# taz.de -- Auflösung der Linksfraktion: 28 sind eine Gruppe
       
       > Der Vorsitzende Dietmar Bartsch kündigt am Dienstag die Auflösung der
       > Linksfraktion an. Auch einige der rund hundert Beschäftigten sind
       > erschienen.
       
 (IMG) Bild: Die Linke hat in ihrer Sitzung über ihre Auflösung beraten
       
       BERLIN taz | Ungewöhnlich viel Andrang herrscht am Dienstagmittag vor der
       roten Wand auf der Fraktionsebene im Bundestag, als Dietmar Bartsch vor die
       Presse tritt. Einige Mitarbeiterinnen seiner Fraktion sind gekommen, eine
       hat sogar ihre Tochter mitgebracht. „Wir wollen uns die letzte
       Pressekonferenz anschauen“, sagt sie. „Das ist ja ein historischer Moment.“
       
       Bevor er zum eigentlichen Thema kommt, möchte Bartsch noch etwas
       Inhaltliches loswerden: Dass die Bundesregierung die Militärhilfe für die
       Ukraine verdoppeln will, während sie bei der Kindergrundsicherung spart,
       sei „brandgefährlich“, sagt er. Und dass Bundesverteidigungsminister
       [1][Boris Pistorius die Bundeswehr „kriegstüchtig“] machen will, irritiere
       ihn: bislang habe es nur „verteidigungsbereit“ geheißen.
       
       Dann kommt er zum Punkt: die Auflösung der Fraktion. Das sei „ein
       gravierender Einschnitt“ und eine „Niederlage, die gravierende Konsequenzen
       für unser Land haben wird“. Aber „lieber einig mit 28 statt zerstritten mit
       38“, macht er Mut. Und: „Auch eine Gruppe kann politisch viel bewirken.“
       Die Liquidation der Linksfraktion sei „keinesfalls das Ende der Linken“,
       sondern die „Chance für einen Neustart“.
       
       Das Ziel sei, bei der Bundestagswahl 2025 wieder in Fraktionsstärke in den
       Bundestag einzuziehen. Am 6. Dezember wird aber erst mal die
       Selbstauflösung eingeleitet. Zum Liquidatoren bestimmte die Fraktion Thomas
       Westphal, der bisher das Vorstandsbüro der Fraktionsvorsitzenden leitete,
       sowie den stellvertretenden Geschäftsführer der Fraktion Uwe Hobler.
       
       ## Erst schlimmer, dann besser
       
       Der nächste Schritt der verbliebenen Linken ist es nun, möglichst schnell
       als Gruppe anerkannt werden. Wann das genau passiert, entscheidet der
       Bundestag. Als Gruppe stünden ihnen wieder einige Rechte und Finanzmittel
       zu. Auch die Einstellung oder Weiterbeschäftigung eines Teils der rund 100
       Mitarbeiter werde wieder möglich.
       
       „Das ist das Schlimmste, da hängen ja Schicksale und Familien dran“,
       schrieb die Linken-Abgeordnete [2][Anke Domscheit-Berg auf dem
       Kurznachrichtendienst X] (ehemals Twitter) zum drohenden
       Arbeitsplatzverlust vieler Beschäftigter der Fraktion. Unschätzbare
       Expertise und Erfahrung gehe verloren.
       
       So wie die von Kolja Fuchslocher, der bisher als Fachreferent für Kinder-
       und Jugendpolitik für die Fraktion gearbeitet hat. Analysen schreiben,
       Anträge und Anfragen vorbereiten – das gehörte bisher zu seinen Aufgaben.
       „Das war ein großartiger und herausfordernder Job, dem ich noch etwas
       nachtrauern werde. Ich bin dankbar dafür, hier gearbeitet zu haben, und
       nehme unheimlich viel mit. Aber als politischer Mensch hoffe ich, dass
       meine Partei sich wieder aufrappelt, und schaue, was dann möglich ist.“
       
       Ein Sozialplan soll nun helfen, die schlimmsten Härten abzumildern. „Wir
       stecken den Kopf nicht in den Sand“, schreibt Anke Domscheit-Berg. Manches
       werde vielleicht sogar leichter, wenn das „Störfeuer von innen“ endlich
       entfalle.
       
       ## „Langsames wachsen“
       
       Derweil peilen nicht nur die Linkenabgeordneten, sondern auch die
       Mitglieder des [3][neu gegründeten Vereins „Bündnis Sahra Wagenknecht] –
       Für Vernunft und Gerechtigkeit“ den Status einer Gruppe im Bundestag an.
       Wahrscheinlich wird der Bundestag dem zustimmen. Um als Gruppe anerkannt zu
       werden, braucht es mindestens fünf Abgeordnete mit gleichen politischen
       Zielen.
       
       Im kommenden Jahr soll aus dem Verein eine Partei werden, mit Parteitag im
       Januar 2024, auf dem über den Vorstand und die Kandidatenliste für die
       Europawahl abgestimmt werden soll. Die Partei soll ein exklusiver Club sein
       und zunächst nur ausgewählte Bewerber aufnehmen. Man wolle „langsam
       wachsen“, sagt Wagenknecht. Sie selbst will nicht als Vorsitzende ihrer
       eigenen Partei kandidieren, sondern schlägt Amira Mohamed Ali für den Job
       vor, die ehemalige Fraktionschefin der Linken im Bundestag. Ob Wagenknecht
       als Spitzenkandidatin zur Europawahl im Juni 2024 antritt, lässt sie noch
       offen.
       
       Bis zu den nächsten Wahlen behalten die zehn Ex-Linken ihre
       Bundestagsmandate, zum Unmut ihrer bisherigen Fraktionsfreunde. Die drei
       direkt gewählten Linken-Abgeordneten Gesine Lötzsch, Sören Pellmann und
       Gregor Gysi nennen das einen „Diebstahl“ – diesen drei verdankt es die
       Linke schließlich, überhaupt im Bundestag zu sitzen, denn bei der
       Bundestagswahl 2021 war sie knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert.
       
       Auf das vergiftete Angebot der Wagenknecht-Truppe, in der Fraktion zu
       bleiben, um Arbeitsplätze von Mitarbeitenden etwas länger zu retten, ging
       Fraktionschef Dietmar Bartsch deshalb nicht mehr ein. Als vier der
       „Abtrünnigen“ in der vergangenen Woche zur Fraktionssitzung in den
       Bundestag kamen, obwohl er ihnen davon abgeraten hatte, wies Bartsch ihnen
       nach kurzer Aussprache die Tür. Die Fraktion sei „politisch tot“, sagte er
       damals.
       
       Die frisch von Wagenknecht geschiedene Partei trifft sich als Nächstes am
       Donnerstag in Augsburg, um sich auf die Europawahl einzustimmen.
       
       14 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Mehr-Geld-fuer-die-Bundeswehr/!5972197
 (DIR) [2] https://x.com/anked/status/1724350622693003485?s=20
 (DIR) [3] /Wagenknechts-neuer-Verein/!5965283
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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