemacht zu sein?
       
       Es ist eben noch nicht so weit mit der Hegemonie. Vermutlich [2][hat Luisa
       Neubauer recht damit], dass die KlimaschützerInnen die Herausforderung zum
       Kulturkampf ums Klima annehmen müssen – entgehen werden sie ihm sowieso
       nicht.
       
       ## Kein Job für die taz
       
       Vielleicht aber kann man die drohenden Untiefen – „es geht um mehr als dein
       Schnitzel, du Trottel“ – vermeiden, wenn man sich rechtzeitig auf passende
       Mittel verständigt. Beschimpfungen auf Social Media und [3][allgemeines
       Farbeverspritzen] müssen nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
       
       An jenem Abend in Moabit etwa war der wichtigste Vorschlag die
       „Schuldenbremse fürs Klima“, also die Idee, ähnlich wie bei der
       Schuldenbremse eine Festlegung auf quantifizierbaren Klimaschutz ins
       Grundgesetz zu schreiben. Einigkeit bestand allerdings darüber, dass die
       Union dazu jetzt nicht bereit sein dürfte.
       
       Doch steckt darin doch ein klimapolitisches Pfund, um damit zu wuchern,
       finde ich: Lässt sich der Geist der Schuldenbremse nicht für den
       Klimaschutz nutzen? Mehrheitsfähig wurde die Schuldenbremse schließlich
       nicht wegen ihres sachlichen Gehalts (der schon 2009 zur Verabschiedung
       fraglich genug war, aber das gehört jetzt nicht hierher). Sondern vor allem
       deshalb, weil so vielen Menschen die Vorstellung gefällt, dass es
       quasi-schicksalhafte Vorgaben gibt, die dem ganzen unregulierten
       politischen Gezappel in der demokratischen Ebene Grenzen setzen.
       
       Die Schuldenbremse entsprach dem Bedürfnis nach Autorität und Durchgriff in
       der Politik. Und womöglich ist es das, was gerade den Leuten fehlt, die
       sich derzeit so vehement an überkommene Konsummuster klammern: der
       strafende Vater. Dieses Anforderungsmuster müsste sich doch politisch
       bedienen lassen. Es bräuchte dazu natürlich ein paar strenge Figuren, die
       andere schnarrend unterbrechen und vorführen. Neben Robert Habeck müsste
       also mindestens ein Otto-Schily-haftes Pendant ins Kabinett gesetzt werden.
       „Hier ist Schluss, jetzt ist Klimaschutz!“, wäre die Ansage. Ein Job für
       die [4][Luisa Neubauers] (oder die taz) ist das natürlich eher nicht.
       
       Aber die ganze, kluge Klimaschutz-Szene – sie könnte sich schon einmal auf
       die Suche begeben.
       
       22 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://bdi.eu/artikel/news/klimapfade-2-0-wie-wir-unser-industrieland-klimaneutral-gestalten
 (DIR) [2] /Luisa-Neubauer-ueber-Wege-zu-Klimapolitik/!5960416
 (DIR) [3] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/09/brandenburger-tor-berlin-letzte-generation-reinigung-farbe-.html
 (DIR) [4] /Nach-dem-Aiwanger-Skandal/!5955309
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
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