# taz.de -- Boykottaufruf gegen Thalia-Theater: Joachim Lux spart sich die Frauen
       
       > Der Intendant des Thalia-Theaters stellt für die Abschiedssaison einen
       > fast frauenfreien Spielplan zusammen. Pro Quote ruft zu Boykott auf. Zu
       > Recht.
       
 (IMG) Bild: Joachim Lux hat 16 Jahre auf weibliche Regiehandschriften großzügig verzichtet. Warum das jetzt ändern?
       
       Zu Recht ruft der Verein „Pro Quote Bühne“ zum Boykott von [1][Joachim
       Lux’] Abschiedsspielzeit am Thalia-Theater Hamburg auf. Tatsächlich wäre
       schon das Programm allein Grund genug dafür: Denn Lux boykottiert damit
       Frauen nicht zu 100, wohl aber zu 83,4 Prozent. An den beiden Spielstätten
       hat der alte weiße Dramaturg nämlich Sorge dafür getragen, dass bei 13
       Premieren je ein Werk von einer Frau gezeigt wird und je eine weibliche
       Regiehandschrift sich bewähren darf. Bravo!
       
       Das ist fast schon gut, misst man es an Lux’ essayistischem Schaffen, das
       mitunter schrille Blüten treibt: „Wir haben das Fremde vernichtet“, fasst
       er beispielsweise 2018 den Holocaust zusammen, „und mit ihm eine
       gesellschaftliche Elite.“
       
       Klingt bekannt: Es ist Richard Wagners Definition des Juden als des Fremden
       an sich, die Lux [2][in einem Text mit dem wagnerisierenden Titel „Die
       Zukunft des Theaters“] aufgreift. Eine Frau spielt darin keine Rolle, bis
       auf die mythologische Medea und Popstar Madonna, die wegen der Alliteration
       mit Mozart einen Cameo-Auftritt bekommt.
       
       Schlimmer als Lux’ Spielplan selbst ist aber seine Begründung für die
       Frauenlosigkeit. Das sei nämlich gar kein Mangel an Wertschätzung, hat er
       dem Hamburger Abendblatt erläutert. Es gehe bloß in dieser Spielzeit darum,
       „langjährige Arbeitsbeziehungen noch einmal zu runden und abzuschließen“.
       Und da Lux auch früher auf Autorinnen und weibliche Regiehandschriften mit
       vorzüglichster Wertschätzung verzichtet hat, können sie im reaktionären
       Modus schulterklopfender Rückschau auch keine Rolle spielen. Das ist nur
       logisch.
       
       Bloß: Wie kam es dazu? Auch darauf gab’s bei der Spielplan-PK eine Antwort:
       „Als wir 2009“ – kein Tippfehler, nicht 1909! – „in Hamburg angefangen
       haben“, so erinnert sich Lux, „gab es das geschärfte Bewusstsein nicht.“
       Wahrscheinlich waren Frauen damals noch gar nicht erfunden. Es gab sie
       einfach nicht. Zumindest nicht in verantwortungsvoller Position. Also nicht
       in Hamburg. Im Theater.
       
       Außer als … auch hier sind Lux’ Texte beredt: „Zwischen Elite, Kunst und
       Quote“ heißt einer von 2010, wobei Quote hier die Einschaltquote
       bezeichnet. Auch in dem bescheinigt er dem Medium Theater, eine Zukunft zu
       haben, „wenn es sich in den zentralen gesellschaftlichen Fragen der
       Gegenwart positioniert und einmischt“. Dort findet er auch eine Rolle fürs
       Zweite Geschlecht im Schauspielhaus: In dem nämlich prüft der sorgende
       Intendant am Morgen im Büro die Bilanzen während, „die türkischen
       Putzfrauen die Kaugummis unter den Sitzen entfernen“. Jeder und jede also
       an seinem Platz.
       
       Es ist also schön, dass es zu Ende geht, mit Lux. Es wäre angemessen, wenn
       er auch von weiterem weltweitem Wirken als Theaterfunktionär absähe. Und
       klar verdient der Boykottaufruf von „Pro Quote“ alle Unterstützung.
       Zugleich wirft er, wirft die ganze Geschichte ein Schlaglicht aufs
       Feuilleton. Das hat sich [3][das] immerhin 16 Jahre bieten lassen, klaglos
       und unsensibel. Als wäre Geschlechtergerechtigkeit kein kulturelles
       Anliegen. Als hätte Theater ohne sie eine Gegenwart.
       
       25 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Thalia-Intendant-Lux-ueber-Sparzwaenge/!5133988
 (DIR) [2] https://www.thalia-theater.de/beitraege/431
 (DIR) [3] /Urauffuehrung-von-Noch-wach/!5959070
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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