# taz.de -- Haushaltsstreit und Klimakonferenz: Hände hoch, Sprachpolizei!
       
       > Wenn Politik schon deprimierend ist, sollte sie wenigstens ehrlich sein.
       > Eine Analyse der neuesten Floskeln der Bundesregierung.
       
 (IMG) Bild: Politik sollte ehrlich sein: Annalena Baerbock auf der COP28 in Dubai
       
       Hände hoch! Hier spricht die Sprachpolizei. Wir haben diese Kolumne
       umstellt. Nein, es geht nicht um unerlaubtes Gendern, wir sind hier ja
       nicht in Bayern. Es geht um zwei andere sprachliche Vergehen in dieser
       Woche, bei denen der Anfangsverdacht der Irreführung und grober Floskelei
       besteht.
       
       Da ist zunächst der Abschluss der Klimakonferenz COP. Die COP, das ist
       dieses jährliche globale Rhetorikseminar mit 100.000 Teilnehmenden ohne
       materielle Folgen. Da wird dann gestritten, ob über einen „Ausstieg“ aus
       den fossilen Energien geschrieben wird oder von einem „Übergang weg von“
       denselben. [1][Im Abschlusspapier hat sich natürlich die weniger
       verbindliche Formulierung durchgesetzt.] Schwerer wiegt, dass kaum klare
       Zeitpläne, Zahlen, Ziele beschlossen wurden, bis auf die Verdreifachung der
       Erneuerbaren bis 2030. Währenddessen steigen die Emissionen weiter, und der
       Run auf Öl- und Gasfelder bleibt ungebrochen. Es gibt da eine Metapher, sie
       wäre ein guter Name für Form und Inhalt von Klimakonferenzen: heiße Luft.
       
       „Heute ist ein Tag der großen Freude“, sagte dagegen Außenministerin
       Annalena Baerbock, nachdem das Abschlussdokument beschlossen worden war.
       Wie wohltuend es gewesen wäre, wenn sie gesagt hätte: „Wir sind enttäuscht,
       wir haben für ein anderes Ergebnis gekämpft. Das reicht nicht, um die
       Klimakrise aufzuhalten.“ Sie hätte nichts verloren, nur an Glaubwürdigkeit
       gewonnen.
       
       Nun zum zweiten Einsatz für die Sprachpolizei in dieser Woche, dem
       Haushaltsstreit. [2][Nach einer Nachtsitzung stellten sich der
       Finanzminister, der Vizekanzler und dieser dritte Mann, der angeblich ihr
       Vorgesetzter sein soll, vor die Presse und redeten das Ergebnis schön.]
       Bundeskanzler Scholz, so heißt der dritte Mann, sagte: „Wir stärken den
       sozialen Zusammenhalt“, und man konnte sich fragen, ob er damit die
       Einsparung bei der Solarförderung, die bei der Weiterbildung von
       Bürgergeldbeziehenden oder die steigenden Preise für Benzin und Heizung
       meinte.
       
       Politik als olympische Disziplin 
       
       Aber über all diese Einsparungen sprach Scholz nicht. Er erfand lieber ein
       neues Wort: „Überschreitungsbeschluss“. Ein Wort, das von meiner
       Rechtschreibprüfung rot unterkringelt wird. Scholz tat das, weil er nicht
       sagen wollte: „Kann sein, dass wir nächstes Jahr die Schuldenbremse doch
       nicht einhalten.“ Wichtiger als die Öffentlichkeit verständlich zu
       informieren, war ihm zu betonen, wie „konstruktiv“ und „lösungsorientiert“
       die Gespräche waren, als wären Haushaltsverhandlung eine olympische
       Disziplin, in der es um Haltungsnoten geht.
       
       Scholz sagte dann noch einen Satz, der leider nicht stimmt: „Klar ist aber:
       Wir müssen mit deutlich weniger Geld auskommen.“ Richtig lautet er: Wir
       wollen mit weniger Geld auskommen. Und es wäre schön gewesen, wenn er
       ergänzt hätte, was alle wissen: In dieser Koalition gibt es keinen Konsens
       dafür, die Schuldenbremse auszusetzen. Scholz hätte sagen können: „Über
       Neuwahlen freut sich nur die AfD, deshalb haben wir uns auf diesen
       Kompromiss verständigt, der allen weh tut. Im Übrigen halten wir ein paar
       Euro mehr für Benzin und Heizen für verkraftbar.“
       
       Es ist natürlich Zufall, dass in dieser Woche [3][eine Studie
       veröffentlicht wurde, nach der deutsche Milliardäre, hups, 500 Milliarden
       Euro reicher sind als bisher angenommen]. 500 Milliarden, das ist mehr als
       ein Bundeshaushalt, das sind fünf Sondervermögen für die Bundeswehr oder
       16-mal das Finanzloch der Bundesregierung.
       
       Nun ist die Öffentlichkeit nicht naiv. Sie weiß, dass sie von dieser
       Bundesregierung keine Vermögensteuer zu erwarten hat. Aber man könnte
       besser mit dieser Regierung leben, wenn sie wenigstens ehrlich wäre.
       
       16 Dec 2023
       
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