# taz.de -- Politikberaterin über die COP28: „Als würde man uns Brotkrümel geben“
       
       > Das Ergebnis der Weltklimakonferenz ist für die pazifischen Inselstaaten
       > unzureichend, sagt die philippinische Klimaexpertin Tetet Lauron.
       
 (IMG) Bild: Delegierte der Marschallinseln umarmen sich auf der Abschlussitzung der Klimakonferenz in Dubai
       
       taz: Frau Lauron, auf dem Abschlussplenum der Weltklimakonferenz gab es
       Aufregung, als eine Vertreterin von Samoa beklagte, viele Inselstaaten
       seien nicht im Raum gewesen, als der wesentliche Beschluss fiel. Wie
       bewerten Sie das Abschlussprotokoll? 
       
       Tetet Lauron: Dass diese Staaten nicht im Raum waren, als die Entscheidung
       getroffen wurde, finde ich sehr ungerecht. Viele ihrer Ansichten wurden in
       dem Dokument nicht berücksichtigt. Es wurde stattdessen im sogenannten
       Konsens angenommen. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass selbst wenn man
       im Saal ist, die eigene Meinung nicht ganz gehört wird. Alle gratulieren
       nun der Präsidentschaft zu ihrer geschickten Diplomatie, aber zu welchem
       Preis? Sogar die Afrika-Gruppe sagt, dass sie Liebe fürs Klima im Raum
       gefühlt habe. Mir bricht es das Herz, weil es zeigt, dass die
       Entwicklungsländer aufgegeben haben: Sie segnen ein Dokument ab, das
       eindeutig nicht ihren Interessen dient.
       
       Sie denken also, dass die positive Stimmung im Raum künstlich war? 
       
       Sehr richtig. In den letzten zwei Wochen gab es heftige
       Meinungsverschiedenheiten, etwa über die Verantwortung der Industrieländer
       und über die [1][Finanzierung der Klimafolgen weltweit]. Die
       Entwicklungsländer haben einen sehr tapferen Kampf geführt, damit das
       Ergebnisdokument die Realitäten vor Ort widerspiegelt und die
       Industrieländer ihren Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Abkommens
       nachkommen. Der offensichtliche Enthusiasmus, mit dem der Konsens
       aufgenommen wurde, passt dazu nicht.
       
       Glauben Sie, dass das Abkommen von Dubai die Erderwärmung auf unter 1,5
       Grad begrenzen kann? 
       
       Nein. Wir werden in die Irre geführt. Im Dokument werden falsche Lösungen
       angeführt, die angeblich unser globales Ziel, unter 1,5 Grad zu bleiben,
       voranbringen. Die Einführung von so vielen [2][unsicheren Technologien wie
       CCS], der CO2-Speicherung, macht mir wirklich Angst.
       
       Die deutsche Verhandlungsführerin Annalena Baerbock sagte in ihrer
       Abschlussrede in Bezug auf die pazifischen Inselstaaten: „We feel you and
       we see you“, zu Deutsch etwa: Wir verstehen und hören euch. Glauben Sie
       ihr? 
       
       Das ist sehr herablassend, um ehrlich zu sein. Wenn Deutschland tatsächlich
       die Sorgen der Entwicklungsländer sieht, hört und spürt, dann würde es sich
       bei den Klimaverhandlungen anders verhalten. Natürlich freut sich jeder
       darüber, dass Deutschland eines der wenigen Länder ist, die tatsächlich
       etwas Geld für die Klimafinanzierung bereitstellen. Sie tun es jedoch nicht
       in der Größenordnung, die nötig ist, um das Leben der pazifischen Inseln
       und vieler anderer Entwicklungsländer zu verbessern. Es ist, als würde man
       uns Brotkrümel geben und dann erwarten, dass wir jubeln. Die Finanzierung
       ist aber nur eine Sache. Deutschland fördert immer noch Gas und Kohle und
       es gibt einen verrückten Ansturm auf Rohstoffe für die Energiewende im
       Westen. Deutschland und die Industrieländer richten damit weltweit eine
       Menge Schaden an.
       
       War diese COP fair aus Ihrer Perspektive? 
       
       Alle reden davon, [3][wie der Multilateralismus wiederbelebt] und durch die
       Ergebnisse gestärkt wird. Aber ernsthaft, können wir diesem Prozess noch
       vertrauen? Industrieländer und ihre Unternehmen kommen trotzdem auf die
       Philippinen, um unsere natürlichen Ressourcen auszubeuten. In meinem Land
       führt das zu viel Vertreibung.
       
       Mit welchem Gefühl gehen Sie zurück? 
       
       Für die Philippinen ist es eine Bestätigung, dass der Kampf weitergeht.
       Unsere Regierung hat versucht, die Finanzierung für Klimaanpassung und
       für Verluste und Schäden aufzustocken. Wie sie mit dem indigenen
       Widerstand gegen die Ausbeutung im eigenen Land umgeht, müssen wir mit ihr
       ausfechten. Aber hier, im internationalen Raum, stehen wir ihr gegen die
       reichen Länder zur Seite.
       
       14 Dec 2023
       
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