# taz.de -- Sipri-Bericht über Waffenexporte: Rüstungsfirmen fehlen Kapazitäten
       
       > Das Friedensforschungsinstitut Sipri sieht vor allem Hersteller aus Asien
       > als Profiteure globaler Aufrüstung. Die US-Firmen haben
       > Kapazitätsprobleme.
       
 (IMG) Bild: Frauen vor einer Kampfdrohne auf einer Technikmesse in Instanbul im April 2023
       
       STOCKHOLM taz | Rüstungkonzerne mit zweistelligen Wachstumsraten, deren
       Produktion mit der massiv gestiegenen Nachfrage nicht Schritt halten kann:
       Solche Beispiele nennt der am Montag [1][vom Stockholmer internationalen
       Friedensforschungsinstitut Sipri] veröffentlichte jährliche Rüstungsbericht
       zuhauf. Er betrachtet die Umsatzentwicklung der weltweit 100 größten
       Produzenten für Waffen und militärische Dienstleistungen.
       
       [2][Trotz des Auftragsbooms, den die russische Invasion in der Ukraine und
       geopolitische Spannungen auf der ganzen Welt ausgelöst haben], erlebt die
       Branche nach sieben Plusjahren global ein Umsatzminus. Inflationsbereinigt
       sanken die Einnahmen der umsatzstärksten Waffenschmieden 2022 um 3,5
       Prozent gegenüber dem Vorjahr.
       
       Dafür gibt es im Wesentlichen einen Grund, erläutert Lucie Béraud-Sudreau,
       die Direktorin des Sipri-Programms für Militärausgeben und
       Waffenproduktion: Die Top-100 Liste wird von den US-Branchenriesen
       dominiert, die global für über die Hälfte der Umsätze stehen. Und die
       hätten ihre Produktionskapazitäten nicht rasch genug der gestiegenen
       Nachfrage anpassen können.
       
       Hindernisse seien fortgesetzter Arbeitskräftemangel sowie steigende Kosten
       und Unterbrechungen der Lieferketten gewesen, die durch den Krieg in der
       Ukraine verschärft worden seien. Außerdem hätten viele Länder erst spät im
       Jahr Waffen und Dienstleistungen bestellt, sodass sich aufgrund der
       Verzögerung zwischen Bestellungen und Produktion der Nachfrageschub 2022
       noch nicht in den Umsätzen dieser Unternehmen widergespiegelt habe.
       
       ## Sinkende Umsätze
       
       Die Folge: Bei 32 der 42 US-Unternehmen auf der Top-100-Liste sind die
       Umsätze mit militärischen Gütern und Dienstleistungen gesunken: um
       insgesamt 7,9 Prozent auf 302 Milliarden Dollar. Hinter den USA platzierten
       sich die acht chinesischen Rüstungskonzerne mit einem um 2,7 Prozent auf
       108 Milliarden Dollar gestiegenem Umsatz auf Platz 2. Die Daten der
       russischen Konzerne bewertet Sipri als unzuverlässig, „die Transparenz
       nimmt weiter ab“.
       
       [3][Wenn die Konkurrenz aus Asien, Ozeanien und dem Nahen Osten 2022 einen
       deutlichen Anstieg] ihrer Umsätze verzeichnen konnten, so stellen sie damit
       laut Sipri „ihre Fähigkeit unter Beweis, innerhalb kürzerer Zeit auf die
       gestiegene Nachfrage zu reagieren“: Dies gelte insbesondere für Länder, in
       denen Rüstungsunternehmen über flexible Fertigungskapazitäten verfügten,
       wie in Israel und Südkorea, und für die, „die sich auf kurze Lieferketten
       stützen können“.
       
       Insgesamt stiegen die Umsätze der 22 in der Rangliste aufgeführten
       Unternehmen aus Asien und Ozeanien um 3,1 Prozent auf 134 Milliarden
       US-Dollar und übertrafen damit im zweiten Jahr in Folge die der
       europäischen Unternehmen auf der Top-100-Liste. Der Umsatz der 26
       europäischen Konzerne wuchs leicht um 0,9 Prozent auf 121 Milliarden
       Dollar.
       
       ## Material für Zermürbungskriege erfolgreich
       
       Vor allem die Produzenten von Munition und gepanzerten Fahrzeugen in
       Norwegen, Deutschland und Polen hätten profitiert, sagt Sipri-Forscher
       Lorenzo Scarazzato: „Material eben, das für einen Zermürbungskrieg geeignet
       ist.“ Polens PGZ steigerte seine Waffeneinnahmen um 14 Prozent, Kongsberg
       aus Norwegen um 12 Prozent. Die deutschen Waffenschmieden Rheinmetall und
       Hensholdt um 6 beziehungsweise 6,9 Prozent, Diehl um 13 Prozent.
       
       Der Umsatz von KNDS, einer französisch-deutschen Holding aus dem
       Nexter-Konzern und Krauss-Maffei Wegmann, wuchs um 11 Prozent.
       Thyssen-Krupp lieferte weniger Marineschiffe ab, weshalb man als einziger
       deutscher Top-Konzern im militärischen Geschäftsbereich ein Umsatzminus von
       16 Prozent verbuchte.
       
       Den größten Umsatzsprung auf der Sipri-Liste machte mit 94 Prozent die
       türkische Baykar: „Aufgrund wachsender Verkäufe von Bayraktar TB-2 Drohnen,
       die von der Ukraine während des Krieges ausgiebig genutzt wurden.“ Die
       türkische Rüstungsbranche ist nun mit vier statt bislang zwei Unternehmen
       auf der Rangliste vertreten, zusammen kamen sie auf ein Plus von 22
       Prozent. Es seien Unternehmen, „die sich auf technologisch weniger
       anspruchsvolle Produkte spezialisiert haben und ihre Produktion als
       Reaktion auf die steigende Nachfrage schneller steigern konnten“, sagt der
       Sipri-Forscher Diego Lopes da Silva.
       
       Für 2023 und die Zukunft rechnet Sipri angesichts voller Orderbücher und
       weiterhin steigender Nachfrage nach Waffen mit einem „weiteren
       signifikantem Anstieg der Branchenumsätze“. Von einer „düsteren
       Entwicklung“ sprach der Sipri-Waffenhandels-Forscher Pieter D. Wezeman
       kürzlich in einem Interview. In weiten Teilen der Welt „herrscht die
       Überzeugung, dass Waffen eine wichtige Rolle bei der Verteidigung von
       Ländern und der Verhinderung von Konflikten spielen“: „Die Möglichkeiten
       für Abrüstung und Rüstungsbegrenzung sind noch geringer als früher.“
       
       4 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.sipri.org
 (DIR) [2] /Ruestungsbetriebe-in-Norddeutschland/!5917734
 (DIR) [3] /Ruestungsexporte-ueber-den-Hamburger-Hafen/!5943562
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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