# taz.de -- Parteipolitik in Griechenlands Linken: Syriza spaltet sich zum vierten Mal
       
       > Unter dem neuen Parteichef Kasselakis kracht es in der griechischen
       > Linken weiter. Dem Ex-Banker wird vorgeworfen, aus Syriza eine Partei der
       > Mitte machen zu wollen.
       
 (IMG) Bild: Vom Hoffnungsträger zum Spalter: Stefanos Kasselakis
       
       ATHEN taz | Der Ort des Geschehens in Athen, das „Hotel President“, passte
       zu dem, was sich der neue Syriza-Chef Stefanos Kasselakis am Wochenende
       fest vorgenommen hatte: Die Sitzung des Zentralkomitees (ZK), des obersten
       Parteiorgans, sollte ihm dazu dienen, reinen Tisch zu machen. Unliebige
       innerparteiliche Kritiker sollten entweder hochkant aus der Partei geworfen
       werden oder dem durch ihren Austritt selbst zuvorkommen. Kasselakis drohte
       mit dem ersten Szenario, schließlich kam es zum zweiten: 45 ZK-Mitglieder
       traten aus Syriza aus, weitere folgten am Montag.
       
       Darunter ist [1][Euklid Tsakalotos]. Der 63-Jährige hatte von 2015 bis 2019
       die griechischen Staatsfinanzen wie nie zuvor konsolidiert. Mit der unter
       dem Namen Ombrella („Schirm“) firmierenden innerparteilichen Opposition war
       er Kasselakis ein Dorn im Auge. Sowohl Kasselakis’ politische Positionen
       als auch dessen rauer Umgang mit vier altgedienten Parteifunktionären habe
       rein gar nichts mit der innerparteilichen Demokratie, dem Gedankengut und
       der Kultur von Syriza zu tun, so Ombrella.
       
       Das Quartett der Altfunktionäre besteht aus Panos Skourletis, Nikos Filis,
       Dimitrios Vitsas und Stefanos Tzoumakas. Sie hatten sich über Kasselakis –
       den auf Anhieb an die Parteispitze katapultierten „Sunnyboy aus den USA“
       mit seiner für die Linke ohnehin heiklen [2][Vergangenheit als Goldman
       Sachs-Banker] – abschätzig geäußert.
       
       Das Fass zum Überlaufen brachte ein am Vorabend der ZK-Sitzung von
       Kasselakis in dem sozialen Netzwerk X, ehemals Twitter, geteiltes Video. Er
       wolle die vier Kritiker per Mitgliederentscheid aus der Partei
       ausschließen, falls dies der Syriza-Disziplinarausschuss nicht bis diesen
       Freitag entscheide. Alle vier kamen letztlich Kasselakis zuvor, indem sie
       selbst aus der Partei austraten.
       
       ## Gründen die Ausgetretenen bald eine neue Partei?
       
       Nikos Filis sagte am Samstag gegenüber der taz: „Das ist ein Pogrom gegen
       uns. Kasselakis will Syriza in eine populistische Partei der Mitte
       umwandeln.“ Kassekalis’ höchst umstrittener Vorstoß, die Syriza-Mitglieder
       in der Sache zu befragen, brachte indes nicht nur die
       Zentralkomiteemitglieder um Euklid Tsakalotos noch mehr gegen ihn auf. Auch
       eine Gruppe um die Kasselakis-Widersacherin Efi Achtsioglou, die in der
       Stichwahl um den Parteivorsitz im September den Kürzeren gezogen hatte,
       verließ nach der die ZK-Sitzung einleitenden Kasselakis-Rede aus Protest
       den Sitzungssaal.
       
       Ein hernach veröffentlichtes Papier trägt die Unterschrift von ihr und
       weiteren zehn ZK-Mitgliedern. Darunter sind sieben Syriza-Abgeordnete,
       [3][Achtsioglou] inbegriffen. Das Lager wirft Kasselakis vor, nicht damit
       zu zögern, „reaktionäre Schemata aus dem Köcher der Alt-Right (alternativen
       Rechten) nach US-Vorbild“ und der inländischen „Anti-Syriza“-Front zu
       verwenden: Parteien seien für Kasselakis „kranke Organisationen“, die Linke
       sei „die Summe der Eliten und der von der Realität Abgehobenen“.
       Achtsioglou und Co stellten aber klar, bis auf Weiteres Syriza dennoch treu
       zu bleiben.
       
       Unterm Strich verliert Syriza mit Tsakalotos und Mitstreiterin Peti Perka
       zwei Abgeordnete. Sie wollen ihre Sitze nicht der Partei zurückgeben.
       Syriza bleibt zwar vor der Pasok die führende Athener Oppositionspartei,
       zählt aber nur noch 45 Abgeordnete im 300 umfassenden Athener Parlament. Es
       gilt in der griechischen Hauptstadt als sicher, dass Tsakalotos und Co
       alsbald eine neue Partei gründen. Ihr Motto: „Wir sind die Bewahrer der
       wirklichen Syriza, nicht Kasselakis.“
       
       Die aktuelle (Ab-)Spaltung ist für Syriza bereits die vierte seit 2010. Das
       Team Kasselakis will nach der ZK-Sitzung den Neustart. Syriza soll wieder
       auf 30 Prozent der Stimmen kommen. Aktuelle Umfragen sehen Syriza bei nur
       noch 15 Prozent – rund zwei Prozent weniger als bei den jüngsten
       Parlamentswahlen im vergangenen Juni.
       
       Ins Fäustchen lacht sich derweil der [4][konservative Premier Kyriakos
       Mitsotakis]. Sein Motto: „Weiter durchregieren.“
       
       13 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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