# taz.de -- Neue Korruptionsvorwürfe in Oldenburg: Einmal gearbeitet, zweimal kassiert?
       
       > Bei der Sanierung des ehemaligen Oldenburger Fliegerhorstes gibt es neue
       > Vorwürfe: Ein von der Stadt beauftragter Ingenieur soll doppelt kassiert
       > haben.
       
 (IMG) Bild: Hiermit soll Christoph E. doppelt kassiert haben: ehemaliger Fliegerhorst Oldenburg
       
       OLDENBURG taz | Der Internetauftritt von Christoph E. ist eher bescheiden.
       Auf wenigen Seiten beschreibt der promovierte Agraringenieur aus dem
       Ammerland in blauer Schrift auf hellgrauem Grund sich selbst und die
       Leistungen seines Büros für Boden- und Grundwasserschutz: „Altlasten,
       Bodenkunde, Deponieabdichtung und Gerichtsgutachten“.
       
       Das Geschäft läuft trotz der etwas sparsamen Internetpräsenz offensichtlich
       gut: Obwohl er schon das Ruhestandsalter erreicht hat, erarbeitet E. im
       Auftrag der Stadt Oldenburg Ausschreibungen zur Sanierung eines ehemaligen
       Militärgeländes, über das die taz bereits vor Kurzem wegen eines
       Korruptionsverdachts [1][berichtete].
       
       Nun zeigen sich auch bei Christoph E. Ungereimtheiten im Rahmen der
       Sanierung des Fliegerhorstes: Er soll nicht nur der Stadt, sondern auch dem
       ausführenden Unternehmen Rechnungen gestellt haben. Doppelt kassiert, beim
       Auftraggeber und beim Auftragnehmer.
       
       Der ehemalige Oldenburger Fliegerhorst, 300 Hektar groß, wird zur „Smart
       City Hellerheide“ – einem [2][neuen Stadtteil] für 3.000 Menschen. Aber
       dort, wo bis 2006 Kampfflugzeuge dröhnten, liegen noch Munition und
       Blindgänger aus dem [3][Zweiten Weltkrieg]. Der Boden ist zum Teil mit Öl,
       Flugbenzin und gefährlichen Schadstoffen verseucht.
       
       Seit rund sieben Jahren wird die komplette Fläche nach und nach metertief
       abgegraben, gesiebt und wieder verfüllt. Es sind lukrative Aufträge mit
       langfristiger Perspektive für spezialisierte Abbruchunternehmen. Nach
       eigenen Angaben hat die Stadt [4][Oldenburg] bis Ende 2023 bereits 20
       Millionen Euro nur für die Kampfmittelsondierung ausgegeben.
       
       ## Der Ingenieur prüft, die Stadt zahlt
       
       Der dafür zuständige „Fachdienst Projekt Fliegerhorst“ ist nun entgegen der
       Erwartung nicht im städtischen Bauamt angesiedelt, sondern bei der
       Wirtschaftsförderung – im Dezernat 1, direkt Oldenburgs Oberbürgermeister
       Jürgen Krogmann (SPD) unterstellt. Weil aber der Abteilung offensichtlich
       die fachliche Expertise fehlt, wurde Christoph E.s Büro für Boden- und
       Grundwasserschutz engagiert.
       
       E. bereitet die Vergaben für die Beseitigung der Altlasten und
       Kampfmittelsondierungen vor, überwacht die Arbeiten und prüft die
       Abrechnungen der Firmen auf Plausibilität. Das bestätigt die Stadt
       Oldenburg auf Anfrage der taz. Dazu soll er regelmäßig die bearbeiteten
       Flächen nach Länge, Breite und Tiefe vermessen sowie Drohnenaufnahmen des
       Geländes gemacht haben.
       
       Die Stadt musste anschließend nur noch zahlen. Das tat sie, selbst wenn die
       Summen weit über dem jeweiligen Angebotspreis lagen. In einem Fall soll
       sich die ursprünglich vereinbarte Summe von drei auf fast sieben Millionen
       Euro mehr als verdoppelt haben – kontrolliert und geprüft vom eigens
       engagierten Sachverständigen. Die Stadtverwaltung erklärt dazu, zu solchen
       Nachträgen könne es „bei einem gesteigerten Umfang der Arbeiten und
       aufgrund des Vorhandenseins von zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht
       bekannter Stoffe im Boden oder Schadstoffen in Gebäuden“ kommen. Die Höhe
       werde im Einzelfall „über konkrete Nachweise“ ermittelt.
       
       ## Baggerfahrer als Geldbote?
       
       Der Rahmenvertrag der Stadt mit dem Sachverständigen soll in den
       vergangenen fünf Jahren im Umfang mehrerer Zehntausend Euro vergütet worden
       sein. Nur gibt es allerdings auch eine Rechnung, die E. außerdem dem von
       der Stadt beauftragten Abbruchunternehmen, einer Firma aus der Nähe von
       Soest in Nordrhein-Westfalen, gestellt hat und der taz vorliegt. 6.000 Euro
       zuzüglich Mehrwertsteuer werden dort pauschal im Jahr 2022 berechnet, für
       „Bauvermessung, Absteckung sowie Dokumentation (Luftbilder von den
       Baufeldern entsprechend des Baufortschritts) im B-Plangebiet N777E-Süd
       (Teil1) auf dem Gelände des Fliegerhorstes Oldenburg“.
       
       Wie kommt das? E. will sich zu den Vorwürfen, beim Fliegerhorst doppelt
       kassiert zu haben, nicht äußern. Auch nicht, ob ihm das Abbruchunternehmen
       Anfang 2019 außerdem eine hochwertige Videodrohne geschenkt hat.
       
       Die Spezialfirma aus Soest wird obendrein von einem Baggerfahrer
       beschuldigt, ihn mehrmals als „Geldboten“ benutzt zu haben. Das erklärte
       der gebürtige Österreicher im Rahmen von Ermittlungen der Osnabrücker
       Staatsanwaltschaft, die in Niedersachsen Zentralstelle für
       Korruptionsstraftaten ist. Er habe insgesamt 25.000 Euro in bar
       weisungsgemäß an einen Mitarbeiter des Fachdienstes Projekt Fliegerhorst
       übergeben, in Briefumschlägen in fünf Tranchen.
       
       ## Volle Rechnung für halbe Arbeit
       
       Seit dem vergangenen November ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn
       und den städtischen Fachdienstmitarbeiter. Es gäbe „divergierende“
       Aussagen, heißt es zum Stand der Ermittlungen. Die Polizei war bereits
       mehrfach in den Diensträumen des städtischen Projektteams im ehemaligen
       Sanitätsgebäude am Rande des Oldenburger Fliegerhorstes.
       
       Hinzu kommt nun auch noch: Laut einem Dokument, das der taz vorliegt,
       besteht der Verdacht, angeblich sanierte Flächen seien nicht mal halb so
       tief ausgebaggert worden wie von der Firma abgerechnet. Auch ist von
       „freihändigen“ Auftragsvergaben ohne jede Ausschreibung die Rede – etwa
       beim Abriss einer Turnhalle und eines Werkstattgebäudes, den der unter
       Korruptionsverdacht stehende Stadtamtsrat ohne Ausschreibung an das
       Abbruchunternehmen vergeben haben soll. Die Stadt bestreitet das.
       
       Christoph E. ist weiter im Projekt tätig und die der Bestechung
       beschuldigte Firma hat sich bereits um einen neuen Auftrag beworben. Auf
       Anfragen der taz reagierte sie nicht.
       
       22 Mar 2024
       
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