# taz.de -- Wohnpolitik in Deutschland: Tauschen ohne Mieterhöhung
       
       > Wohnungen zu tauschen, ist bislang schwer umsetzbar. Die Linkspartei
       > schlägt nun ein Recht auf Wohnungstausch vor. Ist das möglich?
       
 (IMG) Bild: Wenn ein Kind kommt, muss manchmal ein Umzug sein. Der ist oft teuer und schwer
       
       BERLIN taz | Es gibt viele Gründe, warum eine Wohnung mit der Zeit nicht
       mehr zu den eigenen Bedürfnissen passt. Wenn in einer Familie etwa die
       Kinder ausgezogen sind oder eine Trennung stattgefunden hat, kann eine
       Wohnung größer sein als notwendig. Oder umgekehrt: Wenn ein Kind dazukommt,
       wird oft ein Zimmer mehr gebraucht.
       
       Doch [1][der Mietenanstieg] der vergangenen Jahre hat insbesondere in den
       Städten dazu geführt, dass [2][Menschen in ihren Wohnungen verharren] –
       obwohl sie vielleicht zu groß oder zu klein sind. Die naheliegende Idee
       eines Wohnungstauschs ist in der Praxis nur schwer zu organisieren. Denn
       hat jemand einen alten Mietvertrag, ist es manchmal günstiger, in der
       größeren Wohnung zu bleiben, als in eine neue kleinere Wohnung zu ziehen.
       Insbesondere für die, die mehr Wohnraum benötigen, ist das ein Problem.
       
       Das Wirtschaftsinstitut IW Köln [3][geht in einem Bericht] davon aus, dass
       etwa 6 Prozent der Bevölkerung in Deutschland in tendenziell zu großen
       Wohnungen wohnen. Als zu groß gilt, wenn eine Person zum Beispiel allein in
       einer 4-Zimmer-Wohnung wohnt. Gleichzeitig lebten [4][laut Statistischem
       Bundesamt 2021 in Deutschland etwa 10,5 Prozent der Bevölkerung in einer
       überbelegten Wohnung] – also auf zu wenig Raum. Besonders betroffen sind
       Alleinerziehende und ärmere Haushalte.
       
       ## Antrag zur Anhörung im Bundestag
       
       Die Linkspartei würde deshalb ein Recht auf Wohnungstausch gesetzlich
       verankern. „Wenn zwei Haushalte die Wohnung tauschen wollen, so soll das
       rechtlich garantiert möglich sein, ohne Mieterhöhung“, erklärt [5][Caren
       Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion] im Bundestag,
       gegenüber der taz. Das sei „ein einfacher und pragmatischer Vorschlag, der
       sofort und ohne Kosten umgesetzt werden kann.“ Einen entsprechenden Antrag
       hat die Linkspartei in den Bundestag eingebracht. An diesem Montag soll es
       zum Thema eine Anhörung mit verschiedenen Sachverständigen geben.
       
       Mit einem Recht auf Wohnungstausch könne laut Linkspartei der „sogenannte
       Lock-in-Effekt“ verhindert werden. Dieser entstehe, „weil
       Neuvermietungsmieten deutlich stärker steigen als Bestandsmieten und ein
       Umzug in eine andere Wohnung meist einen deutlich höheren Quadratmeterpreis
       bedeutet“, heißt es im Antrag der Linken.
       
       Die Idee sei, bei einem Wohnungstausch „den gegenseitigen Eintritt in
       bestehende Mietverträge unter Beibehaltung der jeweiligen
       Vertragskonditionen“ zu ermöglichen. Sprich: ohne Mieterhöhungen. Zudem
       sollen Vermieter*innen die neuen Tauschmieter*innen nur aus
       „triftigen Gründen“ ablehnen dürfen. Im Antrag wird auf das Mietrecht in
       Österreich verwiesen, wo ein solches Recht auf Wohnungstausch bereits
       verankert ist. Darüber hinaus sollen Mieter*innen mit kleinem Einkommen
       nach Vorstellungen der Linkspartei mit einer staatlich finanzierten
       Umzugsprämie unterstützt werden, und die Kommunen sollen Fördergelder
       erhalten, um entsprechende Wohnungstauschbörsen aufzubauen.
       
       Doch nicht alle sind von dem Vorschlag überzeugt. Vor allem Konservative
       und Liberale sehen darin einen zu großen Eingriff in Eigentümerrechte.
       Professor Martin Günther Häublein, der an der Universität Innsbruck einen
       Lehrstuhl für Wohn- und Immobilienrecht innehat, ist am Montag zum Thema
       auf Wunsch der Union als Sachverständiger geladen. Der Vorschlag gebe „der
       Politik das Gefühl, wieder etwas für die Mieter getan zu haben, ohne dass
       die angespannte Wohnungssituation spürbar verbessert werden wird“, erklärt
       Häublein gegenüber der taz. Auch in Österreich, wo es seit 1982 eine
       vergleichbare Möglichkeit gibt, finde ein Wohnungstausch „nur höchst selten
       statt“. Es gelte dort als „totes Recht“. Zudem werfe das Vorhaben in
       Deutschland Rechtsfragen auf, „die bislang vollkommen ungeklärt sind“.
       
       ## Jurist: „rechtlich umsetzbar“
       
       Auch der Eigentümerverband Haus und Grund sieht darin einen Angriff auf die
       Vertragsfreiheit von Vermieter*innen, die dann nicht mehr entscheiden
       könnten, wer in ihre Wohnungen einzieht. Der wohnungspolitische Sprecher
       der Union, Jan-Marco Luczak, behauptete im Mai, ein solches Recht würde
       Druck aufbauen, dass Menschen ihre großen Wohnungen verlassen müssen –
       insbesondere ältere Menschen.
       
       Eine solche Argumentation hält Markus Artz, Professor an der Universität
       Bielefeld, für falsch. Der Jurist wurde von der SPD als Sachverständiger
       vorgeschlagen. Es ginge nicht darum, „alte Menschen aus den Wohnungen zu
       vertreiben“. Niemand könne gezwungen werden, in eine kleinere Wohnung zu
       ziehen. Artz steht dem Vorschlag der Linkspartei „grundsätzlich positiv
       gegenüber“ und hält ein solches Vorhaben auch rechtlich für umsetzbar.
       Gegenüber der taz verweist er darauf, dass in Deutschland bereits ähnliche
       Regelungen bei der Untermiete gelten. Auch da müssten Vermieter
       grundsätzlich zustimmen, es sei denn, die neuen Mieter*innen gelten als
       unzumutbar. Da ein solches Vorhaben für Vermieter*innen aber „nicht
       besonders lukrativ“ sei, kann sich Artz vorstellen, dass man „einen
       geringfügigen Neuvermietungszuschlag auf die bisherigen Mietkonditionen
       gewähren könnte“.
       
       Tatsächlich gibt es auf kommunaler Ebene bereits einige Versuche, solche
       Wohnungstausche zu organisieren. In Berlin betreiben zum Beispiel die sechs
       landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften seit September 2018 eine
       [6][gemeinsame Wohnungstauschbörse]. Auch da gilt: Wenn sich zwei
       Tauschpartner zusammenfinden, bleiben die Nettokaltmieten beider Wohnungen
       bestehen. Seit Bestehen wurden 533 Tausche durchgeführt, erklärt David
       Eberhart vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen der taz.
       Tendenz steigend: 2019 waren es 72, 2022 waren es 160. Doch auf fast fünf
       Interessenten, die gern eine größere Wohnung hätten, kommt nur ein
       Interessent, der eine kleinere Wohnung sucht.
       
       Die grundsätzlich „sehr wünschenswerten Tauschverfahren“ hätten auch ihre
       Nachteile, sagt Eberhart. In den Mitgliedsunternehmen gebe es zum Beispiel
       eine durchschnittliche Wohndauer von 20 Jahren. Wenn eine Wohnung wegen
       eines Wohnungstauschs nicht frei wird, beeinträchtige das „die Möglichkeit
       beispielsweise zum Voranbringen von energetischen und
       Klimaschutzmaßnahmen“.
       
       ## Vorschlag bringt „Schwung in die Debatte“
       
       Lösungsvorschläge hat da das Kollektiv Stadtsucht, das in Potsdam seit 2020
       Wohnungstausche organisiert und von der Linkspartei als Sachverständige
       vorgeschlagen wurde. In der Praxis zeige sich, dass neben finanziellen
       Aspekten auch andere Hemmnisse bestehen. So würden sich Senior*innen oft
       auch gegen einen Tausch entscheiden, wenn die neue Wohnung nicht
       ausreichend barrierefrei sei oder in einer unbekannten Gegend liege.
       Deshalb sollten „Kosten für Instandsetzung und zur Ausstattung für
       Barrierearmut der Wohnungen über eine einheitliche Fördermittelsystematik
       abgedeckt werden“, heißt es in deren Stellungnahme.
       
       Für die SPD-Abgeordnete Zanda Martens geht es jetzt darum, „rechtliche
       Möglichkeiten für die Umsetzung auszuloten und Perspektiven aus der Praxis
       in Österreich einzuholen“, sagt sie der taz. Auch wenn ein Wohnungstausch
       kein „Allheilmittel“ sei, müsse man in der aktuellen Situation „alle
       Möglichkeiten in Betracht ziehen, „um den Mangel an bezahlbaren Wohnungen
       auch nur etwas zu lindern“.
       
       Grünen-Politikerin Hanna Steinmüller findet, der Antrag der Linken bringe
       „Schwung in die Debatte“. Doch das vorgeschlagene österreichische Modell
       werde „sich nicht so leicht in die deutsche Rechtssystematik übertragen
       lassen“, sagt sie der taz. Die Grünen haben deshalb eine Juristin aus
       Österreich als Sachverständige eingeladen, „damit sie aus der Praxis
       berichten und Sorgen nehmen kann“.
       
       25 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wohnungsnot-vor-allem-in-den-Staedten/!5943203
 (DIR) [2] /Wohnungsnot-in-Berlin/!5953783
 (DIR) [3] https://www.iwkoeln.de/studien/pekka-sagner-michael-voigtlaender-mismatch-im-wohnungsmarkt.html
 (DIR) [4] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/11/PD22_N067_63.html
 (DIR) [5] /Linkenpolitikerin-uebers-Wohnen/!5880216
 (DIR) [6] /Wohnungsnot-in-Berlin/!5953783
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasmin Kalarickal
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Wohnungsnot
 (DIR) Wohnungsmarkt
 (DIR) Wohnungstausch
 (DIR) Die Linke
 (DIR) Mietenpolitik
 (DIR) GNS
 (DIR) Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
 (DIR) Wohnungsbau
 (DIR) Wohnungsnot
 (DIR) Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen
 (DIR) barrierefrei
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Recht auf Untermiete gestärkt: Trostpflaster Untermiete
       
       Nach einem BGH-Urteil könnten Untermietverhältnisse zunehmen. Der
       Mieterverein hofft auf ein wenig Linderung der Wohnungsnot.
       
 (DIR) Ampel-Pläne gegen Wohnungsnot: Mit 14 Punkten gegen die Baukrise
       
       In Deutschland fehlen Hunderttausende Wohnungen. Die Ampelkoalition will,
       dass mehr gebaut wird. Aber was genau ist geplant?
       
 (DIR) Wohnungsnot in Berlin: Schlechtes Tauschgeschäft
       
       Die einen haben zu viel Platz, andere zu wenig: Per Wohnungstausch könnte
       Wohnraum gerecht verteilt werden. Doch der Wechsel gelingt nur selten.
       
 (DIR) Stadtentwicklungssenator über Wohnungsnot: „Soll ich eine Revolution ausrufen?“
       
       Berlins Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) sieht
       Vergesellschaftung mit Skepsis. Gegen hohe Mieten will er vor allem auf
       Neubau setzen.
       
 (DIR) Studie zu altersgerechtem Wohnen: Wohnungsnot trifft Altersarmut
       
       Nur wenige Senior*innen leben in altersgerechten Wohnungen. Mit dem
       Älterwerden der Babyboomer werde sich die Lage verschärfen, warnt eine
       Studie.