# taz.de -- Album und Konzerte von Johnny Dowd: Spediteur des Countrysounds
       
       > US-Singer-Songwriter Johnny Dowd kommt mit seinem neuen Album „Is Heaven
       > Real? How Would I Know“ für zwei Konzerte nach Deutschland.
       
 (IMG) Bild: Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass Johnny Dowd nochmal als Möbelpacker schuftet
       
       Mit leicht angeschrägtem, wie aus dem Ärmel geschüttelten Pianolauf beginnt
       „Is Heaven Real? How Would I Know“, das neue Album von Johnny Dowd. Das
       Piano des US-Singer-Songwriters wird in den nächsten 41 Minuten steter
       Begleiter werden, zu ihm gesellen sich eine quecksilbrige Fiddle und
       Blechperkussion.
       
       In schwerem Südstaaten-Akzent singt der 76-jährige Künstler ein
       Eifersuchtsdrama, und schon ist man drin in der Welt Johnny Dowds, [1][dem
       der US-Musikautor und Dylanologe Greil Marcus] einmal bescheinigte, das
       schlechte Gewissen von Country zu verkörpern.
       
       [2][Countrymusik ist nur eines der Genres], die Johnny Dowd seit drei
       Jahrzehnten für seine Songs heranzieht. „Is Heaven Real?“ ließe sich als
       Dowds Version und Vision von Soul beschreiben. Die Musik klingt nach
       Sonnenstrahlen im Staub und Eiswürfeln im Glas, es ist Dowds Album Nummer
       19 und dabei sein erstes Vollzeit-Vinyl. Bis jetzt hat er, von einigen
       Singles abgesehen, nur CDs herausgebracht, nicht wenige davon auf seinem
       eigenen Label. Bis zur Pandemie hat der Musiker im Brotberuf als
       Umzugsspediteur gearbeitet. Seitdem malt er.
       
       ## Der Spätberufene
       
       Dowd debütierte erst Mitte der 1990er mit „Wrong Side of Memphis“, zunächst
       gab es das Album nur als Tape. „Is Heaven Real?“ ist nun in der
       Musikhochburg eingespielt. Musikalisch liegen zwischen den beiden Alben
       Welten. „Wrong Side of Memphis“ ist der Johnny Dowd, wie er in der
       Folgezeit in den Feuilletons besprochen wurde, ein mit den Nachtseiten der
       menschlichen Existenz vertrauter Künstler, der das mittels eines äußerst
       experimentierfreudigen Countryblues kanalisierte.
       
       Das Folgealbum „Pictures From Life’s Other Side“ stand dem in nichts nach,
       war aber kompakter produziert. „Temporary Shelter“ geriet zu [3][Dowds
       Reise ins Herz der Finsternis], auch „The Pawnbroker’s Wife“ sang keine
       Oden an die Freude. Doch mit „Cemetery Shoes“ (2004) kam mehr und mehr zum
       Tragen, was bei Dowd bereits angelegt war: beißender Humor.
       
       2006 dann veröffentlichte der Singer-Songwriter aus Oklahoma „Cruel Words“,
       immer noch keine Partymumusik, auch wenn Dowd auf diesem Album eine
       weitreichende stilistische Entscheidung treffen sollte, er setzte auf
       Funkrhythmen und Synthesizerflächen von Drummer Brian Wilson (kein
       Künstlername!) und Organist Alex Perialas.
       
       ## Chuck Berry meets Black Sabbath
       
       Dowd’scher Eklektizismus machte es möglich, dass „Cruel Words“ mit „Johnny
       B. Goode“ ausklang und dabei Chuck Berry mit dem Black-Sabbath-Klassiker
       „Iron Man“ kurzschloss. Auf dem Album gastierten Sally Timms und Jon
       Langford von den Mekons. Die britische Postpunk-Band, die es Mitte der
       achtziger Jahre über den großen Teich gezogen hat, ist im unorthodoxen
       Zugriff auf nordamerikanische Traditionsmusik seit jeher geistesverwandt
       mit Dowd.
       
       Werke wie „A Drunkard’s Masterpiece“, „Wake up the Snakes“ und „No
       Regrets“, alle drei mit der Sängerin Kim Sherwood-Caso, brachten mehr
       abgründige Groovemusik. Auch auf „Is Heaven Real? How Would I Know“, das
       Cover ist von Jon Langford gestaltet, bleibt Dowd seinen Themen treu. Seine
       Housewives sind immer noch desperate und seine Handlungsreisenden
       Untergeher, doch kommt jetzt eine gewisse Gelassenheit zum Tragen.
       
       Der Humor ist immer noch skurril: Den liebeskranken Protagonisten von „Ice
       Pick“ zu Trotzki in seinem letzten Moment werden zu lassen, muss man erst
       einmal bringen. „Pillow“, das mit Kirmesmusik gemachte Geständnis, Sartre
       nie verstanden zu haben, und „LSD“, die Antwort auf die philosophische
       Misere, bilden eine Klammer.
       
       „Is Heaven Real? How Would I Know“ schließt mit einem achtminütigen Finale:
       „Black and Shiny Crow“ bündelt das Album und zitiert „Preachin’ the Blues,
       Part 1“ von Son House, Kirchenvater des Blues. Johnny Dowds Collage ist
       eine Hommage. Dabei trägt ihn die Band.
       
       Für die Songs des Albums sind das neben seiner Schwester Jif Dowd
       (Schlagzeug) und Mike Edmondson (Gitarre) die Country-Punks und Folkmusiker
       Will Sexton (Gitarre), Amy LaVere (Bass, Gesang), Rick Steff (Piano), Alex
       Greene (Orgel, Posaune), Jim Spake (Saxofon), Krista Lynne Wroten (Fiddle,
       Gesang) plus Will McCarley und Shawn Zorn (Perkussion). Freude ist möglich,
       vor dem Himmel.
       
       26 Mar 2024
       
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