# taz.de -- Leverkusens Meistertrainer Xabi Alonso: Angriff im Zentrum
       
       > Bayer-Coach Xabi Alonso hat fast alles richtig gemacht und wird von fast
       > allen gemocht. Wie ist ihm das gelungen?
       
 (IMG) Bild: Glückskind: Trainer Xabi Alonso nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft
       
       Es gibt vielleicht [1][drei Männer über vierzig, die weiße Sneakers tragen
       dürfen], ohne zum allgemeinen Gespött zu werden; und einer davon ist Xabi
       Alonso. Überhaupt scheint Xabi Alonso so eine Art Disney-Prinzessin zu
       sein, der die Sympathien aller Menschen und der meisten Tiere zuzufliegen
       scheinen.
       
       Es ist nicht nur der Erfolg, der ihn liebenswert macht – um ehrlich zu
       sein, sind Erfolge mit Bayer Leverkusen für die meisten Fußballfans eher
       Grundlage für tiefe Abneigung –, sondern auch die Art, wie er Erfolg und
       Sneakers trägt: mit einer selbstverständlichen, gleichermaßen coolen wie
       auch uneitlen Attitüde eines Menschen, dem das eigene Menschsein geheuer
       ist. [2][In dem Punkt ist er Kate Middleton nicht unähnlich.]
       
       Xabi Alonso hat als Spieler eine Weltkarriere hinter sich und als Trainer
       eine Weltkarriere vor sich; darüber sind sich alle einig. Er kam nach
       Leverkusen, da stand der Verein auf einem grässlichen 17. Rang und hatte
       die Saison standesgemäß damit begonnen, in der ersten DFB-Pokalrunde gegen
       Elversberg rauszufliegen.
       
       Vier Tore hat der Drittligist einem Team eingeschenkt, von dessen
       Abwehrreihe inklusive Torhüter vier Fünftel in der jetzigen Meistersaison
       immer noch zum Stamm zählten. Aber es hat eben einen Xabi Alonso gebraucht,
       um das gesamte Team derart auszubalancieren, dass es zu dieser
       symphonischen Harmonie finden konnte.
       
       Möchte man unbedingt in fußballerischen Revolutionen denken, dann könnte
       man Xabi Alonso eine Wiederentdeckung des 10ers andichten, um seine Art des
       Fußballs auf den Sockel zu heben. Denn obwohl zu den spektakulärsten
       Spielern dieser Saison die beiden wahnwitzigen Außenverteidiger Jeremie
       Frimpong und mehr noch Alejandro Grimaldo gehören, zeichnet sich Alonsos
       Stil durch eine gewisse Mittigkeit aus.
       
       In den von ihm präferierten Systemen, das flachere 4-4-3 und das etwas
       aufgefächertere 4-2-3-1, läuft der Ball möglichst lang in der Zentrale
       entlang, und je nach Spielsituation übernehmen es entweder Granit Xhaka
       oder Florian Wirtz, den entscheidenden Impuls zu setzen. Lustig, dass
       Leverkusen ausgerechnet gegen Bremen die Meisterschaft eintütete, denn von
       der Spielanlage her atmet dieses Team durchaus etwas Johan-Micoud-haftes.
       
       ## Hänsel und Gretel
       
       In der Weitwinkelperspektive ist es weniger verwunderlich, dass Xabi Alonso
       verkündet hat, keinen der ihm angebotenen vakanten Posten beim FC Bayern
       oder bei Liverpool anzunehmen. Bei Bayern nicht, weil da jetzt offenbar
       Hänsel und Gretel in der Chefetage sitzen und bei jeder Gelegenheit einen
       Trainer in den Ofen stoßen. Und bei Liverpool nicht, weil der Ansatz Jürgen
       Klopps, Gegenpressing sei der beste Spielmacher, eines der Gegenstücke zu
       Xabi Alonsos Idee einer Spielanlage ist.
       
       Xabi Alonso hat ja außerdem Zeit, und er hat auch noch ein bisschen etwas
       vor. Der Titelgewinn mit Bayer ist sicherlich historisch, aber eben mehr in
       dem Sinn, wie es die Havarie der „Costa Concordia“ in der Liste der
       Geschichte der Schiffsunglücke ist. In zwanzig Jahren wird man sagen: Ach,
       da war ja was, stimmt, stimmt – und wissend nicken.
       
       Außer natürlich, Xabi Alonso setzt seine Mission fort: In der Euroleague
       hat die Mannschaft gute Chancen aufs Halbfinale, nachdem im Hinspiel West
       Ham in den allerletzten Minuten niedergerungen wurde. Das ist ja auch
       überhaupt eine Eigenschaft dieses Teams: Last-Minute-Siege.
       
       Das ist vielleicht das zauberhafteste an ihm: dass es im Jahr des großen
       Bahnstreiks wirkte, als kriegte es jeden Anschlusszug.
       
       Und dann wäre da noch das Pokalfinale gegen den 1. FC Kaiserslautern, der
       kurz vor dem Abstieg in die dritte Liga steht. Leverkusen hat dieses Jahr
       noch kein Pflichtspiel verloren, und wie schön wäre es, das bliebe bis zum
       Endspiel in Berlin so, um sich dann gegen den 1. FCK eine derbe Niederlage
       einzufangen – das jedenfalls wäre sicher einen eigenen Eintrag in die
       Fußballgeschichtsbücher wert.
       
       17 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.menshealth.de/mode/weisse-sneaker/
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Xabi_Alonso
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frédéric Valin
       
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