# taz.de -- Streiks und Arbeitszeiten: Habecks Ressentiments > Der Vizekanzler meint, es werde zu viel gestreikt, und weniger Arbeit sei > keine gute Idee. Bedenklich, wenn ein Grüner das sagt. (IMG) Bild: Robert Habeck auf USA-Reise, hier in Chicago am 9. März Es ist immer heikel, wenn sich Wirtschaftsminister zu sozialen Fragen äußern. Man denke an [1][Wolfgang Clement, vor 20 Jahren SPD-Superminister für Wirtschaft und Arbeit]. Der damalige Sozialdemokrat ist in bleibender Erinnerung mit seinen Äußerungen zu angeblich „parasitärem Verhalten“ von Langzeitarbeitslosen, die das Hartz-IV-System missbrauchten. Begeistert bot ihm die FDP damals den Parteiwechsel an. Jetzt ist ein Grüner Wirtschaftsminister – Robert Habeck. [2][Er hat nun die Streiks in Deutschland gerügt]; vielleicht hatte er auch selbst Ärger mit seiner Reiseplanung gehabt, Weselsky und Co sei Dank. „Jedenfalls wird ein bisschen im Moment zu viel [3][für immer weniger Arbeit] gestreikt beziehungsweise geworben. Und das können wir uns in der Tat nicht leisten“, sagte der Grünen-Politiker und Vizekanzler. Deutschlands Wirtschaft stagniere, gleichzeitig seien 700.000 offene Stellen gemeldet. Dieses Problem werde sich bei stärkerem Wirtschaftswachstum und zunehmender Alterung in der Gesellschaft noch verschärfen. Das Volumen aller Arbeitsstunden reiche nicht aus, meint Habeck. Es wird zu wenig gearbeitet [4][und zu viel gestreikt in Deutschland]! Wenn schon ein Grüner das sagt, dann verschiebt er die Maßstäbe dessen, was allgemeiner Sprachgebrauch werden könnte, auch in den grüngefärbten Milieus. Es ist ein neuer Sound. Was kümmert da die nüchterne Statistik, die besagt, dass in Deutschland gar nicht so viel gestreikt wird im internationalen Vergleich? Und die 35-Stunden-Woche ist vielerorts schon Realität. Sicher: Man kann die derzeitige Ausgestaltung der Bahnstreiks kritisieren. ## Sinnlose Appelle Was zählt in der öffentlichen Meinung, ist das Ressentiment, und in einer alternden Gesellschaft ist das Arbeitsvolumen in der Tat ein heikler Punkt. Der wird getriggert durch die Frage des Renteneintrittsalters und das Gerede über Vier-Tage-Wochen, mit denen Firmen um jungen Nachwuchs buhlen. Appelle wie „Arbeitet mehr!“ sind dabei allerdings genauso sinnlos wie das Anprangern von „faulen Arbeitslosen“ vor 20 Jahren zu Zeiten der strukturellen Massenarbeitslosigkeit. Denn so wenig wird gar nicht gearbeitet, ob bezahlt oder unbezahlt. Arbeitende Mütter und Väter müssen in der Kinderbetreuung immer wieder einspringen angesichts der Kita- und Schulmisere. Viele Erwerbstätige müssen schauen, wie sie die Betreuung alter Eltern mit ihrem Job verbinden. Immer mehr über 65-Jährige arbeiten. Es wird schon allerhand herumprobiert. Unnötig also, dass ein grüner Wirtschaftsminister die Ressentiments befeuert. Das verschwendet nur politische Energie. Können wir uns nicht leisten. 14 Mar 2024 ## LINKS (DIR) [1] /Wolfgang-Clement-gestorben/!5716814 (DIR) [2] /Wirtschaftsminister-gegen-kuerzere-Arbeit/!5998348 (DIR) [3] /Die-These/!5883362 (DIR) [4] /Tarifstreit-im-oeffentlichen-Dienst/!5916782 ## AUTOREN (DIR) Barbara Dribbusch ## TAGS (DIR) Arbeitszeit (DIR) Robert Habeck (DIR) Schwerpunkt Bahnstreik (DIR) Generation Z (DIR) GNS (DIR) Robert Habeck (DIR) Robert Habeck (DIR) Streik (DIR) Homeoffice (DIR) Arbeit ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Grüner Wirtschaftsminister: Macht, Mensch, Habeck Vom beliebtesten Politiker Deutschlands zum Sündenbock. Hat sich Robert Habecks Erfolgsrezept überlebt? (DIR) Habeck erklärt Energiekrise für beendet: Preise wieder auf Vorkriegsniveau Die Energieversorgung ist in jeder Hinsicht sicher, sagt der grüne Wirtschaftsminister. An Vorsorgemaßnahmen hält er fest. (DIR) Wirtschaftsminister gegen kürzere Arbeit: Habeck kritisiert Streiks Die Bahngewerkschaft GdL streikt für kürzere Arbeitszeit. Der grüne Bundeswirtschaftsminister sieht darin keine Option – es müsse mehr statt weniger gearbeitet werden. (DIR) Wandel der Arbeitswelt: Schaffe, schaffe, Päusle mache Der Arbeitsethos der Deutschen ist berühmt-berüchtigt. Doch nun wollen immer mehr Menschen flexibler und weniger arbeiten. Was ist da verrutscht? (DIR) Die These: Junge wollen nicht mehr arbeiten Mittwochs nur bis 14 Uhr, dann ist Yoga: Boomer-Kinder wollen selten in Vollzeit und freitags oft gar nicht arbeiten. Schuld sind auch die Eltern.