# taz.de -- Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus: Auf den Spuren von Klaus Wowereit
       
       > CDU und SPD drücken sich im Parlament vor Haushaltsdebatte. Finanzsenator
       > drängt auf „Mentalitätswechsel“. Das gab es schon bei der Bankenkrise
       > 2001.
       
 (IMG) Bild: Mangels Haushaltsdebatte präsentierten Grüne und Linkspartei ihre Kritik an Schwarz-Rot ein paar Meter neben dem Plenarsaal
       
       BERLIN taz | Das Abgeordnetenhaus bietet seinen Mitgliedern und Besuchern
       einen nützlichen Service: Neben dem Rednerpult steht auf zwei Anzeigetafeln
       nicht nur, wer spricht, sondern auch der jeweilige Tagesordnungspunkt. Wer
       zwischenzeitlich zu viel aufs Handy guckt oder wegnickt, ist mit einem
       Blick wieder im Bilde. Doch als am Donnerstagmorgen der erste Redner dort
       steht, scheint das nicht zu klappen. „Aktuelle Stunde“, sagt die
       Anzeigetafel, und dass es um Wissenschaftspolitik geht – doch der Redner
       spricht von Michael Müller und dass der nicht nur Regierungschef, sondern
       auch Wissenschaftssenator war und in diesem Feld manches anstieß. Wohl
       wahr, aber überhaupt nicht aktuell – Müller [1][schied Ende 2021 aus beiden
       Ämtern aus].
       
       Die Anzeigen sind natürlich nicht defekt, und der SPD-Abgeordnete Marcel
       Hopp, der sich da ans Rednerpult gestellt hat, übernimmt für seine Fraktion
       schlicht den Job, das seit langem drängende, in dieser Woche mehr denn je
       aktuelle Thema der Landesfinanzen zu vermeiden. Denn am Montag hat die
       schwarz-rote Koalition Journalisten einen Weg präsentiert, größeren Streit
       bei milliardenschweren Einsparungen im Haushalt – unter dem Kürzel „PMA“
       [2][seit dem Haushaltsbeschluss Ende Dezember] berüchtigt geworden – noch
       mal einige Zeit aufschieben zu können.
       
       Statt 5,9 Prozent ihrer jeweiligen Etats sollen die Senatsverwaltungen nur
       2 Prozent einsparen müssen. Das sind 557 Millionen. Den große Rest, nämlich
       1,2 Milliarden, soll aus Haushaltsposten kommen, die in diesem Jahr
       absehbar nicht ausgegeben werden.
       
       Für Grüne und Linkspartei ist das nicht viel mehr als eine im kleinen Kreis
       verabredete Vertagung wichtiger Entscheidungen. Aus ihrer Sicht hätte
       Regierungschef Kai Wegner (CDU) mit einer Regierungserklärung ans
       Rednerpult treten müssen. Auch eine Aktuelle Stunde zum Haushalt wäre
       möglich gewesen – die Grünen haben das seit Januar schon mehrfach
       vergeblich gefordert. Stattdessen läuft nun eine inaktuelle Stunde zur
       Wissenschaftspolitik.
       
       ## Grüne: „Wir sind schlicht sauer“
       
       Die Fraktionsvorsitzenden von Grünen und Linkspartei hatten darum kurz vor
       Sitzungsbeginn zu einem kurzen Medientermin neben dem Plenarsaal geladen,
       um dort mangels Debatte drinnen ihren Ärger loszuwerden. „Wir sind schlicht
       sauer“, ist dabei von der Grünen Bettina Jarasch zu hören. CDU und SPD
       hätten „im Hinterzimmer über die Landesfinanzen beraten“. Kai Wegner drückt
       sich aus ihrer Sicht vor erklärenden Worten – „so regiert man keine Stadt.“
       Ihr Chefkollege Werner Graf spricht von einer „Missachtung des Parlaments“.
       
       Nüchterner drückt es Anne Helm von der Linksfraktion aus: „Das Parlament
       muss die Möglichkeit des Austauschs darüber haben.“ Schwarz-Rot sei „der
       schlechteste Senat seit Diepgen (der bis 2001 regierte, Anm. d. Red.)“,
       urteilt ihr Chefkollege Carsten Schatz. Nach sieben Minuten rücken die vier
       ab, ohne Rückfragen zuzulassen – „wir gehen ins Plenum und wir werden
       Fragen stellen“, kündigt Jarasch an.
       
       Dazu ist Gelegenheit in der Fragestunde, die auf die Aktuelle Stunde folgt.
       An Finanzsenator Stefan Evers (CDU) bleibt die Antwort hängen. Er redet von
       einem wesentlichen Schritt Richtung Planungssicherheit – die sehen die
       Grünen bei freien Trägern etwa in der Jugendhilfe gefährdet.
       
       Manche von Evers’ Worten klingen so, als würden sie sich nicht an die
       Opposition, sondern an die eigenen Reihen von CDU und SPD richten – als sei
       dort der Ernst der Lage noch nicht angekommen. Von einem nötigen
       „Mentalitätswechsel“ spricht er, wie schon am Dienstag in der
       Pressekonferenz nach der Senatssitzung. Das ließe sich als Zitat werten:
       2001 hatte der damals zum Regierungschef avancierte Klaus Wowereit (SPD)
       [3][einen Mentalitätswechsel wegen der bislang größten Finanzmisere des
       Landes gefordert] und wiederholt beschworen. Aus Grünen-Sicht würde das
       passen: Jarasch hat vor der Sitzung die Finanzlage eingestuft als „so
       schlecht wie seit dem Bankenskandal (von 2001, Anm. d. Red.) nicht mehr“.
       
       18 Apr 2024
       
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