# taz.de -- Brassband Banda Communale im Osten: „Sachsen positiv besetzen“
       
       > Die Brassband Banda Comunale tourt durch die sächsische Provinz. Dort
       > spielt sie gegen Rechtsextremismus und sagt: Es gibt noch viel zu tun.
       
 (IMG) Bild: Laut werden gegen Nazis: Banda Communale mit Michal Tomaszewski, knieend vorne rechts
       
       taz: Michał Tomaszewski, Ihre Blaskapelle Banda Comunale hat sich vor mehr
       als 20 Jahren in Dresden gegründet und unterstützt Demos gegen
       Nazi-Aufmärsche musikalisch. Warum haben Sie in den letzten Monaten vor
       allem bei Protesten gegen rechts in Orten wie Colditz, Meißen und Bautzen
       gespielt?
       
       Michał Tomaszewski: Was viele – auch wir selbst – aus den Augen verloren
       hatten, sind Kleinstädte. Dort trifft man Leute mit einer anderen Haltung
       als in Großstädten.
       
       Was meinen Sie mit anders? Anders als in Dresden? 
       
       Ja, weil viele Menschen in der Provinz seit Jahren nicht „rausgekommen“
       sind aus ihrem näheren Umfeld. Wir treffen dort Ältere, die sagen: Ich bin
       das erste Mal seit der Wende wieder auf einer Demonstration. [1][Es ist
       sehr wertvoll, dass man auf dem flachen Land Proteste organisiert, die
       einen breiten Konsens herstellen.] Also, dass man auch lokalen
       CDU-Politiker:Innen Raum bietet, dort etwas zu sagen. Das sind oft
       bürgerliche Demos, die an durchsanierten Marktplätzen stattfinden.
       
       Was meinen Sie mit durchsaniert? 
       
       Es ist paradox: Diese Kleinstädte sind äußerlich schmuck. Ähnlich behutsam
       renovierte altstädtische Marktplätze wie in Ostdeutschland finden sich im
       Westen ja gar nicht mehr. Und dort treffen sich nun bei den Protesten gegen
       rechts Leute, die sich lange nicht begegnet sind und sich nun gegenseitig
       bestärken. Das ist ein schönes Momentum.
       
       Neben den Menschen, die jetzt zum ersten Mal demonstrieren, gibt es auch
       diejenigen, die sich gerade in der sächsischen Provinz seit Jahrzehnten
       gegen rechts engagieren. 
       
       Genau, sie stehen nun zusammen. Jugendliche mit antifaschistischen Sprüchen
       und daneben etwas bedröppelte ältere Leute, die sich darin nicht so richtig
       wiederfinden, aber das trotzdem mittragen. Denn es geht teilweise um sehr
       konkrete, persönliche Bedrohungen. [2][Im Erzgebirge-Städtchen
       Dippoldiswalde erzählten uns zwei ältere Menschen], wie sie sich um eine
       Geflüchtetenfamilie kümmern und dann das halbe Dorf dagegen mobil machte.
       
       Am Rand werden die Proteste manchmal auch von rechtsradikalen Jugendlichen
       begleitet. Es wirkt, als hätten die 1990er Jahre nie aufgehört. Da müsste
       man den CDU-Ministerpräsidenten Kretschmer und den Kultusminister Piwarz
       mal fragen, was sie eigentlich machen und welche Angebote die Jugendlichen
       auf dem Land bekommen. [3][Denn das ist jetzt schon die zweite oder dritte
       Generation der sächsischen Baseballschläger-Sympathisanten, die ganz
       selbstverständlich nazimäßig daherkommt].
       
       Sie unterstützen Demos gegen rechts als Band mit Blasmusik. Kann Musik
       dabei ein verbindendes Element sein? Und wo sind ihre Grenzen? 
       
       Was Popkultur kann, hat man schon [4][während der Coronapandemie gesehen,
       bei Protesten gegen Pegida-Demos, oder als in Chemnitz „Hetzjagden“
       stattfanden]. Ich bin aber etwas verwundert, dass sich bisher noch nicht
       mehr Künstler:Innen hier im Osten daran beteiligen.
       
       Was könnten Musiker:Innen denn konkret tun? 
       
       [5][Wenn etwa ein Roland Kaiser in so einem Zusammenhang als Schlagerstar]
       wieder auftauchen würde, wäre das natürlich wirkmächtiger als der Protest
       von Bands wie Kafvka und [6][Feine Sahne Fischfilet]. Auf jeden Fall hat
       Helene Fischer mit ihrer Positionierung gegen rechts kürzlich
       wahrscheinlich mehr Staub aufgewirbelt als Bands, bei denen die politische
       Richtung eh klar ist.
       
       Gibt es nennenswertes regionales Engagement? 
       
       [7][In Bautzen gibt es mit dem „Happy Monday“] zum Beispiel die Idee, jeden
       Montag, bis zu den Kommunalwahlen am 9. Juni öffentliche Plätze mit Kultur
       zu besetzen. Wir treten sowieso sehr viel in der Provinz auf, wir sind
       schon eine sehr lokalpatriotische Band. Und wir machen seit über sieben
       Jahren Schulworkshops im gesamten Bundesland.
       
       Inwiefern ist Ihre Bandgeschichte auch politisch-demokratische
       Bildungsarbeit? 
       
       Auf niedrigschwellige Weise ist das so. Es geht uns allerdings mehr um den
       kulturellen Hintergrund als um konkrete politische Inhalte. Also, unser
       Kollege Eduardo, der brasilianische Wurzeln hat, bringt Kindern einen
       brasilianischen Rhythmus bei. Oder Sagit aus Israel spielt ein Stück auf
       Hebräisch. Oder Yara eine syrische Melodie. Damit wollen wir zeigen, dass
       sich Erwachsene auf der kulturellen Ebene gut verstehen und befreundet
       sind. Das ist ziemlich simpel, aber stark nachgefragt.
       
       Inwiefern ist in Ihrer internationalen Band, in der etwa Musiker:Innen
       aus Israel und Palästina spielen, Weltpolitik wie der Nahostkonflikt ein
       Thema? 
       
       Der Krieg in Israel/Gaza ist ein ganz sensibles Thema. Wir haben im
       November ein großes Benefizkonzert veranstaltet [8][im Deutschen
       Hygiene-Museum in Dresden] und haben Musiker:Innen aus verschiedenen
       Kulturbereichen zusammen auf die Bühne gebeten, das war ein großer Erfolg.
       Aber die Situation ist unglaublich kompliziert. Das können wir momentan von
       hier aus schwer auflösen, weil man auch nicht alle Themen gleich gut
       bedienen kann.
       
       Auf welches Thema konzentrieren Sie sich nun? 
       
       Was wir schaffen, ist, eine gemeinsame Haltung demgegenüber aufzubauen, was
       in Deutschland droht und was in Sachsen wirklich wie ein Damoklesschwert
       über uns hängt: Und das ist diese starke, sehr beängstigende AfD-Präsenz.
       
       Sie haben sich als lokalpatriotisch bezeichnet. Leute in Sachsen sagen oft:
       Wenn die AfD die Landtagswahl gewinnt, ziehen sie weg. Haben Sie schon mal
       darüber nachgedacht? 
       
       Das ist ein naheliegender Gedanke, zumal wenn man Kinder hat. Oder einfach
       auch keinen Bock, in einem Naziland zu leben. Aber wenn wir
       Erinnerungskultur ernst nehmen und uns aus der gutsituierten,
       privilegierten Bubble heraus Gedanken machen, wie es zur Machtergreifung
       der Nazis 1933 kommen konnte, muss die Antwort sein: Nein, wir ziehen
       natürlich nicht weg. Die Frage ist eher die nach den Formen des
       Widerstands. Ich finde, da sind Kultureinrichtungen, Betriebe und
       Wirtschaft vielmehr gefordert als Privatpersonen und sollten sich jetzt
       positionieren.
       
       Was geht für Sie zu weit? 
       
       Was für mich echt nicht geht, ist eine Antwort wie: Das ist alles noch im
       demokratischen Rahmen, hohe Wahlergebnisse für die AfD müssen wir aushalten
       und dann mal gucken. Dann ist es aber schon zu spät. Ich finde die
       Diskussion über ein AfD-Verbot absolut berechtigt. Diese Partei ist eine
       Bedrohung für die Demokratie.
       
       Nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund … 
       
       Ja, wir sind ja alle keine Profimusiker, sondern arbeiten unter anderem im
       Kultursektor oder in den Behörden. Und gerade Bildung und Kultur sind die
       ersten Felder, die von rechts eingenommen werden. Das sieht man ganz gut an
       Polen, meinem Heimatland, das mich in den letzten zehn Jahren traurig
       gemacht hat. Die amtierende liberale Regierung hat große Mühe, all das
       zurückzudrehen, was die Rechtspopulisten zuvor geändert haben. Daran sollte
       man sich ein Beispiel nehmen, dass es sich nicht lohnt, die Demokratie so
       zum Fraß vorzuwerfen, nur weil man glaubt, man könne Rechtsradikalen mit
       Argumenten beikommen und sie würden sich irgendwann entlarven.
       
       Was wäre die bessere Strategie? 
       
       Man muss sich wirklich darauf berufen: Worauf ist unser Staat gegründet?
       Was ist die Idee des Grundgesetzes und einer freiheitlichen Demokratie?
       Diese muss sich nicht alles gefallen lassen – schon gar nicht eine Partei,
       die die Demokratie mit Ansage zerstören will.
       
       Haben Sie einen Ratschlag für Menschen in Sachsen, damit sie hier bleiben
       und dabei nicht verzweifeln? 
       
       Nach guten Erfahrungen in vielen kleineren Kommunen müssen wir feststellen:
       Es gibt unglaublich viele coole Leute, die das Herz am rechten Fleck haben.
       Und das sind nicht nur junge Leute, das sind auch viele ältere Menschen. In
       all diesen Dörfern oder Kleinstädten, die als rechts gelten, ist die
       Mehrheit immer noch bereit, die Demokratie zu verteidigen. Es gibt noch
       Hoffnung, wenn diese Menschen die Marktplätze für sich wiedergewinnen und
       über Demokratie, über Realpolitik und vor allem über Zukunft sprechen.
       
       Das kriegt unser Ministerpräsident Kretschmer nämlich nicht gebacken: über
       eine positive Zukunft zu sprechen. Es ist so ermüdend immer den
       Weltuntergang parat zu haben: Gendern – die Kultur geht unter,
       Heizungsgesetz – Deutschland fährt gegen die Wand. Mehr Superlative gibt es
       kaum. Dafür habe ich nur Spott übrig. Aber manche Menschen leben offenbar
       stetig in der Angst, dass alles kaputtgeht. Doch das ist nicht wahr.
       
       Was läuft gut in Sachsen? 
       
       Auch dieses Bundesland hat sich in den letzten 30 Jahren positiv und
       weltoffener entwickelt. Es gibt natürlich noch sehr viel zu tun. Aber
       dieses Tun ist auch eine kreative und schöne Aufgabe: Initiativen zu
       gründen, sich vor Ort um bestimmte Menschengruppen und Anliegen zu kümmern,
       die direkte Demokratie in irgendeiner Weise herauszufordern und Dinge
       anzupacken anstatt mit Treckern alles zu blockieren. Man muss Sachsen
       einfach positiv besetzen!
       
       Transparenzhinweis: Banda Communale ist dieses Jahr in Sachsen für den
       [9][Panter Preis der taz Panter Stiftung] für unabhängigen Journalismus
       nominiert. Die Preisverleihung findet am 24. August in Chemnitz statt.
       
       25 Apr 2024
       
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