# taz.de -- Algerisch-französisches Abkommen: Migrationssonderstatus bleibt
       
       > Menschen aus Algerien können seit 1968 vereinfacht nach Frankreich
       > einwandern. Die Konservativen sind nun mit einem Änderungsantrag
       > gescheitert.
       
 (IMG) Bild: Französische und algerische Flaggen am Flughafen in Algier während eines Besuches von Macron
       
       PARIS taz | Wenige Tage vor dem Beginn der Debatte über eine umstrittene
       Reform der [1][Immigrations- und Asylgesetze] forderte die konservative
       Oppositionsfraktion von Les Républicains (LR) in der Nationalversammlung
       die Kündigung eines Abkommens mit Algerien aus dem Jahr 1968. Damals
       brauchte Frankreich dringend Arbeitskräfte und gewährte darum, sechs Jahre
       nach der blutig erkämpften Unabhängigkeit, den algerischen
       Staatsangehörigen und ihren Familien eine erleichterte Einwanderung.
       
       Dieser Sonderstatus gilt bis heute, was vor allem die fremdenfeindliche und
       speziell antiarabische Rechte empört. Die Konservativen wollten mit ihrem
       Antrag zeigen, wie sie heute harte Saiten aufziehen, um das Thema
       Immigrationspolitik nicht [2][Marine Le Pens] Rechtspopulisten zu
       überlassen.
       
       In der Regel werden Vorstöße aus der Opposition in der Nationalversammlung
       chancenlos nieder geschmettert. Auch der LR-Antrag gegen das „Relikt“ von
       1968 wurde am Ende mit 151 gegen 114 Stimmen verworfen. Doch die
       Regierungsparteien sind in der Frage der [3][Immigrationskontrolle] und des
       Asylrechts uneins. Genau das wollten die Konservativen mit ihrem Antrag
       beweisen.
       
       Während die Macronisten der Fraktion Renaissance es ablehnten, am
       historischen Abkommen mit Algerien zu rütteln, unterstützte die ebenfalls
       zum Regierungslager zählende Fraktion Horizons von Ex-Premierminister
       Edouard Philippe die Initiative von rechts. Philippe kommt selber
       ursprünglich aus der politischen Familie, die sich heute Les Républicains
       nennt. Und da er Nachfolger von Macron werden möchte, sucht er als
       Präsidentschaftskandidat in Hinblick auf die Wahlen von 2027 die
       Unterstützung seiner ehemaligen rechten Weggefährten.
       
       ## Sorge vor der Reaktion Algeriens
       
       Diese Anbiederung scheint den amtierenden Staatschef besonders geärgert zu
       haben. Er protestierte laut BFM-TV vor Zeugen, die Konservativen und mit
       ihnen Philippe, mischten sich mit ihrer „Demagogie“ in seine exklusive
       Domäne als Staatsoberhaupt, das heißt in die Diplomatie und Außenpolitik,
       ein. Macron betrachtet den ehrgeizigen und populären Philippe nicht etwa
       als designierten Thronfolger, sondern mehr als Rivalen, der sich nicht
       scheut, seine Politik mit eigennützigen Stellungnahmen zu sabotieren. 
       
       Eine dritte Regierungspartei, das zentrumsdemokratische MoDem von François
       Bayrou, war zwar grundsätzlich damit einverstanden, dass der Sonderstatus
       für die Algerier nicht mehr zeitgemäß sei, trotzdem war diese
       Mitte-Fraktion aber „total gegen“ das Vorgehen der Konservativen, weil
       dieses bloß für zusätzliche Probleme in den bereits sehr gespannten
       Beziehungen mit Algerien sorgen müsse.
       
       Das ist auch Macrons große Befürchtung. Wenn nämlich Frankreich algerische
       Staatsangehörige aufgrund richterlichen Anordnungen in ihre Heimat
       abschieben will, braucht es die Zustimmung der algerischen Behörden, den
       konsularischen Passierschein. Das war ein ständiger bilateraler
       Streitpunkt. In der jüngsten Vergangenheit hatte sich Algier in dieser
       Beziehung wieder etwas entgegenkommender gezeigt. Das will Macron
       keinesfalls aufs Spiel setzen.
       
       Premierministerin Elisabeth Borne versuchte den internen Streit zu
       schlichten: Über französische und auch algerische Vorschläge zur Anpassung
       des in der Vergangenheit bereits drei Mal modifizierten Abkommens von 1968
       werde demnächst verhandelt, versicherte sie gleich nach der Abstimmung: Wie
       wenn alles nur ein Sturm im Wasserglas gewesen wäre.
       
       7 Dec 2023
       
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