# taz.de -- Proteste gegen Rechtsextremismus: Hunderttausende auf der Straße
       
       > Am Samstag protestierten mehr als 300.000 Menschen gegen Rechtsextreme
       > und die AfD. Für Sonntag sind neue Demos angekündigt.
       
 (IMG) Bild: Der kleinste gemeinsame Nenner – die Demonstrierenden sind gegen die AfD
       
       KARLSRUHE/MÜNCHEN/HAMBURG/HANNOVER/ FRANKFURT AM MAIN/SPREMBERG taz/dpa |
       Bundesweit sind am Samstag Hunderttausende gegen Rechtsextreme auf die
       Straße gegangen. Nach ersten Zählungen der Polizei und der Veranstalter
       demonstrierten in ganz Deutschland mindestens 300.000 Menschen. In einigen
       Städten lagen noch keine abschließenden Zahlen vor. Von insgesamt rund
       einer halben Million Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Freitag und Samstag
       sprach das Netzwerk Campact. Sein Geschäftsführender Vorstand Christoph
       Bautz erklärte, es sei ein „Wochenende der Hoffnung“.
       
       Ein „ermutigendes Zeichen für die Demokratie“ nannte Vizekanzler Robert
       Habeck (Grüne) die Demonstrationen in ganz Deutschland. „Demokratie lebt
       von den Menschen, die dafür aufstehen“, sagte der Wirtschaftsminister der
       Augsburger Allgemeinen. „Es ist beeindruckend zu sehen, wenn jetzt viele
       Menschen auf die Straße gehen und Flagge zeigen für unsere Demokratie.“
       
       Auch am Sonntag wird in ganz Deutschland erneut gegen Rechts demonstriert –
       unter anderem in Berlin, Köln, München und Dresden, aber auch in kleineren
       Orten wie Görlitz, Lingen oder Kleve.
       
       Hier eine taz-Übersicht der Demonstrationen des Wochenendes vom 21. und 22.
       Januar und kommender Proteste:
       
       ## 80.000 Menschen in Baden-Württemberg
       
       Mit Schildern wie „Wenn die AfD die Antwort ist, wie blöd war dann die
       Frage?“, „Lieber solidarisch als solide arisch“ oder „Wenn ihr Putin wollt,
       geht doch rüber“ versammelten sich am Samstag 20.000 Menschen auf dem
       Karlsruher Marktplatz und den angrenzenden Straßen. Anschließend zogen sie
       durch die Stadt, in der das Bundesverfassungsgericht und der
       Bundesgerichtshof ihren Sitz haben.
       
       Dabei beachtete der Demonstrationszug die „Bannmeile“ zu den
       Bundesgerichten. Die Polizei sprach von störungsfreiem Protest, der ein
       „bemerkenswertes Zeichen gesetzt“ habe. Auch in der Landeshauptstadt
       Stuttgart kamen am Samstag auf dem Platz vor dem Neuen Schloss 20.000
       Menschen zusammen; in Heidelberg waren es 18.000, in Ulm zehntausend.
       
       In Freiburg waren bereits am Mittwoch 10.000 Menschen auf die Straße
       gegangen, am Samstag waren es noch einmal 5.000. Dort hatte ein breites
       Bündnis von Union und FDP bis zu linken Gruppen zur Demonstration
       aufgerufen. In Karlsruhe und Stuttgart war das nicht gelungen. Man habe die
       bürgerlichen Parteien nicht extra eingeladen, allerdings hätten sie sich
       auch nicht als Initiatoren gemeldet, sagt eine Sprecherin des Karlsruher
       Bündnisses gegen rechts.
       
       Auf dem Demonstrationszug in Karlsruhe wurde von Rednern linker Gruppen,
       etwa der [1][Seebrücke], die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und der
       Union als „Imitation der AfD“ scharf kritisiert. Oberbürgermeister Frank
       Mentrup (SPD), der nicht auf der Rednerliste stand, beobachtete den
       Demonstrationszug vom Rathausbalkon.
       
       Insgesamt gingen in Baden-Württemberg am Wochenende über 80.000 Menschen
       gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Überall blieben die Proteste
       friedlich.
       
       ## 40.000 Menschen in Bayern
       
       Die Beteiligung an den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus übertraf
       auch in Bayern die Erwartungen – in München stellen sich Einsatzkräfte auf
       mehr Menschen ein als zunächst gedacht. „25.000 plus X“, sagte eine
       Polizeisprecherin am Sonntagvormittag. Noch zur Wochenmitte hatte die Stadt
       mit 10.000 bis 20.000 Teilnehmern gerechnet, die am Sonntagnachmittag unter
       dem Motto [2][„Gemeinsam gegen Rechts“] am Siegestor zusammenkommen wollen.
       
       „Allerhöchste Zeit, dass wir als Gesellschaft gemeinsam für unsere
       Demokratie und Vielfalt einstehen!“, teilten die Organisatoren mit. „Wir
       alle müssen jetzt aufstehen gegen Rechtsextremismus, wir müssen uns
       gemeinsam gegen die anhaltenden Entwicklungen stemmen, die nicht erst seit
       dem [3][von Correctiv aufgedeckten Geheimtreffen] die reale Gefahr für
       unsere Demokratie sind.“
       
       Politiker aller demokratischen Parteien hatten ihre Teilnahme für Sonntag
       angekündigt, darunter etwa Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD),
       sein Stellvertreter Dominik Krause (Grüne), der bayerische Justizminister
       Georg Eisenreich (CSU) und der frühere Kultusminister Michael Piazolo
       (Freie Wähler).
       
       Auch im restlichen Bayern kamen Menschen zusammen, um gegen die AfD zu
       demonstrieren. Darunter in Regensburg, Bad Tölz Erlangen und in Nürnberg.
       In Nürnberg hatten sich bereits am Samstag 15.000 Menschen versammelt –
       weit mehr als erwartet. Die Organisatoren hatten eine Veranstaltung mit
       1.000 Teilnehmern angemeldet. An der Demonstration nahmen auch Mitglieder
       des Vorstands der Bayern-SPD teil, die zuvor in der fränkischen Metropole
       getagt und sich geschlossen dafür ausgesprochen hatten, die
       Verfassungskonformität der AfD durch das Bundesverfassungsgericht prüfen zu
       lassen.
       
       ## 80.000 Menschen in Hamburg
       
       Weitaus mehr Zulauf als erwartet hatte bereits am Freitagnachmittag eine
       Anti-Nazi-Demo in Hamburg erhalten. Ein Bündnis aus Gewerkschaften,
       Wirtschaftsverbänden, Kulturschaffenden und Religionsgemeinschaften hatte
       zu der Kundgebung gegen „Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke“
       aufgerufen. Nach Schätzung des DGB beteiligten sich mehr als 80.000
       Menschen.
       
       Die Demo fand [4][am Jungfernstieg] statt, nicht wie geplant auf dem
       Rathausmarkt. Die AfD erreichte durch eine spontane Fraktionssitzung, dass
       die Demo um etwa 350 Meter verschoben werden musste: Das Hamburger
       Bannkreisgesetz verbietet Versammlungen und Demos im Umkreis von 350 Meter
       um das Rathaus herum. Dadurch soll die Arbeitsfähigkeit der Bürgerschaft
       geschützt werden.
       
       Die Organisator*innen zeigten sich davon unbeeindruckt. „Die Attacke
       auf unsere Kundgebung überrascht uns nicht“, erklärten sie gestern in einem
       Statement. „Sie zeigt einmal mehr, dass die AfD die Demokratie verachtet.“
       
       ## 40.000 Menschen in Niedersachsen
       
       In der niedersächsischen Landeshauptstadt wurde die Demonstration vom
       Freundeskreis Hannover angemeldet, der zur Teilnahme aufgerufen hatte: ein
       breites Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen und zahlreichen Vereinen. Und
       auch hier war es eine erstaunliche Mischung, die sich hier zeigte: Menschen
       aller Altersgruppen, ganze Familien reisten aus dem Umland an. Und neben
       den gewohnten Gewerkschafts-, Kirchen-, Regenbogen- und
       Antifa-Flaggen-Schwenkenden standen viele, die erkennbar nicht so oft an
       Demonstrationen teilnahmen.
       
       Auf der Rednerliste stand in Hannover dafür viel Politprominenz:
       Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Ex-Bundespräsident Christian Wulf
       (CDU), Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne), DGB-Chefin Yasmin Fahimi, dazu
       Vertreter der Kirche, der Liberalen Jüdischen Gemeinde und eines
       Jugendbündnisses.
       
       Den größten Applaus erhielten aber eine andere Gruppe: Als Rebecca Seidler
       von [5][der Liberalen Jüdischen Gemeinde] sich dafür bedankte, dass [6][die
       „Omas gegen Rechts“] seit dem 7. Oktober 2023 jeden Freitag vor der
       Synagoge stünden, um ein Zeichen der Solidarität gegen den Terror der Hamas
       zu setzen, jubelte der ganze Platz. Die „Omas gegen Rechts“ hatten schon am
       Dienstag bei einer kurzfristig angesetzten Demo 8.500 Leute mobilisiert.
       Zwischenfälle verzeichnete die Polizei keine, der Platz leerte sich genauso
       rasch und friedlich, wie er sich gefüllt hatte.
       
       Zum Schluss zählten die Veranstalter in Hannover 35.000 Teilnehmer. Auf dem
       Opernplatz und am Kröpcke standen die Menschen dicht gedrängt, auch die
       Seitenstraßen und weite Teile der Fußgängerzone waren voll, mehrmals musste
       die Polizei die Versammlungsfläche erweitern.
       
       In zahlreichen weiteren Städten in Niedersachsen waren am Wochenende
       weitere Kundgebungen schon gelaufen oder noch geplant, unter anderem in
       Braunschweig, Oldenburg, Göttingen und Lüneburg. In Lüneburg gingen am
       Samstag mehr als 5.000 Menschen auf die Straße.
       
       ## 70.000 Menschen in Hessen
       
       Allein in Frankfurt am Main gingen am Samstag 35.000 Menschen auf die
       Straße. [7][Der Frankfurter Römerberg war so voll, als hätte die
       „Eintracht“ einen Pokal gewonnen] oder als gelte es, Fußballweltmeister zu
       feiern. Vom Römer wehten die Fahnen von Stadt und Land sowie die von Israel
       und der Ukraine. „Demokratie verteidigen – Frankfurt gegen AfD und
       Rechtsruck!“, so lautete das Motto der Kundgebung, zu der die Klimaschützer
       vom Koala-Kollektiv und, in einem Bündnis, 80 weitere Initiativen,
       Organisationen und Parteien aufgerufen hatten.
       
       Mit dabei waren auch Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef, SPD, so wie
       seine AmtsvorgängerInnen Petra Roth, CDU, und Andreas von Schoeler, SPD.
       „Wer jetzt die Augen schließt, kann später nicht sagen, wir haben nichts
       gewusst!“, ruft er und bekommt tosenden Beifall, so Josef bei der
       Eröffnungsrede. Viele RednerInnen kritisierten im Anschluss die
       Abschottungspolitik der Bundesregierung und der neuen schwarz-roten
       Landesregierung in Hessen.
       
       Tausende weitere Menschen waren am Samstag an anderen Orten in Hessen auf
       der Straße, darunter in Frankfurt, Kassel, Limburg und Gießen.
       
       ## 400 Menschen in Spremberg in Brandenburg
       
       Auch kleinere Proteste können eine große Wirkung haben. Das zeigt eine
       Aktion in Spremberg in Brandenburg. An die 400 Menschen versammelten sich
       hier am Samstagmittag bei strahlendem Sonnenschein, um gegen den Aufmarsch
       der Kleinstpartei „Die Rechte“ um den Neonazi Christian Worch zu
       demonstrieren. Die Polizei sprach von 300 Teilnehmenden der
       antifaschistischen Demonstration. Etwa 50 waren aus Berlin angereist.
       „Bunte Zukunft statt braunes Hinterland“, lautete das Motto der Kundgebung,
       zu der das Bündnis [8][„Unteilbar Südbrandenburg“] aufgerufen hatte.
       
       Der Aufruf von „Die Rechte“ war kurz: „Die Zustände in unserer Heimat
       werden von Tag zu Tag katastrophaler und sind schon lange nicht mehr
       hinnehmbar“, heißt es auf ihrer Homepage. Unter dem Motto „Reich statt
       Republik“ versammelten sich dann knapp zehn Menschen am Schlossplatz in
       Spremberg, liefen zu einem Gedenkstein, der Spremberg als den „Mittelpunkt
       vom Deutschen Reiche“ auszeichnet, und wieder zurück. Auf dem Hin- und
       Rückweg gingen sie jedes Mal am Pfortenplatz vorbei.
       
       „Alle zusammen gegen den Faschismus!“, riefen die Gegendemonstranten dem
       kläglichen Grüppchen entgegen, „Nazis raus!“ und „Haut ab!“ Sie hielten
       Schilder hoch mit den Sprüchen „Faschismus ist keine Meinung“ sowie „Lieber
       kunterbunt statt kackbraun“. Neben Vertreter*innen des Bündnisses
       Unteilbar und der Gruppe CSD Spremberg sprach auch die Bürgermeisterin der
       21.000-Einwohner-Stadt in der Niederlausitz Christine Herntier (parteilos).
       
       „Nicht jeder ist willkommen: Diejenigen mit rechtem Gedankengut sind es
       nicht.“ Herntier erklärte weiter, Spremberg sei ein Wirtschaftsstandort und
       brauche Zuzug – „Sonst haben wir keine Zukunft.“ Abschließend wandte sie
       sich an die ehrenamtlich organisierten Menschen vor Ort. „Denken Sie
       darüber nach, für kommunale Gremien zu kandidieren. Wir brauchen Sie.“
       
       21 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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