# taz.de -- Vater von Hanau-Opfer über Gerechtigkeit: „Jede einzelne Behörde hat versagt“
       
       > Bei dem rassistischen Anschlag in Hanau verlor Armin Kurtovic seinen
       > Sohn. Mehr als vier Jahre später kämpft er immer noch um Gerechtigkeit.
       
 (IMG) Bild: „Man kann das nur Staatsversagen nennen“
       
       Taz: Herr Kurtovic, vier Jahre nach dem rassistischen [1][Anschlag in
       Hanau], bei dem ihr Sohn Hamza und acht weitere Menschen von einem
       Rechtsterroristen ermordet wurden, fordern Sie immer noch Konsequenzen für
       die Verantwortlichen. Dafür haben Sie auch eine Spendenkampagne gestartet.
       Wie läuft die? 
       
       Armin Kurtovic: Wir sind gerade kurz vor vor der Hälfte angekommen. Das
       Ziel sind 85 Tausend Euro, derzeit haben wir knapp 40.000 Euro zusammen. Da
       fehlt also noch was.
       
       Wofür brauchen Sie das Geld?
       
       Für die Anwaltskosten, Gerichtskosten und Reisekosten. Ich habe die ganze
       Arbeit in den vergangenen Jahren aus Eigenmitteln gestemmt. Das kann ich
       nicht mehr. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.
       
       Welchen? 
       
       Wir werden jetzt ein Klageerzwingungsverfahren einleiten. Wir wollen die
       Staatsanwaltschaft dazu zwingen, die Ermittlungen erneut aufzunehmen. So
       wurden zum Beispiel mehrere Zeugen nicht gehört, die Auskunft über den
       Notausgang der Arena-Bar geben können und warum der offenbar auf
       polizeiliche Anordnung verschlossen gewesen war.
       
       Von der Stadt Hanau sind Sie enttäuscht? 
       
       Ich wohne immer noch in derselben Wohnung wie vor dem Anschlag. Ich gucke
       jeden Tag auf das Täter-Haus, das ist sehr belastend. Ich habe von der
       Stadt keine andere Wohnung bekommen. Ich habe nichts bekommen von der
       Stadt. Der Bürgermeister und die Stadt Hanau ist aber mitverantwortlich für
       das, was passiert ist und das gestehen sie bis heute nicht ein.
       
       Bis die das getan haben, geben Sie keine Ruhe? 
       
       Die Stadt und der Oberbürgermeister instrumentalisieren den Tag des
       Attentats, den 19. Februar, mit den ganzen Gedenkveranstaltungen. Der
       Bürgermeister lädt 200 Menschen ein, das Grab meines Kindes zu besuchen.
       Gegen meinen Willen! Ist er betroffen? Wenn er so an der Aufklärung
       interessiert wäre wie an dem Schauspiel, das er da abgeliefert hat, dann
       würde er Konsequenzen folgen lassen. Der hatte sogar den Rücktritt von
       Hessens Innenminister Peter Beuth gefordert. Als er dann aber selbst in der
       Kritik stand wurde er still. Er ist mitverantwortlich dafür, dass der
       Notausgang in der Arena Bar verschlossen war. Man kann das nur
       [2][Staatsversagen] nennen. Es hat jede einzelne Behörde, die involviert
       war, versagt. Das steht auch im Abschlussbericht vom
       Untersuchungsausschuss.
       
       Warum hat dieser [3][Ausschuss] keine Konsequenzen gezeigt?
       
       Das frage ich mich auch. Anscheinend war er nur dazu da, um das ganze in
       die Länge zu ziehen und politisches Kapital aus der Episode zu schlagen.
       Letztendlich hat ja niemand Konsequenzen gezogen oder Verantwortung
       übernommen.
       
       Wieso nicht? 
       
       Die Stadt Hanau und die Polizei wollen nur den Schaden für sich selbst
       gering halten. Genau vor einem Jahr habe ich den amtierenden hessischen
       Ministerpräsidenten Boris Rhein in Wiesbaden getroffen. Er hatte meine
       Familie eingeladen. Ich habe ihm die neuen Erkenntnisse und Beweise
       vorgelegt. Er war wütend und hatte mir versprochen, dass es unabhängig
       untersucht wird. Schließlich können ja hessische Behörden nicht gegen sich
       selbst ermitteln. Er hat sein Versprechen aber gebrochen, passiert ist rein
       gar nichts. Beim Blick in die Vergangenheit, bei der Aufarbeitung des
       [4][Terror der NSU] beispielsweise, war es doch genauso. Nach jahrelangen
       Verhandlungen war am Ende das Ergebnis für die Angehörigen der Opfer mehr
       als enttäuschend, weil letztlich nichts aufgeklärt wurde. Aber das kann
       doch nicht sein. Es muss doch ein Interesse geben, die kaputten Stellen in
       den eigenen Reihen zu finden, um sie zu reparieren. Aber reparieren kann
       man nichts, wenn man nicht weiß, was kaputt ist.
       
       Sie kämpfen jetzt schon sehr lange um Aufklärung und für Konsequenzen. Wie
       weit würden sie gehen, um für Gerechtigkeit zu sorgen?
       
       Bis nach Straßburg! Vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
       Ein paar Hürden werden wir noch nehmen müssen, auch das
       Bundesverfassungsgericht. Spätestens in Straßburg erhoffen wir uns dann
       Aufklärung.
       
       Und dann? 
       
       Dann hoffe ich, dass die Verantwortlichen endlich Verantwortung übernehmen.
       Ich erwarte ja nicht, dass man jemanden aufhängt. Ich gebe nur wieder, was
       der parlamentarische Untersuchungsausschuss hervorgebracht hat.
       Beispielsweise die Feststellung, dass die [5][Waffenbehörde] den Mörder
       nicht überprüft hatte. Der Typ hätte niemals Waffen bekommen dürfen! Wir
       leben doch hier in einem Rechtsstaat, so wurde es mir zumindest in der
       Schule beigebracht. Vor dem Gesetz sind wir alle gleich, die Würde des
       Menschen unantastbar. Das will ich jetzt auch sehen.
       
       Wenn Sie spenden wollen können sie die Kampagne von [6][Armin Kurtovic] auf
       der Plattform [7][commonsplace.de] unterstützen: 
       
       [8][https://commonsplace.de/project/hanau-klagen]
       
       28 Mar 2024
       
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