# taz.de -- Forschungsstelle für Tierrecht in Bremen: Im Paragrafendschungel
       
       > Die Forschungsstelle für Tier- und Tierschutzrecht an der Uni Bremen
       > untersucht, welche Rechte Tiere haben und wie diese durchgesetzt werden
       > können.
       
 (IMG) Bild: Würde von manchen am liebsten schnell abgeschossen: der Wolf. Hier ist er im Juli 2023 in Nordsachsen unterwegs
       
       BREMEN taz | Abschuss, Fang oder Vergiftung: „wildLIFEcrime“ ist das neuste
       Projekt der Forschungsstelle für Tier- und Tierschutzrecht an der Uni
       Bremen. Es geht um Deutschlands und Österreichs große Beutegreifer wie
       Wolf, Luchs und Bär, aber auch um Fischotter und Greifvögel, erklärt
       Professor Sönke Gerhold, der die Forschungsstelle leitet. „Diese Arten sind
       besonders betroffen von illegaler Nachstellung, weil einige Menschen
       meinen, dass sie ihre [1][Interessen beeinträchtigen].“ Aufgeklärt, so
       Gerhold, werden die Fälle kaum.
       
       Die Motive hinter der sogenannten Wildtierkriminalität seien vielfältig, so
       Gerhold. Mal gehe es um Trophäenjagd, mal um ganz konkrete Konflikte wie
       die Angst, dass die Population des jagbaren Wildes abnimmt oder die Sorge
       um eigene Weidetiere.
       
       Aber auch Stellvertreterkonflikte, erklärt Gerhold, können Grund für die
       illegale Tötung sein: „Manche ärgern sich über ein neues Umweltschutzgebiet
       – und dieser Ärger wird dann auf gewisse Arten projiziert.“ Auch wer auf
       seinem Land einen Windpark anlegen oder bauen will, so eine weitere These
       aus der Kriminologie, kann Gründe haben, geschützten Tieren gegenüber
       feindlich eingestellt zu sein. „Mit Blick auf den höheren Schutzstatus
       besteht daher im Einzelfall gerade ein Anreiz, seltene Arten zu
       vertreiben.“
       
       Die Forschungsstelle ist nur ein Partner des Projektes; viele Akteure sind
       involviert wie der [2][WWF], verschiedene Polizeipräsidien, das BKA
       Österreich oder der Verein Luchs Bayern e.V. Die Rolle der Bremer
       Forscher*innen: „den rechtlichen Status quo zu beschreiben und der Frage
       nachzugehen, ob und wo es Lücken gibt“. Im Bereich [3][Tierschutz], erklärt
       Gerhold, können Völker-, Europa-, Bundes- und Landesrecht wirken –
       reichlich Platz für Widersprüche also.
       
       Zudem nehmen sich Gerhold und Johannes Aschermann, wissenschaftlicher
       Mitarbeiter, alle Akten vor, die ihnen im Rahmen von Akteneinsichten zur
       Verfügung gestellt werden können. „Wir schauen, woran es liegt, dass
       Verfahren nicht mit einer Verurteilung enden. Möglich, dass es
       Falschbezichtigungen gibt. Aber auch möglich, dass Vorwürfe nicht so ernst
       genommen werden, nicht ermittelt wurde oder rechtliche Hemmnisse bestehen.“
       
       In der Forschungsstelle, die es jetzt seit zwei Jahren gibt, beschäftigen
       Gerhold und sein Team sich auch mit Kriminalität gegen Nutz- oder
       Heimtiere. Die Hauptaufgabe ist immer: das Recht, was Tiere betrifft,
       aufzuarbeiten und darüber zu publizieren. „Damit Dritte es nachlesen
       können“, sagt Gerhold. „Es gibt wenig Literatur, gleichzeitig ist das Recht
       sehr komplex.“
       
       So beschäftigen sich die Mitarbeitenden derzeit auch mit der
       [4][Anbindehaltung von Nutztieren]. Ein Verbot werde derzeit diskutiert, so
       Gerhold. „Wir stellen uns die Frage: Ist das nicht schon lange verboten?
       Man darf Tieren schließlich keine erheblichen Leiden zufügen.“ Die
       Auslegung von vorhandenem Recht ist somit Kerngeschäft des Teams.
       
       Gerhold, der an der Uni Bremen eine Professur für Straf-, Strafprozess-,
       Strafvollzugs- und Medienrecht innehat, wollte sich schon in seiner
       Dissertation und Habilitation mit dem Thema befassen – doch ihm wurde davon
       abgeraten. „Meine Doktormutter hat gesagt, dass es keinen einzigen
       Lehrstuhl auf dem Gebiet gibt, ich mich damit verqualifiziere und
       gegebenenfalls nie Professor werde.“
       
       Gerhold hat ihren Rat angenommen und im Medienstrafrecht promoviert –
       obwohl sein Interesse schon damals dem Tierschutzstrafrecht galt: „Es gibt
       hier unglaublich viele offene Forschungsfragen.“ Vor zwei Jahren war dann
       endlich Kapazität da, die Forschungsstelle zu gründen. Auch in seiner Lehre
       greift Gerhold das Thema auf. „Wer wirklich Tierschutzrecht studieren will,
       hat in Bremen die Chance auf regelmäßige Veranstaltungen dazu.“
       
       29 Apr 2024
       
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