# taz.de -- Umstrukturierungen bei „Bayern 2“: Begräbnis der Radiokultur
       
       > Das Programm von „Bayern 2“ war besonders. Nach einer Reform ist davon
       > wenig übrig geblieben, finden Fans – und tragen den Sender zu Grabe.
       
 (IMG) Bild: Plakate und Blasmusik bei einer Demo von BR-Mitarbeitenden
       
       MÜNCHEN taz | Es war „a scheene Leich“, wie man in Bayern zu sagen pflegt,
       ein würdiges Begräbnis. Zu Grabe getragen wurde am Dienstagabend in München
       ein Radioprogramm: „[1][Bayern 2]“ in seiner bisherigen Form. „Bayern 2“,
       das muss man dazu wissen, ist nicht nur der Kultursender des Bayerischen
       Rundfunk, sondern über viele Jahrzehnte bereits der wohl außergewöhnlichste
       Kanal in der bayerischen Rundfunklandschaft: viel gesprochenes Wort, viel
       Kultur, viel Intellekt, viel Mut zur Länge und zu Musik, die nicht auf dem
       Mainstream dahinplätschert. Und damit ist das Programm nicht weniger das
       krasse Gegenteil dessen, was man heute gemeinhin unter Radio versteht.
       
       Ist? War, sagen die, die es nun betrauern. Am 2. April hat „Bayern 2“ ihnen
       zufolge das Zeitliche gesegnet. An dem Dienstag nach Ostern nämlich ist das
       reformierte Programm in den Äther geschickt worden, um noch einmal eine
       Metapher zu bemühen, die freilich längst überholt ist. Denn auch „Bayern 2“
       sucht sich seine Verbreitungswege zunehmend im Digitalen. „Podcast“ lautet
       das Zauberwort.
       
       Überhaupt findet man [2][im BR die Aufregung] über das vermeintliche
       Ableben von „Bayern 2“ reichlich übertrieben – nicht nur, weil es ja
       weiterhin ein Programm dieses Namens gibt. Nein, „Bayern 2 bleibt Bayern
       2“, behauptet Stefan Maier, der den schönen Titel „Programmbereichsleiter
       Bayern 2“ innehat.
       
       ## Heimatsound statt Vielfalt
       
       Es seien Veränderungen, mit denen man das Profil stärken wolle, schreibt er
       auf der Website des BR und spricht von Hintergrund und Tiefgang, Anspruch
       und Vielfalt und – Heimatsound.
       
       Als der Himmel pünktlich zu Beginn der Trauerfeier am Rundfunkplatz zuzieht
       und erste Tropfen fallen, haben sie die Särge schon aufgestellt. Kleine
       schwarze Pappsärge mit den Aufschriften: „Nachtstudio“, Radiotexte“,
       „Kulturwelt“, „Diwan“, „Kulturjournal“, „Jazz und Politik“. Alles beliebte
       Sendungen, die künftig bei Bayern 2 nicht mehr vorkommen.
       
       Insgesamt ist das Programm kleinteiliger geworden. Vormittags etwa gibt es
       nun zwei dreistündige Sendestrecken, eine mit dem Schwerpunkt Politik und
       Kultur, die andere mit dem Fokus auf Wissenschaft und Bildung – viele kurze
       Beiträge im Wechsel mit Musik. Ähnlich verhält es sich zu den übrigen
       Tageszeiten, das entsprechende Abendformat etwa heißt „Die Welt am Abend“
       und ist „das neue Drivetime-Magazin“. Ein paar Formate wie die die
       einstündige Interviewsendung „Eins zu Eins. Der Talk“ oder das
       Musikprogramm „Zündfunk“ konnten sich ins neue Schema hinüberretten. Auch
       das Kinderprogramm „Radiomikro“ gibt es weiterhin, allerdings nur noch am
       Wochenende.
       
       Eine sechsköpfige Blaskapelle stimmt einen Trauermarsch an, eine
       schwarzgekleidete Frau zündet ein Grablicht an. Auf ein DIN-A3-Blatt hat
       sie geschrieben: „Ich trauere um meinen Bayern 2 Kultursender.“ Rund 40
       Leute sind gekommen, während der Zeremonie kommen noch ein paar dazu.
       
       „Radio TikTok“ 
       
       Ganz überwiegend sind es ältere Hörerinnen und Hörer, die hier
       zusammengekommen sind. Oft standen sie hier, seit die Umbaupläne des BR
       bekannt geworden waren, haben sich originelle Aktionen einfallen lassen.
       Einmal haben sie sogar einen Schneemann aufgebaut – zu einer Zeit, als in
       der Stadt schon alles weggetaut war. Den Schnee haben sie von außerhalb
       angekarrt. Im Netz haben fast 10.000 Menschen eine Petition gegen die
       Kürzungen bei „Bayern 2“ unterzeichnet.
       
       Alles vergebens. „Schluss jetzt, verabschiedet euch“, drängelt Kabarettist
       Holger Paetz, der als BR-Anstaltsseelsorger die Zeremonie zu einem Ende
       bringen muss. Dem Sender sei mit dem windschnittigen neuen Programm
       schließlich die Anpassung an die Jetztzeit gelungen. „Jetzt ist eine
       schlimme Zeit.“
       
       Fast anderthalb Stunden dauert die „BR-digung“. Eine Langstrecke, würde man
       im BR sagen. Es gibt Livemusik, einen Einspieler des FDP-Politikers Gerhart
       Baum über die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ehemalige
       Bayern-2-Größen verlesen Nachrufe auf „eine der letzten Bastionen gegen
       beliebiges Blabla“, die „zu einer Resterampe verkommen“ sei ganz im Sinne
       der „Schnäppchen-Mentalität der Wisch-und-weg-Generation“.
       
       Stimmen von Hörerinnen und Hörern werden verlesen („Wir häppchen uns zu
       Tode“, „[3][Radio Tiktok]“).
       
       Und schließlich werden die Särge über die Straße getragen und an die
       Hauswand des Rundfunkgebäudes gelehnt. Just dort, wo in einem Schaukasten
       Werbeplakate für „Bayern 2“ hängen. „Wem überlassen wir das Denken?“, steht
       auf einem.
       
       10 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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