# taz.de -- Assange-Solidarität in London: Ein Tory sagt, wie es ist
       
       > Ende Februar wird in Großbritannien über die Auslieferung von Julian
       > Assange in die USA entschieden. Über ein Treffen in der Conway Hall.
       
 (IMG) Bild: Pro-Assange-Protest am 23. September 2023 in London
       
       Die Conway Hall im Bloomsburyviertel Londons ist mit der Tradition des
       britischen Freidenkertums verbunden. Kein Wunder, dass sich hier am
       Donnerstagabend Unterstützer:innen des im Londoner Belmarsh
       Hochsicherheitsgefängnis nun [1][seit fünf Jahren festgehaltenen
       Journalisten Julian Assange] versammelten.
       
       In einem Monat, am 20. und 21. Februar, wird das Anwaltsteam des
       Wikileaks-Gründers Assange vor dem Obersten Gerichtshof den wahrscheinlich
       letzten möglichen Versuch starten, in Großbritannien gegen dessen
       Ausweisung in die Vereinigten Staaten juristisch vorzugehen.
       
       Assange hatte vorherige Gerichtsverfahren teils gewonnen und auch wieder
       verloren. Der letzte Stand ist, dass die britische Regierung ihn per
       Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Großbritannien ausweisen wird.
       Sollte er auch im Februar scheitern, ist noch Berufung beim Europäischen
       Gerichtshof für Menschenrechte möglich.
       
       Vor den etwa 100 Versammelten sitzen Jeremy Corbyn und der
       Labourabgeordnete Richard Burgon, der im britischen Parlament [2][die
       sozialistische Gruppe] führt, neben dem ehemaligen Gewerkschaftsführer Len
       McCluskey sowie [3][Julian Assanges Ehefrau Stella]. Und dann ist da noch
       jemand, den, wie er in seiner Rede selbst anmerkt, mit den anderen sonst
       wenig verbindet: der konservative Abgeordnete und ehemalige Brexitminister
       David Davis.
       
       ## Zum Schweigen bringen
       
       Die Veranstaltung beginnt mit dem Abspielen [4][des einst geleakten Videos,
       das einen US-Apache-Hubschrauber in Bagdad im Jahr 2007 zeigt,] aus dem die
       Besatzung auf Zivilist:innen schießt. Mehrere Wortbeiträge verweisen
       danach auf die Wichtigkeit dieser Informationen im Interesse der
       Öffentlichkeit. Die Ausweisung Assanges solle Journalist:innen weltweit
       zum Schweigen bringen.
       
       Unter allen Anwesenden ist es David Davis, der als Tory in
       Regierungskreisen am ehesten Gehör finden kann. „Alle, egal welcher Farbe,
       Politik, Herkunft oder Religion verdienen einen fairen Prozess, faire
       Justiz, keine willkürliche Freiheitsberaubung“, beginnt er mit einer
       Bemerkung zu seinem ehemaligen Einsatz für Gefangene in Guantanamo Bay.
       
       Dann kommt er auf Assange zu sprechen. Der hätte in den USA keine Chancen
       auf Freispruch. Schon dass er gut behandelt würde, sei als Versprechen
       nicht glaubwürdig. Er, Davis, habe schon öfter erlebt, wie solche
       Versprechen gleich nach der Ankunft in den USA gebrochen wurden.
       Gerechtigkeit für Assange sei nur in Großbritannien möglich, wo die
       britische Justiz des Geheimnisverrats angeklagte Personen aufgrund des
       öffentlichen Interesses an den preisgegebenen Informationen schon des
       Öfteren [5][freigesprochen habe.]
       
       ## Weit über alle Toleranzschwellen hinaus
       
       Und was wohl ein britisch-konservatives Gemüt besonders erregt: „Es hört
       sich alles so an, als würde eine imperiale Macht einer Kolonie Befehle
       erteilen.“ Dem Auslieferungsübereinkommen mit den USA hätte das britische
       Parlament außerdem nur zugestimmt, weil es die Ausweisung in politischen
       Fällen verbiete; und genau darum handele es sich bei Assange.
       
       Assange Ausweisung würde den investigativen Journalismus weltweit schwer
       beschädigen und zu einer US-Zensur des britischen Pressewesens führen. Was
       Assange in den letzten 13 Jahren widerfahren sei, ginge ohnehin weit über
       alle Toleranzschwellen hinaus.
       
       Davis beendete seine Ansprache mit dem Zitat des bekannten britischen
       Hochrichters Lord Sumption: „Meinungsfreiheit beinhaltet das Recht,
       Informationen zu veröffentlichen, selbst wenn sie kontrovers, beunruhigend
       sind oder Autoritäten oder andere Personen in Verlegenheit bringen.“ Wer an
       eine freie Gesellschaft, an eine freie Presse und an eine faire Justiz
       glaube, müsse davon überzeugt sein, dass Assange seit langem auf freien Fuß
       sein sollte.
       
       Im Gespräch mit der taz nach der Veranstaltung sagte Davis, dass die
       Bundesrepublik sich direkt an den britischen Außenminister Lord David
       Cameron wenden solle, Assange nicht an die Vereinigten Staaten auszuweisen.
       
       19 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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