# taz.de -- Nachhaltige Autobahn: Freie Fahrt für Solar
       
       > Erneuerbare Energien brauchen viel Platz. Ist es sinnvoll, Autobahnen mit
       > Photovoltaik zu überdachen? Ein Projekt in Baden-Württemberg testet es.
       
 (IMG) Bild: Der Demonstrator an der A81 soll Sonnenenergie gewinnen
       
       BERLIN taz | Der Demonstrator steht zwischen Freiburg und Konstanz. Vier
       Stahlträger stützen das Solardach an der Rastanlage Hegau-Ost. Wer auf der
       A 81 vorbeizieht, kann den Solarpavillon schnell übersehen. Dabei liegt die
       Hoffnung des Solarausbaus in Deutschland genau dort: auf der Straße.
       
       Denn die Bundesregierung hat ambitionierte Ausbaupläne für
       [1][Photovoltaik]. Alleine 13 Gigawatt (GW) sollen 2024 neu installiert
       werden, knapp das Doppelte von 2022. Bis 2030 sollen insgesamt 140 GW
       hinzukommen.
       
       Diese Technik braucht vor allem viel Platz. Laut WWF benötigen Solarparks
       und Windkraft eine Fläche, die ungefähr viermal so groß ist wie das
       Saarland. Das Fraunhofer Institut ermittelt fast die doppelte Fläche. Wo im
       dicht besiedelten Deutschland ist dieser Platz zu finden?
       
       Die Idee, Photovoltaik in schon genutzten Flächen zu verbauen, ist nicht
       neu. Auf Lagerhallen, Bürogebäuden und Einfamilienhäusern finden sich die
       Energieproduzenten. Mit dem Projekt an der A 81 wollen Forscher:innen
       herausfinden, wie der ungenutzte Platz über und neben Autobahnen genutzt
       werden kann.
       
       ## Wie realistisch die Solardächer sind
       
       Das Solardach in der Größe eines halben Basketballfelds ist ein gemeinsames
       Projekt deutscher, österreichischer und Schweizer Ministerien und
       Forschungseinrichtungen. Die Idee: Unten rauschen Fahrzeuge durch den
       Demonstrator, während das Solardach in fünfeinhalb Meter Höhe Energie
       gewinnt.
       
       Es kann außerdem den Asphalt vor extremen Witterungsbedingungen und
       Verschleiß schützen. Die Forscher:innen untersuchen an dem Modell in
       Hegau-Ost, ob die Solarüberdachung die Sicherheitsanforderungen erfüllt
       und wie viel Energie sie generieren kann und ob sich die Idee auch
       finanziell lohnt.
       
       In den Ingenieur- und Verkehrswissenschaften ist der Solarpavillon nur eine
       Möglichkeit, Photovoltaik in Straßenwege zu integrieren. In Frankreich
       versuchten Forscher:innen den Straßenbelag aus Solarzellen herzustellen.
       Das Modellprojekt, das 2016 startete, mussten sie abbrechen, da auch die
       modernsten Platten kaputtgingen.
       
       ## Unfallsicher und sturm- und wetterfest
       
       Jakob Forster, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fraunhofer Instituts für
       solare Energiesysteme, beschäftigt sich mit den Potenzialen von
       Photovoltaik-Anlagen im Verkehr. Die Idee, sämtliche Straßen zu überdachen,
       sei nach Forster nicht realistisch. Eine Straßenüberdachung dürfe maximal
       80 Meter lang sein, da sie sonst als Tunnel gelte. Das hätte den Nachteil,
       dass der behördliche und finanzielle Aufwand zu hoch wäre.
       
       Damit die Überdachung unfallsicher und sturm- und wetterfest ist, sind
       aufwändige und teure Baumaßnahmen notwendig. Aus diesen Gründen geht
       Forster davon aus, dass Überdachungen nur an bestimmten Abschnitten der
       Strecke entstehen werden.
       
       Beispielsweise bei Tunneleingängen und Ausgängen, wo die
       Photovoltaik-Module den Energieverbrauch des Tunnels decken könnten.
       Potenzial verspricht auch die Idee, Lärmschutzwände und Wälle mit
       Solarzellen auszustatten, bestätigt eine Analyse des Deutschen
       Wetterdienstes.
       
       Forster merkt aber an, dass sich die Materialien der Wände und
       Photovoltaik-Module nicht ausreichend kombinieren lassen und noch mehr
       Forschung notwendig ist. Baulich weniger anspruchsvoll sind Überdachungen
       auf Parkplätzen. Frankreich hat dieses Jahr eine Solarpflicht für größere
       Parkplätze eingeführt und könnte damit bald so viel Strom erzeugen wie zehn
       Atomkraftwerke.
       
       Den Platz direkt neben den Autobahnen mit Photovoltaik-Feldern zu
       bepflastern, hat mehr Potenzial als die Überdachung. Es ist um einiges
       günstiger, da dafür keine Sicherheitsauflagen vorliegen und sie schneller
       Energie liefern.
       
       Wer die Anlagen betreibt, ist fraglich, da Flächen entlang den Bundes- und
       Autobahnen oft in Privatbesitz sind. Forster schlägt vor, eine neue
       staatliche Instanz zu schaffen, die die Energie-Erzeugung unter einem
       Schirm bündelt. So wäre der Strom in öffentlicher Hand und könnte flexibel
       eingesetzt werden.
       
       Selbst wenn Solarparks neben Autobahnen entstehen würden, wäre unklar, wie
       der erzeugte Strom genutzt wird. Kleinere Anlagen könnten direkt vor Ort,
       wie bei den Tunneleingängen, oder zum Beispiel für die E-Ladeinfrastruktur
       verwendet werden. Größere Projekte müssten an das Stromnetz angeschlossen
       sein, um sinnvoll eingesetzt werden zu können. Das ist jedoch sehr teuer,
       da die Wege zum nächsten Einspeisungspunkt weit sind und Kabel auf lange
       Strecken verlegt werden müssen.
       
       Forster spricht sich für ein Energienetz aus, das an den Straßen entlang
       läuft, da Autobahnen energieintensive Orte, wie Ballungsräume und
       Industriestandorte, verbinden. Dafür müsste jedoch eine komplett neue
       Infrastruktur geschaffen werden. Dies lohnt sich nur, wenn Deutschlands
       Autobahnen flächendeckend von Photovoltaik umgeben sein würden.
       
       ## Solarupgrade für neue Autobahnen
       
       Obwohl der Forschungsbedarf noch hoch ist und die politische Umsetzbarkeit
       noch ungeklärt, hat es die Vision der Solarautobahnen in die [2][neue
       Verkehrsreform] geschafft. Die neueste Verkehrsreform sieht vor, den Neubau
       von Autobahnen nur zu fördern, wenn gleichzeitig Solarenergie mit ausgebaut
       wird.
       
       Ende Oktober beschloss die Ampelkoalition, 138 Autobahn-Aus- und
       Neubauprojekte als „überragendes öffentliches Interesse“ einzustufen. Damit
       beschleunigen sie die Planung und umgehen die Umweltprüfung der Projekte.
       
       Die neue [3][Verkehrsreform stößt bei vielen Umweltverbänden auf
       Unverständnis]. Zumal die Pläne aus einer Zeit vor dem Pariser
       Klimaabkommen 2015 stammen. Kritiker:innen warnen davor, den
       Autobahnneubau mit einem Solarupgrade grünzuwaschen.
       
       Der Thinktank Agora Energiewende hat sich für den Spiegel angeschaut, wie
       viel Leistung an den geplanten neuen Autobahnen gewonnen werden kann, wenn
       Solarparks an die Strecken gebaut werden. Das Ergebnis: 1 bis 3 Gigawatt
       Leistungspotenzial für Photovoltaik.
       
       Nicht einmal ein Fünftel der geplanten Gigawattleistungen für 2024. Bis
       alle Autobahnkilometer inklusive der Solaranlagen fertig gebaut sind, wird
       es vermutlich noch einige Jahre dauern. Die geplanten 850 Kilometer
       Autobahn zu bauen, wird nach Berechnungen des Verkehrsministeriums mehr als
       4 Millionen Tonnen CO₂ ausstoßen.
       
       Laut Agora Energiewende sind die Ausbaupläne nicht Klimaziel-konform. Der
       Ausbau von Photovoltaik auf Freiflächen bestehender Autobahnen wäre
       ertragreicher. Berechnungen zeigen, dass dort 146 Gigawatt Potenzial für
       Photovoltaik vorhanden ist. Das ist mehr, als das Ministerium für
       Wirtschaft und Klimaschutz bis 2030 an Solaranlagen zusätzlich installieren
       will. Konkrete Pläne für den Ausbau gibt es noch nicht.
       
       Somit bleibt der Demonstrator weiterhin einzigartig. Seit Oktober dürfen
       Fahrzeuge unter ihm durchfahren. An das örtliche Stromnetz angeschlossen
       ist er noch nicht, die Kabel- und Elektroarbeiten sollen laut Bundesanstalt
       für Straßenwesen dieses Jahr noch abgeschlossen werden. Bis jetzt geht die
       gewonnene Energie noch ins Nichts.
       
       Mitarbeit: Anaïs Agudo Berbel und Salome Neumann
       
       18 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Melina Moehring
       
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