# taz.de -- Einschulung: Wenn man mehr lernt als das Schulkind
       
       > Die Einschulung ist eine aufregende Zeit. Aber neu ist mir, dass auch
       > Eltern ganz schön was lernen.
       
 (IMG) Bild: Spielerisches Lernen und neues Selbstbewusstsein
       
       Ich habe in den vergangenen Wochen ganz schön viel gelernt. Vielleicht mehr
       als das Schulkind, [1][das seither die erste Klasse besucht.] Ich habe etwa
       gelernt, dass das Kind gar nicht mehr so lange Kind sein wird und dass mich
       das zu gleichen Teilen wehmütig und neugierig macht. Ich habe gelernt, dass
       es mir überhaupt nicht leicht fällt, das Kind von einem auf den anderen Tag
       ein gutes Stück mehr loszulassen als zuvor. Aber auch, dass ich mich daran
       gewöhnen kann.
       
       Ich habe ebenfalls gelernt, dass sein Selbstbewusstsein in neuen Umgebungen
       ein paar Tage braucht, bis es hinterherkommt. Dass es etwas dauert, bis das
       Kind wieder sicher durch neue soziale Situationen steuern kann. Und dass es
       alle Regeln in der Schule einmal ganz genau erklärt haben will.
       
       Ich habe gesehen, wie leicht es Freunde findet und wie schnell es Menschen
       ans Herz wächst. Aber auch, wie viel es von anderen Menschen übernimmt. Ich
       habe also gelernt, dass wenn das Kind gemeinsam mit anderen Kindern aus
       allen Altersstufen eine Klasse besucht, das nicht nur heißt, dass es in den
       Schulstunden anders lernen kann, sondern auch, dass es anderes Vokabular
       aus den Pausen mit nach Hause bringt. So kam es, dass das Kind, das gerade
       noch im Kindergarten Pinguine gebastelt hat, nun nach der Schule erzählt,
       dass ihm jemand den Ball „voll in die Eier“ gehauen habe.
       
       Ich habe ebenso gelernt, dass wir jetzt samstags gemeinsam Hefte
       durchschauen und hastig in den Ranzen genudelte Arbeitsblätter übers
       Wochenende zwischen großen Büchern wieder plattdrücken müssen. Und dass wir
       üben müssen, das kleine „m“ zu schreiben, wie zwei Bögen, die miteinander
       kuscheln. Und das Plus, das oft noch eher aussieht wie ein Bekenntnis zum
       Christentum. Aber ich habe auch gelernt, dass wir uns beide darauf freuen,
       bald miteinander lesen zu können. Und natürlich, dass es im Schulgebäude
       kleine Schwarze Löcher zu geben scheint, die Dinge verschlucken – der
       teuerste Stift geht immer zuerst verloren.
       
       Ich habe auch gemerkt, dass man aufpassen muss, dass nicht irgendwann der
       halbe Kleiderschrank des Kindes in der Schule hängt. Dass wir insgesamt
       noch lernen müssen, nicht ständig alles zu verlieren und zu vergessen. Vor
       allem nicht die Brotbox vom Ausflug im Rucksack im Flur.
       
       Ich habe gelernt, dass ich es immer noch hasse, um sechs Uhr aufstehen zu
       müssen, weil die Schule um acht Uhr losgeht. Denn die Kinder sind leider
       keine Lerchen und auch keine Eulen, sondern vor allem Schnecken. Und dass
       ich die weichen, gemütlichen Kindergartentage vermisse, wo es relativ egal
       war, wann wir ankommen und wann wir abholen.
       
       Ich habe gelernt, dass das Kind nach der Schule nie weiß, was es den ganzen
       Tag gemacht hat. Nicht mal, was es zu essen gab. Aber wenn es später
       schlafen soll, sprudelt jedes noch so kleine Detail seines Tages aus ihm
       heraus. Besser spät als nie. Und eine Sache, die ich nur geahnt habe: Es
       ist egal, wie die Schule anfangs auf einen wirkt. Ob die Kinder gern
       hingehen, kommt vor allem auf die Klassenlehrer*innen an. Da haben wir
       Glück gehabt. Was ich aber vor allem wieder gemerkt habe, ist, dass wir
       wirklich stolz sein dürfen auf diesen kleinen Menschen, der jetzt gar nicht
       mehr so klein ist.
       
       22 Oct 2023
       
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