# taz.de -- Türkischer Militäreinsatz im Nordirak: Vergeltung gegen die PKK
       
       > Ankara greift PKK-Stellungen im Nordirak an. Es ist die Reaktion auf
       > schwere Angriffe auf türkische Soldaten. Auch die YPG in Syrien ist im
       > Visier.
       
 (IMG) Bild: Kandil-Berge: Seit Jahren befindet sich das PKK- Hauptquartier in dem Gebirge ( Archivbild 2016)
       
       ISTANBUL taz | Es ist die Reaktion auf einen der schwersten Angriffe der
       kurdischen PKK-Guerilla der letzten Jahre. Am Freitag und Samstag letzter
       Woche griffen kurdische PKK-Kämpfer Stellungen der türkischen Armee im
       Nordirak an und töteten mindestens 12 Soldaten.
       
       Die PKK nennt sogar weit höhere Zahlen. Während in der Türkei die
       Beerdigungszeremonien für die getöteten Soldaten laufen, greifen als
       Reaktion auf den Angriff weite Teile der Armee massiv vermutete Stellungen
       der PKK im Nordirak und Nordostsyrien an.
       
       Nach Angaben von Verteidigungsminister Yasar Güler sind bis Montagabend
       dabei 56 PKK-Kämpfer getötet worden. Ein Sprecher der kurdischen
       Selbstorganisation in Nordsyrien sprach dagegen von acht zivilen Opfern.
       
       In den verschneiten Bergen im Nordirak hat die Luftwaffe auch Spezialkräfte
       abgesetzt, die am Boden nun Jagd auf PKKler machen. Unterdessen wurden in
       der Türkei auf einem Jugendkongress der prokurdischen Partei für Gleichheit
       und Demokratie (DEM), der Nachfolgeorganisation der HDP, 52 Mitglieder
       vorübergehend festgenommen. Justizminister Yilmaz Tunc wirft ihnen
       „Lobpreisung der Verbrechen und Propaganda für eine terroristische
       Organisation“ vor.
       
       ## PKK wird im Nordirak zunehmend kritisch gesehen
       
       Über einen Internetkanal verbreitete die PKK eine Stellungnahme in der es,
       wohl in Anlehnung an die Rhetorik der Palästinenser, hieß, man habe
       erfolgreich die „türkischen Besatzer“ angegriffen. [1][Tatsächlich ist
       fraglich was das bedeuten soll].
       
       Die PKK hat seit Jahrzehnten ihr Hauptquartier in den Kandil-Bergen im
       Nordirak, näher an der iranischen als an der türkischen Grenze. Von der
       kurdisch-irakischen Autonomieregierung, die vom Barzani-Clan dominiert
       wird, wurde sie zunächst geduldet, wird aber seit längerem mit zunehmenden
       Misstrauen angesehen.
       
       Necirvan Barzani, der derzeitige Präsident der Autonomieregierung ist ein
       erklärter Feind der PKK und würde sie gern aus dem Nordirak vertreiben.
       Deshalb arbeitet die Autonomieregierung auch weitgehend mit der Türkei
       gegen die PKK zusammen, zu mindestens so lange, wie die türkische Armee bei
       ihren Aktionen keine irakischen kurdischen Zivilisten tötet oder verletzt.
       
       Auch die Zentralregierung in Bagdad nähert sich mehr und mehr der Türkei
       an. Hatte sie bis vor einem Jahr noch regelmäßig gegen türkische
       Militäreinsätze im Nordirak protestiert, so hat sie erst am 20. Dezember
       bei einem Treffen der türkischen und irakischen Außenminister, Hakan Fidan
       und Fuad Hussein, einem gemeinsamen „Anti-Terror“ Kampf gegen die PKK
       zugestimmt.
       
       Im Gegenzug ist die Türkei bereit, mit dem Irak wieder über zusätzliches
       Wasser zu verhandeln, dass über den Tigris von der Türkei in den Irak
       fließt und in den letzten Jahren immer mehr zurückgehalten wurde.
       
       ## PKK-Angriff stärkt türkische Rechtsextreme
       
       Obwohl die Angriffe der PKK auf die türkische Armee im Nordirak
       stattfanden, greift die Luftwaffe auch Ziele in Nordsyrien an. [2][Die dort
       vorherrschende kurdische YPG-Miliz] ist nach Ansicht der türkischen
       Regierung identisch mit der PKK und stellt deshalb nach offizieller Lesart
       ebenfalls eine Bedrohung für die Türkei da.
       
       Das politische Problem ist, dass die YPG in Syrien eng mit den dort
       stationierten rund 900 US-Soldaten zusammenarbeitet. Im Kampf gegen den IS
       waren und sind sie für die US-Armee die wichtigsten Verbündeten, was Ankara
       seinem Nato-Partner USA immer wieder vorwirft.
       
       Sollte der Druck auf die PKK im Nordirak zu groß werden, wird sie wohl nach
       Nordostsyrien ausweichen, was die [3][Probleme zwischen der Türkei und den
       USA] verschärfen könnte.
       
       Innenpolitisch sorgt der PKK-Angriff für neuerlichen Aufwind für die
       extreme Rechte. Anhänger der ultrarechten MHP griffen bei
       Beerdigungsfeierlichkeiten für die Soldaten Vertreter der oppositionellen
       CHP an und beschuldigten sie als „Terror-Unterstützer“.
       
       Der neue CHP-Vorsitzende Özgür Özel konnte bei einer Feier in Bursa nur
       mühsam von seinen Bodygards geschützt werden. Die Vorfälle sind bereits ein
       Vorgeschmack für die Kommunalwahlen Ende März, wo es auch um eine
       Verteidigung der CHP Bürgermeister-Posten in Istanbul und Ankara geht.
       
       26 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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