# taz.de -- Vorstandswahl bei den Grünen: Die grüne Quadratur des Kreises
       
       > Die Doppelspitze der Berliner Grünen, in die nun Tanja Prinz strebt, ist
       > ein fragiles Konstrukt. Es fußt darauf, das Unmögliche möglich zu machen.
       
 (IMG) Bild: Mertens und Ghirmai übernahmen 2021 die Grünen-Doppelspitze. Nur Ghirmai tritt jetzt wieder an
       
       Die parteiinternen und seit Wochen währenden Debatten um die mögliche
       künftige Berliner Grünen-Vorsitzende Tanja Prinz zeigen eines ganz
       deutlich: Die Doppelspitze des Landesverbands ist eigentlich der Versuch,
       den Kreis zu quadrieren.
       
       Das liegt nicht an der Vorgabe, dass sie [1][laut Satzung] zur Hälfte
       weiblich sein muss, sondern an ihrer zweiten, inoffiziellen Quotierung. Die
       beiden, die den Landesverband führen, sollen zwar aus je einem der beiden
       Lager oder Flügel kommen, den Linken und den Realos. Andererseits sollen
       sie aber auch von der gesamten Partei anerkannt sein und für alle
       Parteimitglieder sprechen.
       
       Eigentlich geht das nicht. Ein Hardcore-Kreuzberger, der sich vom
       CDU-affinen Zehlendorfer vertreten lässt? Eine Mitte-Reala, die sich für
       ihre enteignungsfreudige Parteifreundin aus Neukölln begeistert? Eigentlich
       unmöglich. Aber eben nur eigentlich. Denn seit 2011 hat dieses Modell
       bislang überraschend gut funktioniert.
       
       Da kam ein beide Flügel abdeckendes Duo an die Spitze, das bei erster und
       nur an Etiketten orientierter Betrachtung überhaupt nicht zueinander zu
       passen schien: Bettina Jarasch und Daniel Wesener. Kirchentante – Jarasch
       war, ungewöhnlich bei den Grünen, Gemeinderatsvorsitzende der katholischen
       Gemeinde St. Marien/Liebfrauen – und Ströbele-Zögling – Wesener war
       langjähriger Mitarbeiter der Linken-Ikone –, wie sollte das gehen?
       
       ## Harmonie ist eine Strategie
       
       Es ging. Zwei Jahre später galten die beiden als „Traum-Duo“ und erzielten
       bei ihrer Wiederwahl 2013 mit jeweils rund 95 Prozent zuvor [2][bei den
       Grünen nicht erlebte Rekordergebnisse]. Ähnlich gut harmonierten ab 2016
       ihre Nachfolger Nina Stahr und Werner Graf, zuvor in Steglitz-Zehlendorf
       und Kreuzberg führende Köpfe ihrer ungleichen Bezirksverbände, oder
       zumindest erweckten sie diesen Eindruck.
       
       Beide Duos, die ihre Ämter jeweils nach fünf Jahren aufgaben, um
       Parlamentsmandate anzunehmen, die laut Satzung nicht mit dem Landesvorsitz
       vereinbar sind, waren nicht auf die Schnelle entstanden und wohl
       austariert. Und vor allem: In beiden Fällen kam das Duo gemeinsam ins Amt,
       musste und konnte sich gemeinsam in die neue Rolle eingewöhnen.
       
       Das ist nun erstmals seit 2011 anders, wenn beim Parteitag am 9. Dezember
       erneut Vorstandswahlen anstehen. Egal ob Tanja Prinz gemäß dem Votum eines
       Realo-Treffens diesen Flügel vertreten wird oder ob sich noch eine andere
       Variante ergibt: Sie – es muss ja laut Satzung eine Frau sein – trifft auf
       einen bestens eingearbeiteten und schon in zwei Amtsjahren etablierten
       Co-Vorsitzenden, Philmon Ghirmai. Die 2021 mit ihm gewählte Susanne Mertens
       hat angekündigt, nach einer Vorabstimmungsniederlage gegen Prinz nicht mehr
       zu kandidieren.
       
       Allein das sorgt in jedem Fall zumindest anfänglich für ein
       Ungleichgewicht. Bei Tanja Prinz kommt ein gewichtiger zweiter Punkt hinzu:
       Sie tritt mit dem Ziel an, die Partei [3][bündnisfähiger in alle Richtungen
       zu machen], sie wieder in die Regierung zu bringen und das möglichst als
       stärkste Partei, um erstmals die Regierende Bürgermeisterin stellen zu
       können.
       
       ## Schwierige Ausgangsbedingungen
       
       Das schien schon zuletzt möglich. Genau vor einem Jahr waren die Grünen in
       einer Umfrage noch stärkste Partei in Berlin. Dass es danach anders kam,
       bergab ging und die Grünen bei der Abgeordnetenhauswahl im Februar nur auf
       dem dritten Platz landeten, lasten Realos wie Prinz einer von den
       Parteilinken durchgesetzten vorherigen Festlegung auf Rot-Grün-Rot an.
       
       Ist auch unter solchen Bedingungen eine Doppelspitze möglich, die mit einer
       Stimme spricht und medial das Bild einer geschlossen auftretenden Partei
       abgibt? Vielleicht. Auch frühere Duos waren von Fragezeichen begleitet
       gestartet und setzten dann zusammen zunehmend Ausrufezeichen. Die grüne
       Quadratur des Kreis droht jedenfalls schwieriger denn je zu werden.
       
       25 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://gruene.berlin/fileadmin/BE/lv_berlin/LV_Berlin_Dokumente/zentrale_Dokumente_Landesverband/satzung_b90dgr_lv_berlin.pdf
 (DIR) [2] /Archiv-Suche/!505930&s=wesener+jarasch+traum&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [3] https://tanja-prinz.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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