# taz.de -- Gericht gibt Petitionsplattform recht: Wieder offiziell gemeinnützig
       
       > Im Rechtsstreit über die Gemeinnützigkeit hat die Petitionsplattform
       > innn.it einen Teilerfolg erzielt. Doch die angekündigte große Reform hakt
       > noch.
       
 (IMG) Bild: Der Rechtsstreit über die Gemeinnützigkeit der Petitionsplattform innn.it wird vermutlich beim Bundesfinanzhof landen
       
       KARLSRUHE taz | Die Petitionsplattform innn.it erhält ihre Gemeinnützigkeit
       zurück. Das entschied am Dienstagnachmittag das Finanzgericht
       Berlin-Brandenburg in Cottbus. Der Rechtsstreit wird aber vermutlich beim
       Bundesfinanzhof landen. Unterdessen arbeitet die Ampelkoalition an einer
       Reform des Gemeinnützigkeitsrechts.
       
       Auf [1][innn.it] kann jeder eine Petition starten. Das Team um Gründer
       Gregor Hackmack unterstützt insbesondere bei der Öffentlichkeitsarbeit.
       Früher firmierte innn.it als Teil des globalen Netzwerks change.org, seit
       2022 ist man selbständig. Rund 22.000 Förderer:innen finanzieren bei
       innn.it 13 Mitarbeiter:innen.
       
       Von Change.org hat innn.it einen Streit über die Gemeinnützigkeit der
       Plattform geerbt. [2][2021 hat das Finanzamt Berlin change.org e.V. die
       Gemeinnützigkeit entzogen], weil dort nicht nur Petitionen an staatliche
       Stellen, sondern auch an private Unternehmen unterstützt werden. Dies sei
       nicht vom Gemeinnützigkeitszweck „Förderung des demokratischen
       Staatswesens“ gedeckt.
       
       Zwar richten sich nur rund 20 Prozent der innn.it-Petitionen an
       Unternehmen, aber Hackmack will darauf nicht verzichten. So erreichte etwa
       eine junge Frau mit einer Petition an die Deutsche Bahn AG, dass diese in
       ihren Bordrestaurants fair gehandelten Café verkauft.
       
       ## Das Finanzamt geht wohl in Revision
       
       innn.it klagte gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit. „Das
       demokratische Staatswesen ist nicht nur der Staat, sondern das gesamte
       Gemeinwesen“, argumentierte Hackmack. Das Finanzgericht Cottbus hat er
       damit offensichtlich überzeugt, der Klage von innn.it wurde stattgegeben.
       Die Begründung wird aber erst in einigen Wochen veröffentlicht. Das Urteil
       ist auch noch nicht rechtskräftig; das Finanzamt hat bereits die Einlegung
       der Revision angekündigt.
       
       Darüber müsste dann der Bundesfinanzhof (BFH) in München entscheiden, der
       [3][2019 mit seinem Attac-Urteil eine neue Debatte um die Gemeinnützigkeit
       ausgelöst hat]. Der BFH hatte damals entschieden, dass Attac zu Recht die
       Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Wer sich für „Einzelinteressen“ einsetze,
       fördere nicht das „demokratische Staatswesen“. Und wer versuche, auf die
       Politik einzuwirken, um seine eigene Position durchzusetzen, betreibe keine
       „politische Bildung“. [4][Attac hat inzwischen beim
       Bundesverfassungsgericht geklagt]. Wann dieses entscheidet, ist noch
       unklar.
       
       Möglicherweise wird der BFH im Fall von innn.it völlig anders entscheiden,
       weil innn.it keine eigenen Kampagnen durchführt, sondern vielfältige
       Anliegen von Bürger:innen fördert.
       
       Allerdings hat das Attac-Urteil für nachhaltige Unsicherheit unter
       politischen NGOs geführt. Die Allianz „Rechtssicherheit für politische
       Willensbildung“ prognostizierte nach dem Attac-Urteil, dass nun hunderte
       Organisationen ihre Gemeinnützigkeit verlieren werden. So schlimm ist es
       bisher zwar nicht gekommen. Aber es gibt neben innn.it weitere prominente
       Einzelfälle, etwa das Kampagnen-Netzwerk campact.
       
       ## Campact klagt nicht – und arbeitet weiter
       
       Campact, das vor allem eigene Kampagnen durchführt, klagt nicht gegen den
       Verlust seiner Gemeinnützigkeit. So könne man weiterhin zum Beispiel
       Kampagnen gegen die CDU-Bundestagskandidatur des nach rechts gerückten
       Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen organisieren. Obwohl Spenden an
       Campact nicht mehr steuerbegünstigt sind, gingen sie seither nicht zurück.
       Campact-Geschäftsführer Felix Kolb sprach von einem
       „Solidarisierungseffekt“.
       
       Die Ampelkoalition hat im Koalitionsvertrag vereinbart, das
       Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren, um der Unsicherheit nach dem
       Attac-Urteil entgegenzuwirken. „Bisher ist aber nicht viel passiert“,
       kritisiert Stefan Diefenbach-Trommer von der Rechtssicherheits-Allianz.
       Erst im August 2023 wurde ein Kabinetts-Ausschuss aus sechs
       Staatssekretär:innen aus sechs Ministerien eingerichtet, die die
       Reform vorbereiten sollen.
       
       Wer dem Ausschuss angehört, wollte das Finanzministerium nicht mitteilen.
       Nach taz-Informationen sind es Luise Hölscher (Finanzen), Angelika Schlunck
       (Justiz), Juliane Seifert (Innen), Rolf Bösinger (Wohnen), Margit Gottstein
       (Familie) und Sven Giegold (Wirtschaft). Ergebnisse sind noch nicht
       absehbar.
       
       Um dem eher zögerlichen Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu
       verdeutlichen, dass nicht nur linke Organisationen unter der Unsicherheit
       nach dem Attac-Urteil leiden, hat Campact ein Rechtsgutachten über den Bund
       der Steuerzahler in Auftrag gegeben. Demnach ist auch die Gemeinnützigkeit
       der Steuerzahler-Lobby, die sich ebenfalls auf die „Förderung des
       demokratischen Staatswesens“ beruft, gefährdet. Der Einsatz gegen eine
       Vermögenssteuer oder den Solidaritätszuschlag diene ebenfalls nur
       Partikularinteressen.
       
       Macht sich der Bund der Steuerzahler nach dem Campact-Gutachten Sorgen um
       seine Gemeinnützigkeit? „Nein“, hieß es auf Anfrage der taz. Doch kurz
       danach trat die Organisation ebenfalls der „Allianz Rechtssicherheit für
       politische Willensbildung“ bei.
       
       15 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://innn.it/
 (DIR) [2] /Changeorg-verliert-Gemeinnuetzigkeit/!5755008
 (DIR) [3] /Aberkennung-der-Gemeinnuetzigkeit/!5575675
 (DIR) [4] /Aberkennung-der-Gemeinnuetzigkeit/!5754363
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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