# taz.de -- Behörden sollen Gemeinnützigkeit prüfen: Steuerzahlerbund angezählt
       
       > Der Verein Campact glaubt, dass sechs Landesverbände des
       > Steuerzahlerbundes gegen die Regeln für Gemeinnützigkeit verstoßen. Das
       > könnte teuer werden.
       
 (IMG) Bild: Gemeinnützig oder nicht? Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler in Berlin
       
       BERLIN taz | Die Kampagnenorganisation Campact hat Finanzämter in sechs
       Bundesländern aufgefordert, die Gemeinnützigkeit der jeweiligen
       Landesverbände des Bundes der Steuerzahler zu prüfen. Nach Auffassung von
       Campact verstoßen die Landesverbände gegen die Regeln für die
       Gemeinnützigkeit. Allerdings geht es [1][Campact] nicht darum, dem Bund der
       Steuerzahler zu schaden. Vielmehr möchte die Kampagnenorganisation [2][eine
       schnelle Reform des Gemeinnützigkeitsrechts] erreichen und so selbst wieder
       gemeinnützig werden.
       
       Die Anerkennung als gemeinnützig ist für Organisationen wichtig, weil so
       Geldzuwendungen an sie steuerlich absetzbar sind, was für viele ein Motiv
       für eine Spende ist. Campact und das [3][globalisierungskritische Netzwerk
       Attac] haben die Gemeinnützigkeit nach einem Urteil des Bundesgerichtshof
       (BGH) von 2019 verloren. Die Satzungsziele „Beeinflussung der öffentlichen
       Meinung und politische Willensbildung“ dürfen von Finanzämtern nicht als
       gemeinnützige Ziele gewertet werden, urteilte der BGH.
       
       Die Entscheidung hat bei vielen [4][Organisationen Unruhe] ausgelöst. Viele
       fürchten den Verlust der Gemeinnützigkeit, wenn sie sich an Aktionen mit
       allgemeinpolitischem Charakter beteiligen. Noch als [5][Finanzminister
       hatte Olaf Scholz (SPD) die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts] zwar
       angekündigt, damit Organisationen politisch aktiv sein können, bislang ist
       aber nichts geschehen. Dabei ist das Vorhaben auch im Koalitionsvertrag der
       Ampel angekündigt.
       
       Aus Sicht von Campact ist durch das BGH-Urteil eine Art
       Zweiklassen-Zivilgesellschaft entstanden. „Progressive Vereine verlieren
       infolge politischen Engagements ihre Gemeinnützigkeit“, sagte Campact-Chef
       Felix Kolb. „Bei politisch aktiven konservativen Vereinen wie dem Bund der
       Steuerzahler halten die Finanzämter die Füße still.“ Diese
       Ungleichbehandlung müsse die Bundesregierung abschaffen. Die Meldung an die
       Finanzämter sei „keine Retourkutsche“, weil Campact die Gemeinnützigkeit
       verloren habe, betonte er. „Wir wollen keinem Verein die Gemeinnützigkeit
       wegnehmen, nur weil uns diese aberkannt wurde.“
       
       ## Satzungszweck „Förderung des Staatswesens“
       
       Am Dienstag hat Campact E-Mails an Finanzämter in Rheinland-Pfalz, Hessen,
       Thüringen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt mit der
       Bitte um Prüfung der Gemeinnützigkeit gesendet. Mitgeschickt wurden ein
       Rechtsgutachten und eigene Rechercheergebnisse der Organisation aus
       öffentlichen Quellen. Die sechs betroffenen Landesverbände führen laut
       Campact als einzigen Satzungszweck die „allgemeine Förderung des
       demokratischen Staatswesens“ – genau wie Attac.
       
       Der Bundesfinanzhof hatte für diesen Zweck enge Einschränkungen festgelegt.
       Danach muss der Versuch, die öffentliche Meinungsbildung oder politische
       Willensbildung zu beeinflussen, objektiv und parteipolitisch neutral sein.
       Außerdem dürfte nicht das Ziel verfolgt werden, eigene Standpunkte und
       Forderungen durchzusetzen. Dazu gehört nach Auffassung der Richter:innen
       auch eine konkrete politische Forderung wie „keine Steuererhöhungen“.
       
       Dagegen verstoßen die Landesverbände, findet Campact. Die Organisation
       belegt das mit vielen Beispielen, bei denen sich der Steuerzahlerbund gegen
       Steuererhöhungen ausspricht. In Niedersachsen hat er sich außerdem gegen
       den Bau einer Fahrradbrücke zur Überquerung einer Umgehungsstraße
       starkgemacht. In Hessen hat er sich gegen die Kreisfreiheit der Stadt Hanau
       ausgesprochen. Und in Sachsen-Anhalt hat sich die Organisation dagegen
       gewandt, dass der geplante Neubau der Magdeburger Synagoge mit öffentlichen
       Mittel unterstützt wird.
       
       Der Bund der Steuerzahler finanziert sich nach eigenen Angaben nur durch
       Mitgliedsbeiträge und Spenden. Er ist aufgrund seines „Schwarzbuches“
       bekannt, in dem er die aus seiner Sicht erfolgte Verschwendung öffentlicher
       Mittel auflistet. Außerdem läuft an der Fassade seiner Zentrale in Berlin
       eine sogenannte Schuldenuhr, die die öffentliche Verschuldung misst. Wegen
       der Fixierung auf das Schuldenthema und der Ablehnung von Steuererhöhungen
       sehen Kritiker:innen eine große Nähe zur FDP.
       
       ## Keine Zweifel an der Gemeinnützigkeit
       
       Die Organisation weist die Vorwürfe von Campact zurück, gegen das
       BGH-Urteil zu verstoßen. „Die Kampagne eines Verbandes, dem die
       Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, hat keine sachliche Grundlage“, heißt es
       in einer Stellungnahme. Es bestünden keine Zweifel an der Feststellung der
       Gemeinnützigkeit. „Sollte es dennoch Fragen zur Gemeinnützigkeit geben,
       werden diese rechtsstaatlich zwischen dem Bund der Steuerzahler und den
       Finanzämtern erörtert.“
       
       Bereits im September hatte Campact den Bundesverband beim Finanzamt Berlin
       gemeldet. Offenbar hat es auf den Hinweis reagiert. „Im Rahmen der
       regelmäßig abzugebenden Steuererklärungen gab es Anforderungen von
       Unterlagen, die jeweils beantwortet und entsprechend eingereicht wurden“,
       teilte der Bundesverband der Steuerzahler auf taz-Anfrage mit.
       
       12 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gericht-gibt-Petitionsplattform-recht/!5973303
 (DIR) [2] https://www.campact.de/presse/mitteilung/20231212-pm-gemeinnuetzigkeit_landesverbaende_bd/
 (DIR) [3] /Aberkennung-der-Gemeinnuetzigkeit/!5754363
 (DIR) [4] /Gemeinnuetzigkeit-von-NGOs/!5664491
 (DIR) [5] /Streit-um-Gemeinnuetzigkeit/!5633138
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Krüger
       
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