# taz.de -- Doku über Holocaust-Graphic Novel: Eine Maus in Auschwitz
       
       > Weil Art Spiegelmans „Maus“ den Holocaust in Comicform bespricht, galt
       > das Werk mal als umstritten. Eine Arte-Doku beschäftigt sich erneut
       > damit.
       
 (IMG) Bild: Art Spiegelman, „Undergroundzeichner“ und Raucher
       
       Kann man Menschheitskatastrophen wie den Holocaust in Form eines Comics
       darstellen? 1986 erschien eine Graphic Novel in den USA, die es wagte:
       „Maus“ von Art Spiegelman. Heute gilt sie als Markstein dafür, dass der
       Comic als „erwachsene“ Kunstform anerkannt wird.
       
       Doch damals war „Maus“ heftig [1][umstritten]. Auch, weil [2][Spiegelman]
       eine zweifelhafte Tiermetapher benutzte: Die Juden zeichnete er als Mäuse,
       Deutsche und Nazis als Katzen, Polen als Schweine. Doch Art Spiegelman, der
       1948 geborene Autor und Zeichner der Graphic Novel, setzte auch auf
       Authentizität: Als Grundlage für seine Geschichte hatte er seinen eigenen
       Vater Wladek Spiegelman interviewt – einen Holocaust-Überlebenden. Die
       Gespräche zwischen Vater und Sohn nehmen einen großen Teil in der Graphic
       Novel ein.
       
       Auch die Regisseurin Pauline Horovitz stammt aus einer jüdischen Familie,
       ähnlich wie Spiegelman hat sie in ihrer Familie Opfer der Shoah zu
       beklagen. Die Französin geht in der Arte-Dokumentation „Maus oder die Hölle
       von Auschwitz“ der Frage nach, wie Spiegelmans Graphic Novel heute zu
       bewerten ist.
       
       ## Pulitzer-Preis für Spiegelman
       
       Dazu geht sie von ihrer eigenen Leseerfahrung aus. Sie erinnert sich daran,
       wie sie selbst als Jugendliche die „Maus“-Bände zufällig in der
       Stadtbibliothek entdeckte und was die Lektüre für einen Schock bei ihr
       auslöste. Für den Film bittet sie ihren Vater darum, „Maus“ zu lesen. Der
       zeigt sich fasziniert von der Lektüre, entdeckt Parallelen zur eigenen
       Familie, die wie die Spiegelmans nach dem Krieg lange nicht über die
       Erfahrungen in den Lagern reden wollte.
       
       Horovitz belässt es jedoch nicht bei dieser rein persönlichen Annäherung.
       Pointiert erzählt sie von der Publikationsgeschichte des Buches, das in den
       1980ern Neuland betrat. Art Spiegelman war ein Undergroundzeichner, der
       bereits Anfang der 70er Jahre Interviews mit seinem Vater aufzeichnete und
       einen ersten „Maus“-Kurzcomic publizierte. Nach und nach veröffentlichte
       er Episoden seiner „Geschichte eines Überlebenden“ in seinem Comicmagazin
       RAW. 1986 entschloss er sich, einen ersten Band herauszugeben.
       
       Comicautor Alan Moore („[3][Watchmen]“) pries „Maus 1“ schon 1987 als
       „Meisterwerk“ an, als „zweifellos einer der bisherigen Höhepunkte des
       Comics“. 1991 folgte Band 2, und im Jahr darauf erhielt Spiegelman dafür
       als erster (und bislang einziger) Comiczeichner den renommierten
       [4][Pulitzer-Preis].
       
       ## „Zeitlos und aktuell“
       
       Einen Großteil der Dokumentation macht auch die Befragung verschiedener
       Expertinnen, Historiker und Comiczeichner aus. Die französische
       Historikerin Annette Wieviorka hat sich intensiv mit der Shoah in den
       Medien auseinandergesetzt. Sie bewertet „Maus“ als „außergewöhnlich“ und
       für den Schulunterricht geeigneter als manchen Film, der Kinder oft
       traumatisieren kann.
       
       Ihr Kollege Tal Bruttmann betont einen weiteren interessanten Aspekt: Seit
       Langem dominieren Fotodokumente das kulturelle Gedächtnis vom Holocaust,
       obwohl diese meist von Tätern der SS stammen und gestellt waren.
       Zeichnungen von Häftlingen, so bestätigt auch der deutsche Comicexperte Ole
       Frahm, wurden lange geringgeschätzt, erst in den letzten Jahrzehnten gab es
       Ausstellungen davon: „‚Maus‘ hat das freigelegt.“
       
       Die überaus [5][sehenswerte und anregende Doku] macht klar, dass Art
       Spiegelmans Graphic Novel heute noch „zeitlos und aktuell“ (A. Wieviorka)
       ist. Mit den Worten Alan Moores: „Bitte lesen Sie es!“
       
       29 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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