# taz.de -- Aquarium als Geldquelle: Mahnmal vermasselter Stadtpolitik
       
       > Braucht Berlin noch ein Aquarium? Argumente, Proteste und Klagen konnten
       > die Pläne für Coral World an der Rummelsburger Bucht nicht verhindern.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen die Vertreibung aus der Rummelsburger Bucht, 2021
       
       BERLIN taz | Letztendlich war es die Angst vor einer Brache, die den Bau
       des umstrittenen Aquariums ermöglicht hatte. Die Planungen für den letzten
       Bauabschnitt an der Rummelsburger Bucht seien schon so weit
       vorangeschritten, dass ein Stopp des Bezirks jahrelangen Stillstand
       bedeuten würde, begründeten die Befürworter:innen aus der
       Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg ihre Entscheidung, dem
       Bebauungsplan zuzustimmen. Das war 2019. Um den Stillstand zu verhindern,
       mussten seitdem Wagenplätze, ein Club und [1][ein Obdachlosencamp weichen],
       doch vom Aquarium ist auch mehr als vier Jahre später nichts zu sehen.
       Stattdessen liegt das Grundstück weiterhin brach. Sauber planiert zwar,
       ohne Obdachlose, die darauf Zuflucht suchen, aber dennoch eine Brache.
       
       Doch Coral World oder Ocean Berlin, wie das Aquarium nach einem
       „Rebranding“ jetzt heißt, kommt. „Die Eröffnung des Aquariums ist für
       Anfang 2026 geplant“, teilt eine Sprecherin des Mutterkonzerns Coral World
       der taz mit. Einen Bauantrag stellte das Unternehmen bereits 2021 wenige
       Tage vor Ablauf der Frist. Derzeit sei man mit dem Bodenaushub beschäftigt,
       die Betonarbeiten würden im Januar starten, so die Sprecherin.
       
       Wie der „Ocean“ am Ende aussehen soll, ist immer noch nicht bekannt.
       Planzeichnungen und visualisierte Außenansichten seien bislang noch im
       Entwicklungsstadium, heißt es, das Konzept verändere sich im Moment fast
       täglich. Fest steht bereits, dass mehrere Großbecken entstehen, in denen
       bunte Korallen, Haie und andere Meerestiere angesiedelt werden sollen.
       „Marine Welten, wie man sie sonst nur im Great Barrier Reef, im Roten Meer
       und in den Lagunen der Karibik antreffen kann“, wirbt die Sprecherin des
       Unternehmens. Ebenso plant Coral World ein „trockenes“ Meeresmuseum, das
       die Aquarien ergänzen soll.
       
       ## Zum Schutz der Meere?
       
       Ein rein profitorientiertes Eventtourismusangebot also, wie es das
       Unternehmen auch auf Mallorca, Hawaii und in Israel betreibt. Trotzdem wird
       Coral World nicht müde zu wiederholen, dass es dem Unternehmen nur um den
       Schutz der Meere geht. „Wir müssen Menschen in einen unmittelbaren,
       persönlichen Kontakt mit dem Ozean bringen, um sie emotional zu
       erreichen“, rechtfertigt Projektleiter Erez ben-Nun das Geschäftsmodell in
       einem im August erschienenen PR-Beitrag.
       
       Für Jennifer Witte, die für die Tierschutzpartei in der
       Bezirksverordnetenversammlung sitzt, sind die Aussagen des Unternehmens
       reines Greenwashing. Statt die Weltmeere zu schützen, sei das „Gegenteil
       der Fall“, kritisiert Witte. „Ocean Berlin trägt maßgeblich zur Plünderung
       der Meere bei, indem es Korallen entfernt“, sagt sie. Auch viele Tiere
       könnten nicht gezüchtet werden, sondern würden aus freier Wildbahn
       entnommen, erklärt die Kommunalpolitikerin. In Gefangenschaft bekämen sie
       häufig Depressionen und würden krank.
       
       Auf taz-Nachfrage beteuert Coral World, Fische und Korallen überwiegend aus
       Zuchtprogrammen beziehen zu wollen. Dass trotzdem Lebewesen aus der Wildnis
       entnommen werden müssen, bestritt das Unternehmen jedoch nicht.
       
       Dazu kommt der enorme Energieverbrauch für den Bau und Betrieb. Tausende
       Liter Salzwasser müssen produziert und beheizt werden, hinzu kommen Filter,
       Pumpen und Beleuchtung. „Ocean verschwendet so viel Energie wie Tausende
       Privathaushalte zusammen“, mutmaßt Witte, in Zeiten der Klimakrise sei das
       eine „Riesenumweltkatastrophe“.
       
       ## Jetzt auch noch ein Hotel
       
       Wenig zu gemeinwohlorientierten Image passt auch [2][das in das Gebäude
       integrierte Hotel mit 169 Doppelzimmern.] Das Bekanntwerden der Hotelpläne
       im März ließ alte Forderungen nach Rückabwicklung der Grundstücksverkäufe
       an Coral World wieder aufleben. Seitdem behauptet das Unternehmen immer
       wieder, es sei vom Bezirk förmlich gezwungen worden, zusätzlich zum
       Aquarium ein Hotel zu errichten. Das „Hotel wird allein infolge der
       Auflagen des Bebauungsplans entstehen“, rechtfertigt die Sprecherin die
       Entscheidung. Doch der B-Plan sieht zwar eine Mindesthöhe von sieben
       Stockwerken vor; eine Verpflichtung, ein Hotel zu errichten, ist allerdings
       nirgendwo festgeschrieben.
       
       „Die Bauherrin wurde nicht veranlasst, ein Hotel zu errichten. Die
       Entscheidung wurde vom Investor eigenständig ohne Abstimmung mit dem Senat
       getroffen“, widerspricht der Senat in einer Antwort auf eine
       parlamentarische Anfrage von Hendrikje Klein aus dem November letzten
       Jahres. Die Linke-Abgeordnete, die ihren Wahlkreis in Lichtenberg hat,
       gehört zu den engagiertesten Gegner:innen der Bebauung an der
       Rummelsburger Bucht.
       
       Die Kombination aus Hotel und Aquarium geriet noch einmal stärker in
       Kritik, als im Dezember 2022 das größte zylindrische Aquarium der Welt in
       der Lobby des Sealife-Hotels explodierte. Hunderte Fische verendeten, zum
       Glück wurden nur wenige Menschen verletzt. Warum es zu dem Unglück kam,
       konnte bis heute nicht restlos geklärt werden.
       
       In einem im Oktober veröffentlichten Gutachten stellten Expert:innen
       zwar drei Hypothesen auf, konnten aber für keine der Erklärungen eindeutige
       Belege finden. Konsequenzen für das geplante Ocean gibt es allerdings
       keine. In der Antwort auf die parlamentarische Anfrage gibt die
       Senatsverwaltung an, das Gutachten nicht einmal gelesen zu haben.
       
       ## Resignation in der Bucht
       
       Coral World versichert der taz, dass Ocean definitiv zu hundert Prozent
       sicher sei, die Becken seien „in keinster Weise vergleichbar“ mit dem
       Sealife-Acrylglaszylinder. „Unsere Becken sind nicht aus Acryl, sondern
       eine massive Konstruktion auf Betonbasis“, heißt es, und man habe seit den
       1970er Jahren eine schadensfreie Sicherheitsbilanz.
       
       Hoffnung, dass sich das Aquarium noch irgendwie verhindern lässt, hat
       mittlerweile niemand mehr. „Was die Rummelsburger Bucht betrifft, haben
       sich Trauer und Resignation breitgemacht“, sagt Hendrikje Klein. Doch für
       die Eröffnung 2026 werde Coral World „mit Protest rechnen müssen“.
       
       Während private Investor:innen die Ufer der Rummelsburger Bucht nach
       der Wende mit schicken Townhouses und Eigentumswohnungen zugebaut haben,
       steckten die letzten, direkt am Ostkreuz gelegenen Filetgrundstücke in
       einem jahrelangen Planungsprozess fest. Die Brachen boten dringend
       benötigten Freiraum für jene, die zunehmend von anderen Orten in der Stadt
       verdrängt wurden.
       
       Zwei Wagenplätze, ein Technoclub und ein Obdachlosencamp mit zeitweise mehr
       als hundert Bewohner:innen fanden an der Rummelsburger Bucht Zuflucht.
       Als 2017 der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, was der Bezirk konkret
       auf den Grundstücke plante, löste die Ankündigung nicht nur Widerstand in
       der alternativen Szene aus. Statt dringend benötigten bezahlbaren
       Wohnraums, Schulen oder Kitas sollten dort vor allem hochpreisige
       Eigentumswohnungen privater Investor:innen entstehen. Auch für viele
       Anwohner:innen stellte das Aquarium den Gipfel einer völlig verfehlten
       Planung dar.
       
       ## Wertvolle Grundstücke verhökert
       
       Besonders schmerzhaft war, dass es sich bei den mehr als 14 Hektar Bauland
       um landeseigene Grundstücke handelte, die der rot-schwarze Senat 2016 quasi
       als letzte Amtshandlung an private Investor:innen verscherbelte.
       Michael Grunst, damals Linke-Bürgermeister Lichtenbergs, sieht in dem
       Verkauf den Hauptgrund, warum der Bezirk dem umstrittenen Bebauungsplan
       zustimmen musste. „Das Entscheidende war die Eigentumsfrage“, sagt Grunst,
       „die Lehre muss sein, dass das Land nie wieder Grundstücke an Dritte
       verkauft.“
       
       Mehrere Großdemos, Petitionen mit Tausenden Unterschriften und
       Besetzungsaktionen halfen nicht: Im April 2019 stimmte die
       Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg trotz aller Kritik für den
       Bebauungsplan und machte somit auch den Weg frei für Coral World. Auch zwei
       Klagen gegen den Bebauungsplan scheiterten vor Gericht.
       
       Entgegen der Ankündigung, keinen Cent Wirtschaftsförderung in Anspruch zu
       nehmen, [3][beantragte Coral World dann auch noch Fördermittel in Höhe von
       7,3 Millionen Euro.] Die Investitionsbank Berlin lehnte den Antrag ab,
       wogegen Coral World klagte. Im September scheiterte das Unternehmen dann
       endgültig vor Gericht.
       
       „Coral World hat uns hinters Licht geführt wie alle anderen Investoren
       auch“, gibt Ex-Bürgermeister Michael Grunst rückblickend zu. Coral World
       versprach ein Bildungsangebot, die anderen Investor:innen
       mietpreisgebundene Wohnungen. Entstanden sind bislang fast ausschließlich
       Eigentumswohnungen – so wie überall sonst um das Gewässer herum. „Die
       Rummelsburger Bucht ist ein Mahnmal dafür, wie Stadtentwicklung in die
       Grütze gefahren werden kann“, sagt Grunst. Heute ist die Bucht ein
       Wohlfühlort für gut verdienende Hausbesitzer:innen. „Wir haben es
       verpasst, sie zu einem Ort für alle Berlinerinnen und Berliner zu
       entwickeln“, räumt Grunst ein.
       
       4 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Wahmkow
       
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