# taz.de -- Kaum Stipendien für schreibende Mütter: Kein Platz im Turmzimmer
       
       > Es gibt unzählige Stipendien für Autor*innen. An schreibende Mütter wird
       > nicht gedacht, an Alleinerziehende schon gar nicht. Das muss sich ändern.
       
 (IMG) Bild: „Zu alt, zu Mutter und auch zu arm“ für Stipendien?
       
       Wir kennen bereits viele Gaps: [1][Gender Pay Gap], Gender Time Gap,
       [2][Gender Wealth Gap], Gender Care Gap und so weiter. Ein Gap, der nicht
       so viel Beachtung hat, der mir aber als Autorin immer schmerzlicher
       auffällt, ist der Gender Scholarship Gap, der vor allem schreibende Mütter
       bei [3][Stipendien] komplett außen vor lässt.
       
       In aller Regel kann man heute als freie Autorin ohne Nebenjob nur vom
       Schreiben leben, wenn man den Ball flach hält und sein Einkommen aus einer
       Mischung aus Buchverkäufen, Vorschüssen und Honoraren aus Aufträgen für
       Texte, Vorträge oder Lesungen bezieht. Es gibt natürlich Leute, die
       problemlos und mitunter sehr gut davon leben können. Die fallen aber
       entweder in die Kategorie Superstar, Alleinlebend ohne Care-Verpflichtungen
       oder querfinanziert von Erbe und/oder Partner*in. Deshalb sind Preise und
       Stipendien für viele Autor*innen wichtig, um Lücken zu stopfen, die sich
       zwischen zwei Veröffentlichungen auftun können.
       
       Es gibt im deutschsprachigen Raum eine Fülle von Stipendien und Preisen,
       für die man sich als Journalistin oder Autorin bewerben kann. Für
       Studierende mit Kind, für Frauen bis 35, Arbeits-, Recherche- oder
       Aufenthaltsstipendien. Es scheint für jeden etwas dabei zu sein. Außer eben
       für Mütter über 35 oder – der Himmel bewahre – über 40 Jahren. Da ist
       offenbar die Grenze der Förderwürdigkeit erreicht.
       
       ## Alleinerziehende werden nicht mitgedacht
       
       Immer wenn ich mich doch wieder durch die ganzen Stipendien wühle, bei
       denen ich mich nicht bewerben kann, weil ich zu alt, zu Mutter und auch zu
       arm bin, um 16 Wochen in einem Turmzimmer einer deutschen Kleinstadt zu
       sitzen, um an meinem „besonders anspruchsvollen literarischen Werk“ zu
       feilen, kippe ich in ein kleines Tief.
       
       Wochenlang oder monatelang an einem See sitzen und an einem neuen Buch zu
       schreiben, wäre schon traumhaft. Ideen hätte ich genug, aber Kinder habe
       ich eben auch genug, um zu wissen, dass das nicht möglich sein wird. Selbst
       mit einem Partner, der den Laden problemlos alleine schmeißen könnte, sehe
       ich nicht, wie ich so lange die Stadt verlassen soll. Für Alleinerziehende
       ist das alles sowieso ein einziger Witz.
       
       Nur, wenn man nicht mehr schreiben kann, muss man es eben auch irgendwann
       lassen. Und das ist der langfristige Effekt dieser Stipendiensache, sie
       befördert die vorhandene Ungleichheit noch weiter.
       
       Irrwitzig ist auch das Bild von „dem Schriftsteller“, das in all diesen
       Ausschreibungen transportiert wird – vor allem für Aufenthaltsstipendien
       als Stadtschreiber*in. Alleine, monatelang in einem (nicht barrierefreien)
       Zimmer sitzend, ohne jeglichen Verpflichtungen und sich ganz der Stadt
       hingebend. So kann man Schriftsteller*innen schon sehen, mir fallen aus
       dem Stand mehrere ein, deren Vibe das ist. Aber ist das wirklich alles, was
       wir lesen wollen?
       
       Denn es gäbe durchaus Möglichkeiten, dieses System zu verändern. Man könnte
       Altersgrenzen abschaffen, oder zumindest Bewerber*innen drei Jahre
       Lebenszeit pro Kind anrechnen. Man könnte die Barrieren für
       Aufenthaltsstipendien senken, indem man die Anwesenheitspflicht vor Ort an
       die jeweiligen Bedürfnisse anpasst und remote Lösungen findet. Man könnte
       sogar speziell Eltern und Mütter fördern. Kaum auszudenken, was wir bisher
       an Literatur verpassen.
       
       21 Nov 2023
       
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