# taz.de -- Zwei Jahre Xiomara Castro in Honduras: Zwischen Frust und Hoffnung
       
       > Als Xiomara Castro 2022 Honduras' erste Präsidentin wurde, galt sie als
       > Hoffnungsträgerin. Doch ihre bisherige Bilanz ist mager.
       
 (IMG) Bild: Präsidentin Xiomara Castro bei einem Auftritt 2021
       
       TEGUCIGALPA taz | Fernando García denkt positiv. Der ehemalige
       Wirtschaftsminister gehört zum erweiterten Beraterstab von [1][Präsidentin
       Xiomara Castro], und wie Tausende andere war der 76-Jährige am 27. Januar
       auf den Straßen von Tegucigalpa unterwegs, um an der Demonstration
       teilzunehmen, zu der Libre aufgerufen hatte, die Partei der Präsidentin.
       Mit hunderten Bussen waren die Anhänger in ihren roten bedruckten T-Shirts
       angereist, die Stimmung war gut und für Getränke und Verpflegung hatte die
       Partei gesorgt. Bilder, die an kubanische Aufmärsche erinnern, und ähnlich
       vollmundig muteten auch die Reden von Xiomara Castro an, die nicht müde
       wird, die Refundación in Aussicht zu stellen, die Neugründung der Republik
       Honduras.
       
       Doch davon ist zwei Jahre nach ihrem Amtsantritt recht wenig zu sehen.
       Immer wieder stand die Regierung Castro einer geschlossenen Opposition
       gegenüber, die Reformen blockierte und alles andere als konstruktiv
       agierte.
       
       „Vor allem die konservative Nationale Partei von Ex-Präsident [2][Juan
       Orlando Hernández] hat sich einer Blockadepolitik verschrieben, die viele
       Initiativen scheitern ließ“, analysiert Padre Melo. Der Jesuitenpater aus
       El Progreso, einer Mittelstadt zwischen der Industriemetropole San Pedro
       Sula und der Hauptstadt Tegucigalpa, ist ein bekannter kritischer Geist.
       Jahrelang stand er nicht nur [3][ERIC-SJ] vor, einem politischen Thinktank
       und Forschungsinstitut, sondern auch [4][Radio Progreso], dem populären
       Radiosender, der die Strukturen im Land immer wieder kritisch unter die
       Lupe nimmt.
       
       Daran hat sich nichts geändert, und darauf regiert die Regierung von
       Xiomara Castro empfindlich: „Wir haben keinen Kontakt zu den
       Kommunikationsverantwortlichen der Regierung, sind außen vor. Es gibt nur
       ein ‚mit uns‘ oder ein ‚gegen uns‘,“ kritisiert Padre Melo die wenig
       progressive Kommunikationsstrategie der Regierung. Die schaffe es obendrein
       nicht, die Erfolge, aber auch die Probleme der Regierung zu vermitteln, sie
       hole ihre Wähler:innen nicht ab, polarisiere unnötig, kritisiert der
       populäre Padre.
       
       ## Korruption gehört noch immer zum Alltag
       
       Mit dieser Einschätzung ist Ismael Moreno, so der bürgerliche Name des
       Padre, nicht allein. Auch Journalistinnen wie Dina Meza oder Anwälte wie
       Rita Romero, die die Umweltaktivistinnen aus Guapinol vertritt, attestieren
       der Regierung, sich eingeigelt zu haben und auf Kritik empfindlich zu
       reagieren. Doch die kommt zwangsläufig, denn die Regierung von Xiomara
       Castro ist mit vielen Versprechungen in den Wahlkampf gegangen, von denen
       viele noch auf Umsetzung warten oder bereits wieder vom Tisch sind.
       
       Letzteres gilt für die Ankündigung vom Januar 2022, das mittelamerikanische
       Land frei von Bergbau zu machen – ähnlich wie im benachbarten Costa Rica.
       „Doch hier ist das Gegenteil der Fall. Hier wird Bergbau in einem
       Schutzgebiet stillschweigend geduldet und zusätzlich ein Kraftwerk geplant,
       das Schweröl-Reste energetisch nutzen will“, kritisiert der Umweltaktivist
       Reinaldo Domínguez aus Guapinol. Zwei Brüder von ihm wurden im Jahr 2023
       ermordet, seitdem hat er sich wie etliche andere Aktivist:innen in das
       sichere El Progreso zurückgezogen, wo Jesuitenpadre Melo zu helfen
       versucht.
       
       Dafür wäre eigentlich das Ministerium für Menschenrechte verantwortlich,
       die Secretaria de Derechos Humanos. Doch die gibt seit Amtsantritt ein
       verheerendes Bild ab. Mitte Januar haben 45 Menschenrechtsorganisationen in
       einem [5][offenen Brief] die Defizite benannt und um einen Personalwechsel
       gebeten. Natalie Roque, Freundin der Präsident:innen-Familie, soll weichen.
       Wenig wahrscheinlich in einem Land, wo Seilschaften, Patronage-System und
       Korruption seit Jahrzehnten zum politischen Alltag gehören.
       
       Daran lässt auch Enrique Barrientos keinen Zweifel. Der schnauzbärtige Mann
       ist froh, dass die Regierung bis dato kein Korruptionsskandal erschüttert
       hat. „Das ist positiv, früher gab es jede Woche einen. Heute funktioniert
       das Gesundheitssystem leidlich. Nur bei der Medikamentenversorgung herrscht
       Ebbe“, stöhnt der Mann, der seine Mutter zweimal die Woche zur Dialyse
       fährt, sein Geld mit Taxifahren verdient und hofft, dass im dritten Jahr
       der Regierung endlich der Durchbruch kommt.
       
       ## Die Massenauswanderung geht weiter
       
       Dafür stehen die Weichen gar nicht so schlecht, denn die Etats für die
       Reparatur der maroden Infrastruktur sind bewilligt, im Parlament hat Libre
       eine Koalition mit der Liberalen Partei beziehungsweise Teilen davon
       ausgehandelt und wird fortan eine einfache Mehrheit haben und so
       handlungsfähiger sein als in den vergangenen zwei Jahren. Das könnte den
       Reformstau lösen, und das hoffen auch die Anhänger der Präsidentin, die
       gern mit dem Sozialismus des 21. Jahrhunderts werben.
       
       So auch am 27. Januar, als Zehntausende mit Fahnen und in knallroten
       Libre-Shirts durch das Zentrum von Tegucigalpa marschierten und ihre
       Präsidentin feierten. Die wisse doch kaum, was im Land passiere,
       kritisieren die anderen, die sich enttäuscht von der ersten Frau im
       Präsidentenpalast abgewendet haben, weil sie weder schnell noch wie
       versprochen geliefert habe. „Wo bleiben denn die Justizreform, die
       UN-Kommission gegen Straflosigkeit und Korruption, die mit den Vereinten
       Nationen vereinbart ist, oder die Sozialprogramme, um die Auswanderung zu
       bremsen?“ kritisiert die Sozialarbeiterin Nidia, die ihren Nachnamen lieber
       nicht preisgeben will. Versprechen, die Xiomara Castro allesamt im
       Wahlkampf gegeben hat und an denen sie im 10,4-Millionen
       Einwohner:innen-Land gemessen wird.
       
       Fast 200.000 Menschen haben 2023 das Land Richtung USA verlassen. Der
       [6][permanente Aderlass] schlägt sich während der Kaffeeernte bereits in
       fehlenden Erntehelfer:innen in Regionen wie Marcala nieder. In einigen
       Dörfern drohen die Kaffeekirschen an den Arabica-Sträuchern zu vertrocknen.
       Der Supergau für die Kaffeebäuer:innen.
       
       Doch es fehlt an Programmen, um in den Anbauregionen Arbeitsplätze auch
       neben der Erntephase zu generieren. Verantwortlich dafür ist der Mangel an
       qualifizierten Personal, um derartige Programme zu entwickeln, mutmaßen
       Geschäftsführer von Kaffee-Genossenschaften, die lieber anonym bleiben
       wollen. Kaffee ist das wichtigste Exportprodukt des Landes.
       
       ## Die Reform der Justiz lässt auf sich warten
       
       Das dämpft die Stimmung im Land, und dazu trägt auch die Tatsache bei, dass
       die Regierung nur zögerlich und oft nur partiell informiert, wie weit die
       Verhandlungen mit den Vereinten Nationen gediehen sind, die eine
       [7][Kommission zur Bekämpfung von Korruption und Straflosigkeit] ähnlich
       wie ab 2007 in [8][Guatemala] schicken soll.
       
       Viele Honduraner:innen sehen externe Hilfe als einzige Chance, um die
       festgefahrene Justiz wieder in Bewegung zu bringen. Doch daran haben längst
       nicht alle Interesse, wie die Neubesetzung der Generalstaatsanwaltschaft
       zeigt: Zwischen August und Oktober lieferten sich die
       Parlamentarier:innen Streitigkeiten bis zu Handgreiflichkeiten, weil
       sie sich nicht auf einen oder eine der fünf Kandidat:innen einigen
       konnten.
       
       Seit dem 1. November vergangenen Jahres führt mit Johel Zelaya ein
       Übergangskandidat das Amt aus. Der Mann aus dem Libre-Umfeld gilt als
       ehrlich und qualifiziert. Das ist nach den acht Jahren seines hochkorrupten
       Vorgängers schon ein immenser Fortschritt.
       
       Doch erste Reformen lassen noch auf sich warten, und so hofft das Land
       weiterhin auf die UN-Kommission. Die wird laut Experten in diesem Jahr
       kommen – nur wann, ist vollkommen offen.
       
       13 Mar 2024
       
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