# taz.de -- Gewalt unter Eritreern in Deutschland: Eritrea-Konflikt kommt nach Berlin
       
       > Der regimetreue Zentralrat der Eritreer will am 20. Oktober in Berlin
       > demonstrieren. Bei ähnlichen Veranstaltungen kam es zuletzt zu Krawallen.
       
 (IMG) Bild: Festnahme bei Eritrea-Krawallen in Stuttgart Mitte September
       
       BERLIN taz | Der Zentralrat der Eritreer in Deutschland plant für den 20.
       Oktober eine Großdemonstration durch Berlin. Unter dem Motto „Der Erhalt
       und die Achtung unserer Grundrechte sowie der Schutz unserer kulturellen
       und gesellschaftlichen Zusammenkünfte“ wollen sie ab 9 Uhr durch die
       deutsche Hauptstadt ziehen.
       
       Der Polizei zufolge sind 1.500 Teilnehmer angemeldet. Die Route stehe nach
       Polizeiangaben noch nicht fest, das Kooperationsgespräch hätte noch nicht
       stattgefunden. Auch die polizeiliche Einsatzplanung gebe es noch nicht,
       sagt Polizeisprecherin Valeska Jakubowski.
       
       Dabei ist die Gefahr real, dass es zu Gewalt kommt. Immer wieder war es
       zuletzt im Rahmen von Veranstaltungen des Zentralrats der Eritreer zu
       Straßenschlachten gekommen.
       
       Alljährlich im Sommer zelebriert der Zentralrat im hessischen Gießen ein
       [1][Eritrea-Festival], ein Event, auf dem die Diktatur des ostafrikanischen
       Landes sich selbst feiert. In diesem Jahr wurden dazu die Gouverneure aller
       Provinzen des Landes, mit dem die Bundesrepublik nur eingeschränkte
       diplomatische Beziehungen unterhält, mit italienischen Schengenvisa
       eingeflogen.
       
       ## Spendensammlung zur Umgehung des Embargos?
       
       Eritreische Gegner der Veranstaltung gehen davon aus, dass auf dem Event
       Spenden für die Diktatur eingeworben werden, um internationale Embargos zu
       umgehen. Das Geld könnte, so die Kritiker, in [2][bewaffnete
       Auseinandersetzungen im benachbarten Äthiopien] fließen.
       
       Seit Jahren gibt es daher Gegendemonstrationen gegen das Diktaturevent in
       Gießen, bei dem oppositionelle Eritreer fast unter sich blieben. Lange
       verliefen sie friedlich, doch in den vergangenen beiden Jahren [3][gab es
       zum Teil massive Gewalt]. Grund ist, dass sich eine gewaltbereite
       Gruppierung namens Brigade N’Hamedu unter die friedlichen
       Gegendemonstranten gemischt hatte. Diesen Juli waren nach Angriffen auf
       Polizisten mit Steinen und Flaschen 131 Menschen in Gewahrsam genommen
       worden.
       
       Im September folgten [4][ähnliche Krawalle in Stuttgart], wo der Zentralrat
       ein Seminar abgehalten hatte. Auch hier kam es zu Straßenschlachten. Die
       Polizei stellte dabei allerdings auch friedliche Gegendemonstranten unter
       Gewaltverdacht, nach Kenntnis der taz sogar eine Frau, die anfangs für die
       Polizei gedolmetscht hatte.
       
       Straßenschlachten zu Events des Zentralrates gab es in diesem Jahr
       ebenfalls in Schweden und Israel. Auch umgekehrt kam es zu Gewaltvorfällen,
       beispielsweise als vergangenen Sommer mutmaßliche eritreische
       Regimeanhänger Gegner zusammenschlugen, die sich in einem Restaurant in
       Frankfurt/Main getroffen hatten.
       
       ## Verlängerter Arm der Militärdiktatur
       
       Es ist nicht übertrieben, den Zentralrat als verlängerten Arm der
       eritreischen Militärdiktatur zu bezeichnen. Eritrea gilt mit seinem oft
       [5][lebenslangen Militärzwangsdienst], der von der UNO als eine Form von
       Sklaverei angesehen wird, als das Nordkorea Afrikas. Es gab nie Wahlen, es
       gibt keine unabhängigen Gerichte, keine Pressefreiheit, keine
       Universitäten, aber Haftanstalten mit unmenschlichen Bedingungen.
       
       Der Zentralrat der Eritreer in Deutschland fußt laut Eigenangaben, die er
       2016 beim zuständigen Amtsgericht in Wiesbaden hinterlegt hat, auf vier
       Säulen. Eine davon ist die eritreische Regierungspartei PFDJ, von der es
       laut Eigenangaben damals 31 regionale Ableger in Deutschland gab.
       
       Eine zweite Säule ist die Jugendorganisation der PFDJ, ebenfalls mit
       Ablegern bundesweit. Bis es zu den Gewaltexzessen kam, blieb diese
       Organisationsstruktur von deutschen Behörden völlig unbeachtet. Nunmehr
       interessieren sich zumindest im Land Hessen Sicherheitsorgane dafür.
       
       Für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Marcel Emmerich aus Baden-Württemberg
       steht die Frage eines Vereinsverbotes des Zentralrates der Eritreer im
       Raum. „Zumindest sollte man dem Verein die Gemeinnützigkeit entziehen,
       falls er die hat, denn was er treibt, hat nichts mit Gemeinnützigkeit zu
       tun. Die Tatsache, dass der Zentralrat über dubiose Strukturen verfügt und
       seine Anweisungen aus der verachtenswerten Diktatur von Eritrea erhält,
       stellt auch die Frage nach einem Verbot.“
       
       ## Bundesweite Mobilisierung
       
       Eine Demonstration von 1.500 Anhängern einer Diktatur durch Berlin stelle
       zudem eine Provokation dar, habe das Potenzial für gewaltsame
       Ausschreitungen und bedürfe des wachsamen Blicks der Sicherheitsbehörden,
       sagt der Politiker der taz.
       
       Berlin ist keine Hochburg eritreischer Einwanderung, diese liegen in West-
       und Südwestdeutschland. Doch für erste Bustouren von dort zur Demo wird
       bereits mobilisiert. Anders als viele Kommunen in Süd- und Westdeutschland
       fördert Berlin keine eritreischen Vereine. Es gibt in Berlin zwei
       christlich-orthodoxe eritreische Kirchengemeinden, die einander spinnefeind
       sind, weil sie unterschiedliche Positionen zum Regime haben.
       
       Der Verein Eridac, der in Berlin und Brandenburg tätig ist, unterstützt
       Eritreer bei der Integration und stellt sich politisch gegen das Regime.
       Der taz sagte deren Vorsitzende Freweyni Habtemariam, dass ihr Verein keine
       Gegenveranstaltung zum Aufmarsch der Diktaturanhänger plane. Laut der
       Polizei ist derzeit auch noch keine angemeldet. Das schließt allerdings
       nicht aus, dass es noch eine geben wird.
       
       Ende September hatte eine regimekritische Einzelperson zu einer
       Demonstration vor der israelischen Botschaft in Berlin gegen die
       beabsichtigte Abschiebung von Eritreern aus Israel nach Eritrea aufgerufen.
       Mehrere hundert Männer und Frauen waren dem Aufruf gefolgt, sie hatten
       friedlich demonstriert, gesungen und getanzt.
       
       Die Anhänger des Regimes rekrutieren sich aus jenen Migranten, die während
       des eritreischen Befreiungskampfes gegen Äthiopien bis Anfang der 1990er
       Jahre nach Deutschland kamen. Sie hatten die nationale Befreiungsfront
       unterstützt, aus der die Diktatur hervorgegangen ist. Die Gegner des
       Regimes flohen zumeist in den letzten 15 Jahren aus der Diktatur.
       
       11 Oct 2023
       
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