# taz.de -- DFB-Pokal Viertelfinale: Träume und Tränen
       
       > Hertha BSC scheitert an Kaiserslautern. Das Gedenken an den verstorbenen
       > Präsidenten dabei ist immer noch präsent – Beobachtungen eines Fans.
       
 (IMG) Bild: 1:0 für den 1. FC Kaiserslautern im DFB-Pokalspiel gegen Hertha BSC im Olympiastadion
       
       BERLIN taz | Der Pokaltag beginnt für mich um 12.24 Uhr mit einer E-Mail.
       Über den Mitgliederverteiler von Hertha BSC erreicht mich eine Nachricht
       mit der Überschrift „Wir Herthaner fürs Halbfinale“. Als ich in der Mail
       etwas runterscrolle, lese ich eine Nachricht von Eileen Bernstein-Rose, der
       Witwe von Herthas verstorbenem Präsidenten Kay Bernstein.
       
       Sie meldet sich erstmals seit seinem plötzlichen Tod vor zwei Wochen zu
       Wort und bedankt sich für die Anteilnahme. Jede Geste, jedes Wort und jedes
       Spruchband überwältigten sie. Und sie fordert von den Vereinsmitgliedern
       „Lasst uns den Berliner Weg weitergehen! Für Kay, für Hertha BSC“.
       
       Mit dem „Berliner Weg“ setzt Hertha [1][seit dem Abstieg in die zweite
       Liga] und einem großen Umbruch im Sommer 2023 auf Spieler aus der eigenen
       Jugend. Auch der ganze Verein soll bodenständiger auftreten. Und er sollte
       von den Mitgliedern geprägt werden, nicht von Investoren. Wird Hertha
       [2][diesen Ansatz] auch nach Bernsteins Tod weiterverfolgen?
       
       Am Abend spielt Hertha im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen den 1. FC
       Kaiserslautern. Der Traum von mir und allen anderen Herthanerinnen und
       Herthanern ist klar: das Finale im eigenen Stadion. Auch Kay Bernstein
       wünschte sich das. [3][Im letzten Interview vor seinem Tod] beantwortete er
       die Frage, ob Pokal oder Aufstieg schöner wären, mit dem Pokalsieg.
       
       Die Marschrichtung ist also vorgegeben und mit Kaiserslautern ein
       vermeintlich dankbarer Gegner zu Gast im Olympiastadion. Die Pfälzer
       spielen eine schwache Zweitligasaison, gewannen am Wochenende aber 4:1
       gegen Schalke 04.
       
       ## Trauer und Fußball
       
       Es ist auch das Spiel nach dem Trauerspiel. [4][Beim Heimspiel gegen
       Fortuna Düsseldorf] stand noch alles im Zeichen der Trauer um Kay
       Bernstein. Ein Trauermarsch mit 7.000 Fans (inklusive mir) zog vor dem
       Spiel zum Stadion. Vor der Ostkurve hing ein großes Schwarzweißfoto, das
       Bernstein zeigte. Und Stadionsprecher Fabian von Wachsmann hielt eine
       herzerwärmende Rede vor der Schweigeminute. Die Ultras sahen sich außer
       Stande, Stimmung zu machen. Zu tief saß der Schock.
       
       Davon ist im Stadion gegen Kaiserslautern zunächst nichts zu merken. Das
       Foto Bernsteins ist wieder dem Logo von Herthas Sponsoren, unter anderem
       einem Sportwettenanbieter, gewichen. Der Stadionsprecher ruft die
       Spielernamen wieder voller Inbrunst aus, und die Ostkurve macht schon vor
       dem Spiel viel Lärm.
       
       Eine Choreografie ist vorbereitet, auch ich halte zu Spielbeginn ein weißes
       Pappschild hoch. Auf einem Foto, das ein Freund mir schickt, erkenne ich,
       dass die Choreografie Kay Bernstein zitiert. Es geht um den Verein als
       Gemeinschaft, die gepflegt, und Ziele, die erreicht werden sollen.
       
       ## Ernüchterndes Spiel
       
       Das Spiel selbst ist alles andere als traumhaft. Herthas Trainer Pál Dárdai
       hat aus unerfindlichen Gründen das System umgestellt. Hertha kommt nicht
       damit zurecht und liegt nach fünf Minuten mit 0:1 hinten. Die Euphorie ist
       sofort gedämpft, aber die Ostkurve schreit fleißig weiter: „Auf geht’s,
       Hertha, kämpfen und siegen!“
       
       Hertha hat Probleme im Spielaufbau, der Ball wird häufig zwischen den
       Verteidigern hin- und hergeschoben, letztes Mittel ist ein langer Ball auf
       Stürmer Haris Tabaković. Als dann in der 38. Minute das 0:2 fällt,
       verstummt auch der harte Kern der Herthafans kurz. War’s das schon mit dem
       Pokaltraum?
       
       Pál Dárdai korrigiert seine Aufstellung und bringt zur Halbzeit Fabian
       Reese. Der mit Abstand beste Spieler der Hinrunde feiert sein Comeback nach
       einer Corona-Erkrankung und wird mit „Fußballgott“-Rufen begrüßt. Hertha
       spielt jetzt offensiver, die Einwechslungen wirken. Andreas Bouchalakis
       verteilt die Bälle und Hertha kommt zu Chancen.
       
       ## Zeichen der Hoffnung
       
       Jener Bouchalakis spielt aber auch einen Pass, der die Lauterer zum 0:3
       einlädt. Kurz sind nur die Lautern-Fans zu hören, dann fängt sich die
       Ostkurve wieder: „Zweite Liga tut so weh, scheißegal, BSC!“ Herthas 1:3 in
       der Nachspielzeit durch Fabian Reese ist da nur eine Randnotiz.
       
       Einem Jungen in der Reihe vor mir purzeln Tränen über das Gesicht. Auch er
       hatte anscheinend vom Pokalfinale im eigenen Stadion geträumt. Und ich muss
       an ein Spruchband in der Ostkurve aus dem Spiel nach Kay Bernsteins Tod
       denken: „Wir gießen deinen Baum mit unseren Tränen“, hieß es dort.
       
       Den Baum hatte Bernstein 2022 als Symbol des Zusammenhalts vor Herthas
       Geschäftsstelle gepflanzt. In Berlin sollte wieder etwas zusammenwachsen.
       Ich sehe in diesem Moment im Stadion die Tränen dieses jungen Herthafans
       als ein Zeichen der Hoffnung. Der Berliner Weg ist gerade erst am Anfang.
       Er ist steinig, lang und voller Widrigkeiten. Aber es lohnt sich, ihn
       weiterzugehen.
       
       1 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
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