# taz.de -- Antisemitismus in Frankreich: Mit Le Pen gegen Judenhass?
       
       > Mit einer großen Kundgebung soll am Sonntag Frankreichs Einheit gegen
       > Antisemitismus demonstriert werden. Die extreme Rechte will auch
       > mitlaufen.
       
 (IMG) Bild: Projektion der Fahne Israels auf den Eifelturm in Paris am 9. Oktober
       
       PARIS taz | Damit hatten Yaël Braun-Pivet, die Vorsitzende der
       französischen Nationalversammlung, und ihr Amtskollege vom Senat, Gérard
       Larcher, bestimmt nicht gerechnet. Angesichts sich häufender
       [1][antijüdischer Vorfälle] in Frankreich hatten die beiden Mitte der Woche
       sie zu einer großen Kundgebung für Sonntag in Paris zwischen den beiden
       Parlamentskammern aufgerufen. Die Idee dabei war es zu zeigen, dass die
       Nation gegen Angriffe auf jüdische Mitbürger*innen geschlossen die
       Grundwerte der Republik verteidigt. Seit dem 7. Oktober hat das
       Innenministerium mehr als 1.000 Fälle von antisemitischen Drohungen oder
       Schmierereien registriert.
       
       Alle waren aufgerufen, ungeachtet ihrer Konfession oder Parteizugehörigkeit
       gemeinsam gegen diese Welle des Antisemitismus zu protestieren. Doch dann
       kündigte auch die extreme Rechte ihre Teilnahme an – und seither herrscht
       Streit. Statt der erhofften nationalen Einheit und einer „Union sacrée“,
       einer „heiligen Union“, gegen den Antisemitismus sind die politischen Lager
       gespalten, und in den Medien wird fast nur noch darüber gestritten.
       
       Die beiden Kammervorsitzenden gingen und gehen davon aus, dass der Kampf
       gegen den wiederaufflammenden Antisemitismus die Sache aller sein sollte.
       Auch die Chefin des Rassemblement national (RN), Marine Le Pen, und auch
       der Rechtsaußen [2][Eric Zemmour] von der Partei Reconquête, fühlen sich
       eingeladen.
       
       Für die Linkspartei La France insoumise (LFI) aber ist die Vorstellung,
       „gemeinsam“ mit einer wegen Antisemitismus vorbelasteten extremen Rechten
       zu demonstrieren, eine Absurdität und ein Horror.
       
       ## LFI ruft inzwischen zu einer Pro-Palästina-Demo auf
       
       Sogleich teilte LFI darum mit, es komme aus „prinzipiellen Gründen“ nicht
       in Frage, an einer solchen Kundgebung teilzunehmen. Und überhaupt bestehe
       Anlass zur Vermutung, dass diese Demonstration dazu diene, „die
       bedingungslose Unterstützung der ethnischen Säuberung in Gaza zu
       normalisieren“, sagte auf dem Sender BFM der LFI-Abgeordnete David Guiraud.
       
       Inzwischen ruft LFI dazu auf, am Samstag an einer von zahlreichen
       propalästinensischen Organisationen organisierten Kundgebung auf dem Platz
       La République für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza und den Frieden
       im Nahen Osten zu demonstrieren.
       
       Obschon es eigentlich durchaus möglich oder sogar politisch logisch wäre,
       sowohl gegen den Antisemitismus in Frankreich wie auch für einen
       Waffenstillstand in Gaza oder das Recht der Palästinenser auf einen eigenen
       Staat und auch das Recht der Israelis auf Sicherheit und Verteidigung
       einzutreten, erscheinen die beiden Aufrufe wie ein tragischer Antagonismus.
       
       Regierungssprecher Olivier Véran und auch der Repräsentative Rat der
       Jüdischen Institutionen Frankreichs (CRIF) möchten nicht, dass der
       Charakter der Kundgebung am Sonntag durch die demonstrative Präsenz von
       Marine Le Pen und anderer RN-Politiker „verfälscht“ werde.
       
       ## Serge Klarsfeld traurig über Antisemitismus in der Linken
       
       Der CRIF-Vorsitzende Yonathan Arfi erinnert daran, dass diese Partei von
       „ehemaligen Kollaborateuren“ der Nazis gegründet worden ist. [3][Jean-Marie
       Le Pen], der langjährige Chef des Front national und Vater der heutigen
       Chefin des RN, war mehrfach wegen antisemitischer Äußerungen verurteilt
       worden. Das wirft einen historischen Schatten auf das Bemühen von Marine Le
       Pen, sich mit betont proisraelischen Erklärungen eine reine Weste zu
       erkaufen.
       
       Der als „Nazijäger“ bekannte Anwalt Serge Klarsfeld meint hingegen in Le
       Figaro, man solle „sich freuen, dass heute (selbst) das Rassemblement
       national gegen den Antisemitismus marschiert“. Dass LFI nicht teilnimmt
       oder dass im Kontext des Nahostkonflikts sogar „ein [4][Antisemitismus in
       der extremen Linken] erstarkt“, stimme ihn traurig.
       
       Die heftige Polemik um diese Kundgebung könnte so manche Bürger*innen
       von der ursprünglich beabsichtigen Präsenz abhalten. Die früheren
       Staatschefs Nicolas Sarkozy und François Hollande und auch die amtierende
       Premierministerin Elisabeth Borne haben versichert, sie wollten am Sonntag
       dabei sein. Ob auch Präsident Emmanuel Macron kommt, ist noch offen.
       
       10 Nov 2023
       
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