# taz.de -- Sanktionen für minderjährige Geflüchtete: Dann gibt's halt kein Taschengeld
       
       > Bremer Senat zahlt vorläufig untergebrachten jungen Flüchtlingen einen
       > Bruchteil des vorgesehenen Taschengeldes. Auszahlung an Wohlverhalten
       > geknüpft.
       
 (IMG) Bild: Wer Hilfe will, muss sich „erkennungsdienstlich behandeln“ lassen: Fingerabdruck-Scan
       
       Wer in einer Jugendhilfeeinrichtung lebt, soll ein Taschengeld bekommen,
       eigentlich. Doch der Bargeldbetrag zur freien Verfügung beträgt für
       geflüchtete Kinder und Jugendliche, die neu in Bremen angekommen sind, nur
       einen Bruchteil des normalen Satzes. „Das Sozialressort grenzt besonders
       schutzbedürftige geflüchtete Minderjährige aus der Taschengeldregelung der
       Jugendhilfe aus“, kritisiert Holger Dieckmann vom [1][Bremer
       Flüchtlingsrat]. In einem offenen Brief an Sozialsenatorin Claudia
       Schilling (SPD) fordert er, diese „diskriminierende Sonderregelung“
       aufzuheben.
       
       Laut der entsprechenden Richtlinie des Landes Bremen ist das
       [2][Taschengeld eine Leistung zum Lebensunterhalt] und damit „unantastbar“.
       Der junge Mensch habe einen Anspruch auf den Barbetrag und damit auch das
       Verfügungsrecht darüber. „Das Taschengeld kann nicht versagt und ohne
       Einwilligung des betroffenen jungen Menschen nicht gekürzt werden“, heißt
       es in dem Text. Die Höhe des Betrages orientiert sich am Alter und an der
       Sozialhilfe.
       
       Für Kinder und Jugendliche, die von Bremen vorläufig in Obhut genommen
       werden, hat der Senat allerdings eine Ausnahme geschaffen. Eine
       [3][Inobhutnahme] dient grundsätzlich dazu, Kindern und Jugendlichen in Not
       fürs Erste ein Dach über dem Kopf zu verschaffen und sie zu betreuen. Bei
       der vorläufigen Inobhutnahme, also dem vom Flüchtlingsrat kritisierten
       Sachverhalt, geht es um den Sonderfall junger unbegleiteter Flüchtlinge,
       bei denen offen ist, ob sie in Bremen bleiben können oder anderswohin
       geschickt werden.
       
       ## 1,50 Euro pro Tag
       
       Bei ihnen wird das Taschengeld „von der nach Landesrecht zuständigen
       Behörde festgesetzt“. Der Bremer Senat erließ dafür 2015 eine
       Verwaltungsvorschrift, die 1,50 Euro pro Tag dafür veranschlagt – ein
       Betrag, der seit damals nicht angehoben worden ist und viel niedriger
       liegt, als derjenige, der sich an der Sozialhilfe orientiert.
       
       Zudem knüpft der Bremer Senat die Auszahlung an Bedingungen: Gezahlt wird
       „ab dem 8. Aufenthaltstag, frühestens jedoch nach der
       erkennungs-dienstlichen Behandlung durch die Polizei und dem Erstgespräch
       mit dem Sozialdienst“. Versäumt der minderjährige unbegleitete Flüchtling
       selbstverschuldet einen entsprechenden Termin, gibt es kein Geld.
       
       Bei diesen Terminen soll festgestellt werden, ob das Kind oder der
       Jugendliche nach dem Verteilerschlüssel der Bundesländer an ein Jugendamt
       außerhalb Bremens weitergereicht werden könnte, ohne dass das ihm schadet:
       Lässt seine Gesundheitszustand das zu? Leben Geschwister in Bremen?
       
       Der [4][Flüchtlingsrat] hält es für unzulässig, dass der Senat die
       Auszahlung des Taschengeldes an Bedingungen knüpft. Im Übrigen sei der
       Betrag viel zu gering. „Kaum Bargeld zur Verfügung zu haben, bedeutet eine
       erhebliche Einschränkung des Alltagslebens, der Entwicklungsmöglichkeiten
       und der Autonomie“, kritisiert der Flüchtlingsrat. Damit seien nicht einmal
       grundlegende Notwendigkeiten wie eine Prepaid-Karte fürs Handy oder eine
       Fahrkarte zur eigenen rechtlichen Vertretung zum Jugendamt finanzierbar.
       
       Die Sozialbehörde verweist darauf, dass die vorläufige Inobhutnahme auf
       vier Wochen begrenzt sei. „In diesem Stadium sind bestimmte Integrations-
       und Teihabeleistungen nicht erforderlich“, sagt deren Sprecher Bernd
       Schneider. Holger Dieckmann vom Flüchtlingsrat widerspricht: Die Verwaltung
       selbst gehe von einer „durchschnittlichen Verweildauer“ von sechs Wochen
       aus. Manchmal dauere das auch noch länger, sagt Dieckmann.
       
       ## Taschengelderhöhung durchgerutscht
       
       Das Taschengeld niedriger anzusetzen sei zulässig, sagt Behördensprecher
       Schneider, schließlich bekämen die minderjährigen Flüchtlinge viele
       Sachleistungen wie etwa ein Wochenticket für den öffentlichen Nahverkehr.
       Dass das Taschengeld lange nicht erhöht wurde, sei durchgerutscht. „Wir
       bitten um Verständnis, dass eine stark ausgelastete Verwaltung nicht alle
       Dinge im Blick haben kann.“
       
       Das lasse sich leicht lösen, findet der Flüchlingsrat. Er schlägt vor, bei
       den vorläufig in Obhut Genommenen genauso zu verfahren wie bei den regulär
       in Obhut Genommenen: Dann würde sich das Taschengeld an der Sozialhilfe
       orientieren und regelmäßig erhöht. So verfährt das Nachbarland
       Niedersachsen.
       
       Behördensprecher Schneider kündigt für Bremen eine Neuregelung zum Januar
       2024 an. Dabei würde der Betrag ebenso geprüft wie die Bedingungen.
       
       Dieckmann wiederum erschließt sich nicht, warum diese aus seiner Sicht
       ungerechtfertigte und schikanöse Diskriminierung nicht sofort abgeschafft
       wird. „Das riecht nach Abschreckung“, findet der Mann vom Flüchtlingsrat.
       
       17 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Urteil-gegen-Bremer-Standesaemter/!5930655
 (DIR) [2] /Sozialarbeiter-ueber-Jugendhilfe/!5963222
 (DIR) [3] /Unbegleitete-Minderjaehrige-in-Sachsen/!5894033
 (DIR) [4] https://www.fluechtlingsrat-bremen.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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