# taz.de -- Kritik an Lösung für 49-Euro-Ticket: Autobahn statt Nahverkehr
       
       > Umweltverbände finden es falsch, dass für das 49-Euro-Tickets langfristig
       > nicht genug Geld da ist. Der Bund investiere an der falschen Stelle.
       
 (IMG) Bild: Viel Geld für den Autobahnbahnbau könnter das Deutschlandticket mehr als retten
       
       BERLIN taz | Die Enttäuschung der Öko-Verbände ist groß. Das 49-Euro-Ticket
       ist zwar gerettet – aber [1][erstmal nur bis Mai 2024]. „Es wird so viel
       Geld in umweltschädliche Subventionen gesteckt“, ärgert sich Alexander
       Kaas-Elias, Nahverkehrsexperte beim ökologischen Verkehrsclub VCD.
       Dienstwagen- und Dieselprivileg, Kerosinsteuerbefreiung, „die will das
       Bundesverkehrsministerium nicht anfassen. Dabei könnte man Gelder
       umschichten und das Deutschlandticket langfristig sichern“, sagt
       Kaas-Elias.
       
       Jetzt aber werde sich schon [2][in wenigen Monaten wieder die Frage
       stellen, wer die Kosten für die beliebte Fahrkarte tragen muss]. Mehr als
       zehn Millionen Menschen haben das 49-Euro-Ticket, mit dem sie in ganz
       Deutschland den Nahverkehr nutzen können, inzwischen abonniert. Auch eine
       Million Neukunden begrüßten die Verkehrsbetriebe.
       
       Ganz schön viele. Da war der Druck auf Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die
       Ministerpräsident:innen der Bundesländer groß, die Zukunft des
       Fahrscheins bei ihrem Gipfel Anfang der Woche zu sichern. Weil das
       Deutschlandticket erst im Mai 2023 auf den Markt kam, wurde das Budget – 3
       Milliarden Euro – für dieses Jahr nicht aufgebraucht. Übrig bleiben laut
       einer Schätzung der Verkehrsunternehmen 2023 rund 700 Millionen Euro.
       
       Dieses Restgeld wollen Scholz und die Länderchef:innen ins nächste Jahr
       mitnehmen. 3 Milliarden sind ohnehin für 2024 schon fix, Bund und Länder
       zahlen je 1,5 Milliarden Euro für das Ticket. Die
       Landesverkehrsminister:innen sollen nun ein Konzept für die weitere
       Finanzierung und die Entwicklung des Ticketpreises erarbeiten. Das könne
       auch „eine Erhöhung beinhalten“, hieß es in dem Beschluss von Kanzler und
       Ministerpräsident:innen.
       
       ## „Ein Nicht-Beschluss!“
       
       Das hieße, die Kund:innen vor den Kopf zu stoßen. „Dieser Beschluss zum
       Deutschlandticket ist ein Nicht-Beschluss: Nichts ist gelöst“, kommentiert
       Baden-Württembergs Verkehrsminister [3][Winfried Hermann] (Grüne) auf
       Anfrage der taz. „Der Ball wird wieder an die VerkehrsministerInnen zurück
       gespielt.“ Seit der Einführung des Tickets hätten sich die
       Landesressortchef:innen für eine 50-50-Kostenverteilung und die
       Übernahme zusätzlich entstehender Kosten durch Bund und Länder eingesetzt –
       „leider erfolglos!“, so Hermann.
       
       Die Verkehrsunternehmen schätzen, dass das Deutschlandticket und hohe
       Energiepreise 2024 Mehrkosten von rund 1,1 Milliarden Euro verursachen.
       Abzüglich des Rests aus 2023 blieben etwa 400 Millionen Euro übrig, die
       aufgetrieben werden müssten. Bund und Länder wollen genaue Zahlen
       ausrechnen lassen. „Solange wir nicht wissen, ob das Deutschlandticket
       Verluste produziert, müssen wir die Finanzierungsdebatte beenden und mehr
       Leute für das Ticket gewinnen“, etwa mit einem bundesweit einheitlichen
       Semesterticket, meint Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der
       SPD-Bundestagsfraktion.
       
       Das Problem: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat dem Vorschlag für
       ein Semesterticket von rund 29 Euro im Monat bisher nicht zugestimmt –
       obwohl es den Ländern zufolge in einem solidarischen Modell keine
       Mehrkosten verursachen würde. „Schwierig ist auch, dass wir immer noch kein
       bundesweites Sozialticket haben“, merkt Kaas-Elias vom ökologischen
       Verkehrsclub VCD an. Für viele Menschen, zum Beispiel für
       Bürgergeldempfänger:innen, seien 49 Euro im Monat zu viel.
       
       Auch Minister Wissing will „den Ticketpreis niedrig und attraktiv halten“.
       Zum Beispiel: mit mehr Werbung für das Ticket, um Kund:innen zu gewinnen
       und so die Einnahmen zu steigern. Oder: mit einer Entschlackungskur für die
       Strukturen in den Verkehrsverbünden, die das Ticket vertreiben.
       
       ## Sparen bei klimaschädlicher Infrastruktur
       
       Clara Thompson, Mobilitätsexpertin bei [4][Greenpeace], sieht an anderer
       Stelle Einsparmöglichkeiten: „Im Deutschlandpakt ist vorgesehen,
       klimaschädliche Infrastruktur beschleunigt auszubauen und zu finanzieren.“
       Der „Pakt für Planungsbeschleunigung“ war ebenfalls Thema beim Treffen
       zwischen Scholz und den Ministerpräsident:innen. Er soll mehr Tempo bei
       Infrastrukturprojekten – etwa im Verkehr, im Wohnungsbau oder im
       Energiesystem – möglich machen. Bund und Länder einigten sich in einem 28
       Seiten starken Papier auf mehr als hundert Maßnahmen, zum Beispiel für den
       schnellen Ausbau von Schienenwegen, aber auch für vom Bund geplante
       Autobahnstrecken.
       
       Jetzt schlagen Umweltverbände Alarm, nicht nur wegen der Straßenprojekte.
       „Vorhaben drohen nach reiner politischer Opportunität, nicht nach
       wissenschaftlichem Konsens umgesetzt zu werden“, mahnt Magnus Wessel,
       BUND-Leiter im Bereich Naturschutzpolitik. Laut dem Pakt können demnächst
       Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Erörterungstermine vor Ort wegfallen.
       Wessel fordert stattdessen: klare Prioritäten bei den geplanten Projekten,
       mehr Personal in den Behörden und die Zusammenführung von Daten, zum
       Beispiel über die in einem Baugebiet lebenden Arten.
       
       12 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Streit-um-das-49-Euro-Ticket/!5968461
 (DIR) [2] /Zukunft-des-49-Euro-Tickets/!5968518
 (DIR) [3] /Die-Gruenen-und-die-Autos/!5754532
 (DIR) [4] https://presseportal.greenpeace.de/231626-vor-treffen-der-ministerprasident-innen-mit-scholz-greenpeace-aktive-protestieren-auf-a100-fur-gesichertes-deutschlandticket
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nanja Boenisch
       
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