# taz.de -- Neues Trashpop-Album von The Sex Organs: Altbewährtes Nippelzwicken
       
       > Das Trashpunk-Duo The Sex Organs zeigt mit dem Album „We’re Fucked – the
       > ultimate Soundtrack to the Downfall“ der Apokalypse den Mittelfinger.
       
 (IMG) Bild: Verkleidet als Frau Vulva und Herr Penis: The Sex Organs
       
       Geschlechtsorgane werden oft synonym für Fortpflanzungsorgane verwendet.
       Fortpflanzung steht für Reproduktion und die wiederum steht für – um es
       abfällig zu formulieren – einen Abklatsch. So wie Kinder gewissermaßen ein
       Abbild ihrer Eltern sind, ist das Zürcher Duo The Sex Organs so etwas wie
       das ungehobelte Duplikat der [1][kalifornischen Garagenpunkband] The
       Mummies.
       
       Nach zehn Jahren Erdenmission sind die Schweizerin Jackie Brutsche und der
       Niederländer Bone zur bittersüßen Erkenntnis gekommen, dass die Menschheit
       am Abgrund steht und es keine Hoffnung mehr auf Besserung gibt. Beim
       Sackenlassen dieser Analyse, hilft gleich mal das zweite Album der Sex
       Organs: Denn „We’re Fucked – the ultimate Soundtrack to the Downfall“ ist
       der bündig zusammengefasste Albumtitel zur Weltlage.
       
       ## Konsequent verkleidet
       
       Bei der Diagnose gehen die beiden Künstler:Innen konsequent verkleidet
       zur Sache: Brutsche ist die zähnefletschende Vulva, Bone der einäugige
       Penis. Ja, ja, infantiler Humor mag man denken. Aber es gerät in
       Vergessenheit, dass [2][Punk immer auch bedeutet hat, sich nie zu ernst zu
       nehmen] und vor allem, dabei Spaß zu haben. Bitte also diese Maxime bei der
       bevorstehenden Apokalypse nicht vergessen!
       
       Denn die scheppernde Musik der Sex Organs steht sinnbildlich für
       [3][trashigen LoFi-Rock-’n’-Roll und schmierige
       Bad-Taste-B-Movie-Ästhe]tik. Folgerichtig lassen sich die beiden
       Musiker:Innen durch ihre menschlichen Sklaven – von ihrem Label Voodoo
       Rhythm Records – in genau diesem Science-Fiction-Spezifikum verkünden: Die
       zwölf Songs seien eine große Chance, die Menschheit doch noch vor dem
       Untergang zu retten!
       
       Oder, wie Bone im Interview mit der taz durch die Blume sagt: „Das Klügste,
       was man tun kann: Entweder selbst ficken oder sich ficken lassen.“ Die
       Songs der Sex Organs sind ergo vollkommen durchsexualisiert, sie rufen zum
       „Let’s fuck around“ auf, beschweren sich über „Hair in my mouth“ und
       bestrafen die, die nicht zuhören mit dem „Nipple Twister“.
       
       Ihr Leitmotiv ist eingängig und zwanglos: Hochrhythmische
       Klangentfaltungen, minimales, aber bärbeißiges Getrommel und rotzfreche,
       ungehobelte Texte. Da gibt es Wimpernschläge, bei denen man versucht ist,
       ein wenig müde mit den Augen zu rollen. Wobei „Where is My Dildo“ – eine
       Coverversion des Songs „I Want Candy“ von The Strangeloves – euphorisierend
       amüsiert. Aber ja, das überspitzte und direkte Songwriting ist primitiv –
       so wie die menschliche Faszination für Sex nun mal ist: Was soll denn der
       Song „Sexual Healing“ von Marvin Gaye auch sonst sein? Eben!
       
       ## Das große Warum
       
       Eine Frage stellt sich Bone dennoch: „Männer wollen immer die Drüse
       berühren und Frauen wollen immer ungefragt in die Vagina eintauchen.
       Warum?“ Gitarre, Schlagzeug, Gesang: Der Sound der Sex Organs ist auf das
       Wesentliche reduziert und funktioniert altbewährt.
       
       Für die Aufnahmen sind sie ins südfranzösische Toulouse gereist, um im
       Swampland Studio mit Produzent Lo’Spider zu arbeiten. Ein finsterer
       Schattenboxer ist auch dieser Toningenieur und Musiker. Bereits 1999 hatte
       er als Mitglied der Jerry Spider Gang den Stooges-Song „Cock in My Pocket“
       gecovert und damit vielleicht bereits das Vorspiel für The Sex Organs
       bereitet. Seine Arbeiten aus den Swampland Studios widmen sich dem
       Exotischen, dem Psychedelischen, dem tragischen Blues.
       
       Das passt. The Sex Organs versuchen nicht, das Rad neu zu erfinden, sondern
       fügen ihm „besonderen Geruch und Flüssigkeit hinzu“, erklärt Bone. Alles
       sei hoffnungslos ernst, daher will das Duo seine Zeit auf dem Planeten für
       anderes nutzen.
       
       So charmant The Sex Organs in ihrer DiY-Twanginess auch klingen, nichts
       davon passiert zufällig. Sie sind eine Konzeptband, die die Absurdität bis
       ins Äußerste reizt. Das Stop-Motion-Musikvideo zu „I Hate Underpants“, das
       Brettspiel zu ihrem Debütalbum „Intergalactic Sex-Tourists“, die
       Merchartikel – von Actionfiguren bis zu sexy Grußpostkarten. Alles ist
       liebevoll gestaltet und ins Detail verliebt.
       
       Das mag an Brutsches Ausbildung liegen, sie studierte an der Zürcher
       Hochschule der Künste Modedesign und Film. Als interdisziplinäre Künstlerin
       überlässt sie nichts dem Copyshop, sie konstruiert. Das macht The Sex
       Organs zwar ein bisschen vorhersehbar, und man sehnt sich manchmal nach –
       nun ja – etwas weniger Altbewährtem.
       
       1 Mar 2024
       
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