# taz.de -- Militärische Ausbildung in der Ukraine: Sanfte Mobilmachung
       
       > Das Parlament in Kyjiw schafft es nicht, ein neues Gesetz zur
       > Mobilmachung zu verabschieden. Jetzt kümmert sich die Armee selbst um
       > neue Soldaten.
       
 (IMG) Bild: Ukrainische Zivilistin bei der Schulung an einer Panzerabwehrwaffe in einem Ausbildungszentrum der Armee, März 2024
       
       LUZK taz | Ukrainische Militärangehörige haben es satt, auf Nachschub und
       auf die Verabschiedung eines Mobilmachungsgesetz zu warten. Deshalb haben
       sie damit begonnen, selbst im Land nach Personal zu suchen. Mittlerweile
       lässt es sich als Tendenz erkennen, dass die Kampfbrigaden ihre eigenen
       Ausbildungszentren im Hinterland einrichten.
       
       Ein Beispiel für eine solch aktive Personalrekrutierung ist die 100.
       Wolhynische Brigade, die 2022 als Territorialverteidigungseinheit im
       westukrainischen Luzk gegründet wurde.
       
       Später wurde die Brigade [1][zum Kämpfen in den Osten geschickt]. Die taz
       konnte mit ihrem Pressesprecher Serhii Chominskyi auf dem Weg zu den
       Schulungsräumen sprechen.
       
       „Wir bieten Interessieren Schulungen an Kalaschnikows, am US-amerikanischen
       Panzerabwehrsystem Javelin und der schwedischen Panzerabwehrlenkwaffe Nlaw
       und dem tragbaren Flugabwehrraketensystem Stinger. Außerdem gibt es bei uns
       eine Pionierausbildung und einen Kurs für taktische Medizin.
       Einberufungsbescheide werden in unserem Zentrum nicht ausgestellt. Unser
       Ziel ist vielmehr, das Wissen der Zivilbevölkerung im Bereich militärische
       Angelegenheiten und die Grundlagen der landesweiten Wehrfähigkeit zu
       verbessern“, so Serhij Chominskyj.
       
       ## Eigeninitiative Rekrutierungen
       
       Die Militärs haben nicht aus Nettigkeit entschieden, dass sie ab sofort
       selbst nach neuen Rekruten suchen. Vielmehr haben die [2][schweren Kämpfen
       bei Kupjansk, Awdijiwka und Bachmut] im Osten der Ukraine in den letzten
       Monaten nicht nur bei den russischen Streitkräften zu enormen Verlusten
       geführt, sondern auch bei den ukrainischen. Trotzdem schafft es die
       Werchowna Rada, das ukrainischen Parlament, [3][seit über zwei Monaten
       nicht, ein Gesetz zur Verbesserung der Mobilisierung zu verabschieden]. Und
       die Gesellschaft ist unzufrieden mit der Arbeitsweise der
       Wehrpflichtkommissionen, die oft gezwungen sind, Rekruten mit Gewalt in die
       Armee zu zwingen.
       
       Alle Instruktoren im Ausbildungszentrum haben schwere Kämpfe an der
       Ostfront hinter sich. Sie bitten darum, nicht namentlich genannt zu werden,
       und bedecken ihre Gesichter, bevor sie fotografiert werden.
       
       Zur Zeit sind sie hier, im Hinterland. Ihr Ziel ist es, eine Kampfreserve
       vorzubereiten, damit die Menschen im zivilen Leben so gut wie möglich auf
       den nationalen Widerstand vorbereitet sind. Vielleicht werden einige von
       ihnen später in die Armee eintreten und sich dort dann sicherer fühlen.
       
       ## Training an Panzerabwehrwaffen
       
       An diesem Morgen nehmen fünf Zivilisten am Training teil. Sie werden am
       Nlaw-Panzerabwehr-Kompex geschult, das 12 Kilo schwer ist. Um das Ziel zu
       treffen, muss man es auf der Schulter platzieren und die verschiedenen
       Anwendungsmöglichkeiten kennen. Ausbilder Andrij hat früher bei Bachmut
       gekämpft und mit der Nlaw mehrere russische Panzer zerstört. Im
       Ausbildungszentrum werden die Ziele auf einem Monitor angezeigt. Dabei kann
       man echte Gefechtsgeräusche anschalten, um ein Gefühl für reale
       Kriegssituationen zu bekommen.
       
       Im Raum daneben steht ein Simulator des tragbaren Flugabwehrsystems
       Stinger. Ausbilder Andrij sagt, diese Waffe könne Ziele in der Luft aus
       einer Entfernung von bis zu viereinhalb Kilometern treffen. Den richtigen
       Umgang damit zu lernen, nehme ein paar Wochen Zeit in Anspruch, aber an
       einem Tag kann man sich zumindest schon einmal mit der Technik vertraut
       machen.
       
       ## Werbeveranstaltungen in Innenstädten
       
       Während Andrij durchs Ausbildungszentrum führt, baut sein Kollege, Major
       Kostjantin Bajtschuk gerade ein Zelt auf dem zentralen Platz der in der
       nahegelegenen Stadt Luzk auf. Dort soll später eine mobile
       Rekrutierungsgruppe arbeiten. Auch sie stellt aber keine
       Einberufungsbescheide aus, sondern soll Passanten über die Möglichkeiten
       des Dienstes in der 100. Brigade informieren, z.B. darüber, welche Berufe
       dort benötigt werden und wie die Ausbildung abläuft.
       
       „Die wichtigste Botschaft dieser Veranstaltung ist: geht zu euren Leuten,
       verteidigt euer Land gemeinsam mit den Menschen, mit denen ihr hier
       zusammen lebt“, erklärt Major Bajtschuk
       
       Ähnliche Werbemaßnahmen unternimmt auch eine andere, angesehen
       Kampfeinheit, die Dritte Sturmbrigade. Sie setzt auf persönliche
       Begegnungen mit Soldaten. Die Brigade hat ein eigenes Ausbildungszentrum in
       Lwiw (Lemberg) eröffnet und plant im März Werbeveranstaltungen in mehr als
       20 ukrainischen Städten.
       
       „Jeder kann bei diesen Veranstaltungen die Einheit und den Geist der
       Brigade kennen lernen. Wir informieren über freie Stellen und die Vorzüge
       des Dienstes in unserer Brigade. Auf alle Fragen wird es nur ehrliche
       Antworten geben, es ist nur eine 'sanfte Mobilmachung’, wir werden sie über
       die Möglichkeiten, die freien Stellen und die Vorteile eines Dienstes in
       der Dritten Sturmbrigade informieren. Nur ehrliche Antworten auf alle
       Fragen und nur ‚sanfte Mobilisierung‘“, so der Major.
       
       Aus dem Ukrainischen [4][Gaby Coldewey]
       
       9 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Aktuelle-Lage-in-der-Ukraine/!5963634
 (DIR) [2] /Krieg-gegen-die-Ukraine/!5992864
 (DIR) [3] /Mobilisierung-in-der-Ukraine/!5978356
 (DIR) [4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juri Konkewitsch
       
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