# taz.de -- Zivilgesellschaft in Kirgisistan: Jagd auf „ausländische Agenten“
       
       > In Kirgisistan könnte ein neues Gesetz Nichtregierungsorganisationen ihre
       > Tätigkeit erheblich erschweren. Das Vorbild dafür: Moskau.
       
 (IMG) Bild: Nurlanbek Schakijew, der Sprecher des Parlaments in Kirgistan
       
       BERLIN taz | Im zentralasiatischen Kirgistan könnten für
       Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bald noch härtere Zeiten anbrechen. In
       dieser Woche stimmte das Parlament (Dschogorku Kengesch) in erster Lesung
       über Verschärfungen des Gesetzes „Über gemeinnützige Organisationen“ sowie
       entsprechende Ergänzungen des Strafgesetzbuches ab.
       
       52 Abgeordnete stimmten dafür, 7 dagegen. Laut dem Entwurf soll eine NGO,
       die Geld aus dem Ausland erhält und versucht, politische Aktivitäten und
       die öffentliche Meinung im Interesse ausländischer „Quellen“ zu
       beeinflussen, künftig als „ausländischer Repräsentant“ gelten.
       
       Die Gründung einer gemeinnützigen Organisation beziehungsweise eine
       Mitarbeit in selbiger ist ein Straftatbestand, wenn die Organisation dazu
       ermutigt, die „Erfüllung staatsbürgerlicher Verpflichtungen zu verweigern“.
       Auch von einem Eingriff in die Persönlichkeit und Rechte der Bürger ist
       dabei die Rede. Im Falle von Verstößen sind Geldstrafen von umgerechnet 560
       bis 1.000 Euro oder Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren vorgesehen.
       
       Der Abstimmung war keine Aussprache vorausgegangen. Der Sprecher des
       Parlaments, Nurlanbek Schakijew, sagte, die Gesetzesänderungen seien aus
       Sicherheitsgründen nötig. „Ich habe allen ausländischen Delegationen
       erklärt, dass es keinen Anlass zur Sorge gibt. Sie selbst erheben die
       Forderung nach Offenheit und Transparenz. In ihren Ländern in Europa und
       Amerika stehen Ordnung und Disziplin an erster Stelle.“
       
       ## Kritik von Juristen
       
       NGOs würden nicht verboten und kein Druck auf sie ausgeübt. Es gebe
       lediglich eine Meldepflicht. Niemand brauche Angst zu haben. Die Sicherheit
       des Landes habe Priorität, zitiert der russischsprachige Dienst der BBC
       Schakijew.
       
       Das neue Gesetzesvorhaben stieß in Juristenkreisen auf Kritik. Der Wortlaut
       sei zu vage. Dies könne dazu führen, dass jede Form zivilen Ungehorsams als
       Straftat eingestuft werde, lautete ein Argument.
       
       Das Oberste Gericht Kirgistans hatte vorgeschlagen, den Passus „Gründung
       einer gemeinnützigen Organisation, die in die Persönlichkeit und Rechte der
       Bürger eingreift“ zu streichen. Das entspreche nicht dem Grundsatz der
       Rechtssicherheit und könne zu mehrdeutigen Auslegungen und einem Verstoß
       [1][gegen die Verfassung] führen. Die kirgisische
       Generalstaatsanwaltschaft hatte geltend gemacht, dass das Strafgesetzbuch
       bereits jetzt eine Haftung von NGO-Vertretern für Machtmissbrauch vorsehe.
       
       Auch Menschenrechtsaktivisten hatten sich kritisch geäußert und gefordert,
       das Projekt fallen zu lassen. Gemeinnützige Organisationen trügen zur
       wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes bei. Die Annahme des
       Dokuments könne einen Rückgang ausländischer Investitionen im
       gemeinnützigen Sektor sowie in der Wirtschaft Kirgistans zur Folge haben.
       
       [2][Kirgistan], dessen Entwicklung Hoffnungen auf eine zumindest
       ansatzweise liberale Entwicklung geweckt hatte, fällt mehr und, mehr in den
       Autoritarismus zurück. Das NGO-Gesetz erinnert fatal an Russland. Bereits
       2012 waren dort Vorschriften über „ausländische Agenten“ in Kraft getreten,
       die seitdem mehrfach verschärft wurden. Sie sind maßgeblich mit dafür
       verantwortlich, dass der sogenannte dritte Sektor in Russland mittlerweile
       so gut wie tot ist.
       
       26 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Verfassungsreferendum-in-Kirgistan/!5764913
 (DIR) [2] /Kirgistan/!t5007946
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kirgistan
 (DIR) Zentralasien
 (DIR) NGOs
 (DIR) Kirgistan
 (DIR) Kirgisien
 (DIR) Kirgistan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Sprachgesetz in Kirgistan: Emanzipation von Russland
       
       In Kirgistan, wo viele Russisch sprechen, sollen sehr gute Kenntnisse der
       Staatssprache Kirgisisch Pflicht werden. Das sorgt für Kritik aus Moskau.
       
 (DIR) Referendum in Kirgistan: Mit aller Macht
       
       Der kirgisische Staatschef Sadyr Japarow ist Anti-Korruptionskämpfer und
       Nationalist. Mit der Verfassungsänderung hebelt er die Gewaltenteilung aus.
       
 (DIR) Wahlen in Kirgistan: Fatales Signal
       
       Nach den Wahlen droht Kirgistan wieder Autoritarismus. Und das obwohl der
       Staatschef nach Protesten wegen Wahlfälschung auf die politische Bühne
       trat.