# taz.de -- Querdenker vor Gericht: Querdenker kommt wohl billig davon
       
       > Das Landgericht Stuttgart will Michael Ballweg nur wegen
       > Steuerhinterziehung anklagen, nicht wegen Veruntreuung von Spendengeldern
       > für Coronademos.
       
 (IMG) Bild: Michael Ballweg saß neun Monate in Untersuchungshaft
       
       KARLSRUHE taz | Es begann mit einer Razzia im Privathaus und einer
       Festnahme. [1][Neun Monate, bis April dieses Jahres, saß Michael Ballweg,
       der Gründer der Querdenkerbewegung, in Haft]. Drei Gerichte hatten
       dringenden Tatverdacht und Fluchtgefahr festgestellt. Insgesamt hat es über
       ein Jahr gedauert, bis das Landgericht Stuttgart Anfang Oktober Anklage
       gegen den Gründer der Querdenkerbewegung zugelassen hat.
       
       Doch nicht wegen versuchten Betrugs in 9.450 Fällen und Geldwäsche in vier
       Fällen, wie es die Staatsanwaltschaft beantragt hatte, sondern nur wegen
       Steuerhinterziehung. Die Begründung des Landgerichts ist eine ziemliche
       Ohrfeige für die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, aber auch für die Richter,
       die in den vergangenen Monaten immer wieder den dringenden Tatverdacht nach
       den Ermittlungsakten bestätigt hatten.
       
       Ballweg dagegen triumphiert. Die Vorwürfe seien so dünn, dass niemals ein
       Haftbefehl hätte ausgestellt werden dürfen, heißt es in einer
       Pressemitteilung. In der Querdenkerbewegung wurden von Anfang an politische
       Motive hinter den Ermittlungen gegen ihren Gründer vermutet. Aus ihrer
       Sicht sollte der Kopf der Bewegung, die seit dem Frühjahr 2020 zeitweise
       Hunderttausende gegen die Coronamaßnahmen der Regierung auf die Straßen
       brachte, ausgeschaltet werden.
       
       ## Ballweg hatte Spenden persönlich verwendet
       
       [2][Der Stuttgarter Unternehmer hatte auf den Demonstrationen, bei denen
       Teile der linksalternativen Bewegung zusammen mit Rechtsradikalen
       demonstrierten], zu Spenden aufgerufen und dabei nach Erkenntnissen der
       Staatsanwaltschaft über eine Million Euro von seinen Unterstützern
       eingeworben. Weiter heißt es, dass Ballweg die Spender über die Verwendung
       der Gelder getäuscht habe. Etwa 500.000 Euro soll er für sich persönlich
       verwendet haben.
       
       Das Landgericht hält das nicht für Betrug. Die Richter stehen auf dem
       Standpunkt, Ballweg sei nicht unbedingt verpflichtet gewesen, die
       Spendengelder von seinem Privatvermögen getrennt zu halten. Querdenken711,
       wie Ballwegs Bewegung auf der Webseite heißt, sei keine juristische Person.
       Zudem sei in dem Spendenaufruf nie behauptet worden, dass das Geld für ein
       bestimmtes Projekt eingesetzt werde.
       
       Übrig bleibt also nur der Vorwurf, im Jahr 2020 sein Einkommen von
       insgesamt mehr als einer Million Euro nicht versteuert zu haben. Ballweg
       erklärt in einer Pressemitteilung, ein „Team aus Steuerberatern“ habe in
       den letzten Monaten Zahlen zusammengetragen, die belegen, dass er „eigenes
       Vermögen in die Querdenkerbewegung gesteckt habe und nicht umgekehrt“.
       
       ## Viele Spender fühlen sich nicht betrogen
       
       Tatsache ist, dass der Umgang mit Geld in der Querdenkerbewegung immer
       undurchsichtig war. Doch Teile der Unterstützer scheinen nichts dagegen
       gehabt zu haben. Erst hatte man um Spenden geworben, dann nur noch von
       Schenkungen gesprochen. Nach Berichten der Stuttgarter Zeitung hatte die
       Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen hunderte Unterstützer kontaktiert
       und sie über ihre Erwartungen befragt. Viele davon fühlten sich nicht
       betrogen, selbst wenn Ballweg das Geld privat nutzte. Sie hätten sein
       Engagement fördern wollen, erklärten sie.
       
       Die Staatsanwaltschaft wurde von der Ablehnung weiter Teile ihrer Anklage
       offenbar überrascht. Sie legte umgehend Beschwerde ein. So schnell, dass
       selbst Ballwegs Verteidigerteam um den Stuttgarter Anwalt und
       CDU-Landtagsabgeordneten Reinhard Löffler erst durch die Pressemitteilung
       der Staatsanwaltschaft von Entscheidung des Landgerichts erfuhr.
       
       Jetzt muss das Oberlandesgericht die Beschwerde prüfen. Jenes Gericht, das
       schon bei der Haftprüfung die Ermittlungsakten vorliegen hatte und einen
       dringenden Tatverdacht gegeben sah. Eine Entscheidung ist nach Einschätzung
       von Verfahrensbeteiligten in den nächsten Wochen zu erwarten. Kommt es doch
       zur Anklage in vollem Umfang, dürfte es ein langwieriger Prozess werden,
       bei dem viele der Unterstützer als Zeugen aufgerufen werden, um zu klären,
       ob sie sich von Ballweg getäuscht fühlen.
       
       1 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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