# taz.de -- Post-Covid, Long Covid und ME/CFS: Es gibt kein „nach Corona“
       
       > Zu Corona ist längst nicht alles gesagt. Post-Covid- und
       > ME/CFS-Betroffene sind keine Einzelfälle, sondern Menschen, die dringend
       > Hilfe brauchen.
       
 (IMG) Bild: Pro Rollstuhl ein Mensch der zu schwach ist, um persönlich zu erscheinen: Aktion der Organisation „Nichtgenesen“ im Juli 2023
       
       Am 12. Mai ist der [1][„International ME/CFS Awareness Day“]. Obwohl viele
       meinen, zu Corona sei schon alles gesagt, kennen diesen Tag nur wenige. Ich
       verstehe nicht, warum manche die Zeit in „vor Corona“ und „nach Corona“
       einteilen. Es gibt doch gar kein „nach Corona“, höchstens ein „mit Corona“.
       
       Besonders schmerzhaft erleben das all jene, die weiter [2][unter Post-Covid
       leiden]. In den Medien hört man von ihnen wenig – Corona klickt nicht mehr.
       
       Und es gibt ja auch echt nichts Neues zu berichten. Wir wissen, dass viele
       Menschen arbeitsunfähig sind und dass es sogar Kinder gibt, die ihr Leben
       im Bett [3][in dunklen Zimmern verbringen]. Außerdem haben wir immer noch
       keinen Biomarker oder zugelassene Therapien für die Erkrankung (die unter
       dem Namen [4][ME/CFS] die Jahrzehnte vorher auch schon ignoriert wurde).
       Die Forschung benötigt dringend Geld und es werden noch Jahre vergehen, bis
       wirksame Medikamente auf den Markt kommen. Das ist auf Dauer ein
       langweiliges Thema. Nur die Erkrankten und ihre Familien, die [5][zählen
       fassungslos die Minuten, bis sie endlich Hilfe bekommen.]
       
       Wenn so viele Leuten meinen, sie wüssten alles über Corona, warum behaupten
       sie dann, es sei wie ein Schnupfen und versuchen nicht mal sich oder andere
       zu schützen? Warum gibt es dann immer noch Ärzte, die ME/CFS nicht kennen
       und nicht vor Belastung warnen?
       
       Warum wird Eltern immer noch erzählt, [6][Long Covid] bei so jungen
       Menschen sei ein absoluter Einzelfall, sie hätten lediglich ihre eigenen
       Ängste auf ihr Kind übertragen und deswegen habe es nun dauerhaft
       Schmerzen, Übelkeit, Konzentrationsstörungen und krasse Erschöpfung? Warum
       gibt es noch Schulen, in denen betroffenen Kindern unterstellt wird zu
       simulieren und in denen sie bloßgestellt werden, statt sie mit Ruheräumen,
       reduzierten Stunden oder beim Heimunterricht zu unterstützen?
       
       Wie kann es sein, dass die Erkrankung immer und immer wieder für psychisch
       gehalten wird, obwohl sie gut von einer Depression zu unterscheiden ist –
       wenigstens solange der Mensch nicht durch die traumatischen Erfahrungen
       zusätzlich seelisch krank geworden ist? Warum hat man so wenig Vertrauen in
       die Einschätzung von Eltern, dass Jugendämter immer wieder „Inobhutnahmen“
       veranlassen, um Kinder gegen ihren Willen in Psychiatrien einzuweisen? Und
       wie kann es sein, dass sich Therapieversuche nur leisten kann, wer genug
       Geld hat?
       
       Ich hätte wirklich erwartet, dass es fast viereinhalb Jahre nach Beginn der
       Pandemie deutlich mehr Wissen oder wenigstens [7][Bewusstsein über
       Post-Covid] und ME/CFS gibt. Immerhin sind es Schätzungen zufolge
       mittlerweile 140.000 erkrankte Kinder und Jugendliche und es kommen immer
       neue hinzu.
       
       Aber bitte, wenn das [8][Thema Corona] vielen so sehr zum Hals heraushängt,
       können wir uns auch mit dem anscheinenden Ausbruch einer anderen Seuche
       beschäftigen. Diesmal handelt es sich tatsächlich um eine sehr seltene und
       psychische Erkrankung, die man sonst nur aus Fernsehkrimis kennt, wo die
       Täterin am Ende überraschenderweise die Mutter ist: Das
       [9][Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom]. Mütter machen ihre Kinder dabei
       absichtlich schwer krank, um sich dann selber durch ihre aufopferungsvolle
       Pflege und medizinisches Fachwissen in den Mittelpunkt zu stellen.
       
       Komisch, dass diese Störung anscheinend gerade unter den oben genannten
       Familien der 140.000 absoluten Einzelfälle grassiert. Oder könnte es
       vielleicht sein, dass man mit dieser abstrusen Diagnose versucht, Eltern,
       die für die Gesundheit ihre Kinder kämpfen, mundtot zu machen, weil man
       sonst eigenes Versagen eingestehen müsste?
       
       Eines ist aber sicher: Das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom ist genau so
       wenig ansteckend wie ME/CFS. Darum können wir alle gefahrlos am nächsten
       Wochenende zum Awareness Day auf eine der Liegend-Demos gehen –
       stellvertretend für die vielen Erkrankten. Sie selber können nicht auf die
       Straße, sie liegen zu Hause und verschwinden aus dem Leben.
       
       9 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.mecfs.de/internationaler-me-cfs-tag-2024/
 (DIR) [2] /Chronische-Erkrankungen-in-Berlin/!6008562
 (DIR) [3] /Long-Covid/!6003992
 (DIR) [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Myalgische_Enzephalomyelitis/Chronisches_Fatigue-Syndrom
 (DIR) [5] /Diagnose-Chronisches-Fatigue-Syndrom/!5938615
 (DIR) [6] /Long-Covid/!t5741122
 (DIR) [7] /Long-Covid-Awareness-Day/!5998487
 (DIR) [8] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
 (DIR) [9] https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnchhausen-Stellvertretersyndrom
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Birte Müller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwer mehrfach normal
 (DIR) Long Covid
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Krankheit
 (DIR) Gesundheitsvorsorge
 (DIR) psychische Gesundheit
 (DIR) IG
 (DIR) IG
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Psychische Gesundheit bei Minderjährigen: Depressive Jugend
       
       Bei Kindern und Jugendlichen ist jede fünfte Krankenhausbehandlung auf eine
       psychische Erkrankung zurückzuführen – vor allem Depressionen nehmen zu.
       
 (DIR) Long Covid: Ausgebremst
       
       Diego hat Long Covid. Seine Partnerin und seine Mutter sind für ihn da.
       Aber es ist schwer. Wie mit einer Krankheit umgehen, deren Ende niemand
       kennt?
       
 (DIR) Long Covid und Armutsgefährdung: Am Überleben arbeiten
       
       Armut isoliert Menschen – Long Covid auch. Besuch bei Melanie Zeiske und
       Daniela Bock, die als erschöpfte Betroffene mit der Bürokratie kämpfen.
       
 (DIR) Long Covid Awareness Day: Wir sind alle vulnerabel
       
       Am 15. März ist Internationaler Long Covid Awareness Day. Millionen
       Betroffene warten auf Therapien. Wie steht es um sie?