# taz.de -- Neue Regeln für Asylsuchende geplant: Das gleicht Zwangsarbeit
       
       > Die Lage für Flüchtlinge in Deutschland wird prekärer. Mit Härte gegen
       > Migranten soll Rechten einhalt geboten werden. Das wird nicht
       > funktionieren.
       
 (IMG) Bild: Betten in einer Notunterkunft für Geflüchtete in Berlin
       
       Die Verrohung der Debatte hat ein neues Niveau erreicht. Deutschland hat
       das Konzept Arbeitslager zur Perfektion gebracht, und [1][nun diskutiert
       man hierzulande, unliebsame Menschen Zwangsarbeit leisten] zu lassen.
       
       Die Bundesländer haben auf der Ministerpräsidentenkonferenz darüber
       beraten, [2][ob man eine Arbeitspflicht für Asylsuchende einführen soll].
       Die SPD-geführten Länder wollen das mittragen. Flüchtlinge sollen dazu
       verdonnert werden können, gemeinnützige Arbeit zu leisten – offenbar sogar
       in Krankenhäusern oder auf dem Bau. Denn aktuell ist es Asylbewerbern neun
       Monate lang verboten, eine Arbeit aufzunehmen. Das muss sich ändern. Aber
       eine Pflicht zur unbezahlten Arbeit ist mit den Prinzipien eines liberalen
       Rechtsstaats nicht zu vereinbaren.
       
       ## Die SPD mischt mit
       
       Im Deutschlandfunk darauf angesprochen, ob Zwangsarbeit
       sozialdemokratischen Werten entspreche, sagte die Ministerpräsidentin des
       Saarlands Anke Rehlinger (SPD), ohne eine Sekunde zu zögern: „es kommt auf
       die Ausgestaltung an“. Offenbar hat sie kein Problem mit Zwangsarbeit.
       Beziehern von ALG II sollte diese Einstellung von SPD-Politiker:innen
       bekannt vorkommen.
       
       Diese neue Härte gegen Flüchtlinge soll auch den [3][Aufstieg der AfD
       bremsen]. Gerade die Hessen-Wahl habe gezeigt, dass die Wähler mehr Strenge
       wollten. Aus dem vergangenen Sonntag die Lektion zu ziehen, man müsse gegen
       Migration vorgehen, ist zynisch und menschenverachtend – aber vor allem ist
       es falsch.
       
       Nancy Faeser hat in Hessen als Spitzenkandidatin genau die Geisteshaltung
       verfochten, die jetzt im Raum steht: mehr Druck auf Migrant:innen,
       Beschränkung der Zuwanderungszahlen, mehr Abschiebungen. Das war Kalkül aus
       dem Lehrbuch von Sahra Wagenknecht, um konservative Wähler:innen
       zurückzugewinnen. Doch mit diesen Positionen ist Faeser krachend
       gescheitert. Die SPD verlor ein Viertel ihrer Wähleranteile von 2019.
       Stattdessen gewannen die AfD und die CDU.
       
       ## Die Rechten profitieren
       
       Das ergibt Sinn: Warum sollen Wähler:innen, die für möglichst schnelle
       Abschiebungen sind, politische Akteure wählen, die bei dem Thema mal Hü und
       mal Hott rufen. Es gibt doch bereits Politiker:innen, die ein strenges
       Migrationsregime schon immer im Programm hatten. Es zeigt sich, dass wenn
       linke oder liberale Politiker:innen rechte Themen übernehmen, gewinnen
       letztlich nur die Rechten.
       
       Die Menschen in diesem Land stehen schon jetzt vor vielen Problemen, die
       ihren Alltag stark belasten und Angst vor der Zukunft machen. Die Mieten
       werden höher und höher, die Schlangen vor den Tafel werden immer länger.
       Selbst Eigenheimbesitzer müssen fürchten, dass ihr einziger Puffer vor den
       Preissteigerungen durch die Kosten einer unsinnig auf Einzelne abgewälzten
       ökologischen Transformation zunichtegemacht wird.
       
       Und es droht noch mehr wirtschaftliche Unsicherheit. Der IWF sagt voraus,
       dass die Wirtschaft in Deutschland schrumpfen wird. In fast keinem anderen
       westlichen Land passiert Vergleichbares. Das liegt auch daran, dass andere
       Länder das neoliberale Mantra teilweise zurückgelassen haben. In den USA,
       in Frankreich, sogar in Großbritannien, wird die Industriepolitik
       wiederentdeckt.
       
       Ein sanfter Keynsianismus schwebt aus dem Grab empor, öffentliche
       Investitionen stehen endlich wieder auf dem Programm. Aber unsere
       Bundesregierung steckt mental noch in den dunkelsten Zeiten der 2010er
       Jahre fest. Die unsägliche Schuldenbremse bringt sogar liberale Ökonomen
       wie Adam Tooze zur Verzweiflung ob der Sturheit und Dummheit dieser
       Regierung.
       
       Zur Dummheit gesellt sich nun auch noch die Grausamkeit. Statt irgendeine
       Maßnahme zu unternehmen, die den Menschen ihr Leben erleichtern würde,
       hackt die Politik lieber auf schutzbedürftigen Minderheiten herum. Statt
       materielle Bedigungen zu verbessern, führt die Regierung einen Kulturkampf
       auf dem Rücken der Schwächsten. Um von ihrem eigenen Versagen abzulenken,
       lassen Politiker Menschen Zwangsarbeit leisten. Das darf man ihnen nicht
       durchgehen lassen.
       
       12 Oct 2023
       
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