# taz.de -- Gaza-Proteste in Deutschland: Propalästinensische Demos an Unis
       
       > An einigen Universitäten in Deutschland finden propalästinensische Demos
       > statt. Sollten sie zugelassen werden? Ein Pro und Contra.
       
 (IMG) Bild: Polizeibeamte räumen am 7. Mai eine propalästinensische Demo im Theaterhof der Freien Universität
       
       ## Ja.
       
       Gaza ist ein Schlachthaus. Mit dem Vormarsch der israelischen Armee auf
       Rafah, wo sich mehr als eine Million Menschen drängen, werden sich die
       humanitäre Krise und die Hungerkatastrophe dort verschärfen und noch mehr
       Menschen sterben.
       
       In Deutschland gibt es im Vergleich zu anderen Ländern wenig Protest gegen
       diesen Krieg – dabei sind wir nach den USA der engste Verbündete Israels.
       Das liegt auch daran, dass der Staat solche Proteste zum Teil hart
       unterbindet, insbesondere in Berlin: Eine [1][umstrittene
       „Palästina-Konferenz“] wurde verhindert, ein Protestcamp vor dem Bundestag
       mit Polizeigewalt aufgelöst, zuletzt zwei Proteste an Berliner
       Universitäten im Keim erstickt. Dafür werden umstrittene Parolen sehr
       einseitig interpretiert, zu Straftaten erklärt, Versammlungen werden
       aufgelöst und verboten. Das erinnert an autoritäre Regime – egal wie man zu
       den Protesten steht.
       
       Es ist gut, dass rund [2][100 Berliner Professor:innen und
       Dozent:innen dieses Vorgehen kritisiert u]nd das Recht auf Protest an
       ihren Hochschulen verteidigt haben. Dass sich die
       FDP-[3][Wissenschaftsministerin Bettina Stark-Watzinger] einer Hetzkampagne
       der Bild-Zeitung anschließt und ihnen vorwirft, nicht auf dem Boden des
       Grundgesetzes zu stehen, ist ein starkes Stück. Damit hat sie ihre
       Fürsorgepflicht grob verletzt. Stark-Watzinger sollte zurücktreten. Sie ist
       für ihr Amt ungeeignet.
       
       Hätten sich die Wissenschaftler:innen auch für rechte Proteste
       starkgemacht? Vermutlich nicht. Menschen, die gegen einen Krieg
       demonstrieren, sind aber nicht mit Menschen vergleichbar, die andere
       deportieren wollen. In Deutschland üben Politik und Medien viel Nachsicht
       gegenüber rechten Protesten: Die Pegida-Bewegung konnte monatelang gegen
       Muslim:innen hetzen – ihre Wortführer wurden in TV-Talkshows eingeladen,
       sie selbst als „besorgte Bürger“ verharmlost. Wer gegen den Gazakrieg
       protestiert, wird dagegen fast zum Staatsfeind erklärt. Das muss aufhören.
       
       Daniel Bax 
       
       ## Nein.
       
       Natürlich möchte jede Generation von Studierenden historisch so bedeutsam
       sein [4][wie die Student*innenbewegung der 1968er]. Das ist
       verständlich. Schließlich haben die Proteste vor einem halben Jahrhundert
       einen kulturellen Wandel angestoßen, der bis heute nachwirkt. Dazu gehört,
       dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Deutschland als nahezu
       unantastbar gilt. Aber eben nur nahezu.
       
       Die Unterstützer*innen der Gazaproteste argumentieren, dass den
       Studierenden das Recht auf Meinungsäußerung zusteht – egal wie sie zum
       Gazakrieg, zur Hamas und zu Israel stehen. Kurzum: unabhängig von
       Inhalten. Spinnen wir diesen Gedanken einmal weiter: Studierende haben das
       Recht, auf dem Campus zu demonstrieren. Umgehend die Polizei zu rufen
       und die Versammlung auflösen zu lassen, ist undemokratisch. Punkt. Wenn
       dieses Prinzip gilt, dann nicht nur für Linke mit Palästinensertüchern und
       [5][antiisraelischen Parolen]. Auch rechte und rechtsextreme
       Student*innen könnten munter an den Unis Plakate mit „Umvolkung“,
       „Meinungsdiktatur“ und „Hängt Habeck“ herumtragen.
       
       Proteste können nicht unabhängig von ihren Inhalten beurteilt werden. Wie
       auf Worte Taten folgen, haben wir oft genug leidvoll erlebt. Bei jedem
       rechtsextremen Anschlag hat es im Vorfeld Brandstifter gegeben. Worte
       rechtfertigen Gewalt. Zur Wahrheit gehört, dass [6][die politische Linke
       diese Linie auch schon überschritten] hat.
       
       Die Protestierenden an der Berliner FU fordern nicht einfach ein Ende des
       Gazakriegs. Sie verlangen, Israel/Palästina zu „dekolonialisieren“ und
       Palästina [7][„from the river to the sea“] (vom Fluss Jordan bis zum
       Mittelmeer) zu „befreien“. Harmlos ist das nicht, denn es bedeutet, Israel
       das Existenzrecht abzusprechen, es wortwörtlich abzuschaffen. Ja, stimmt,
       solche Auslöschungsfantasien klingen nicht unbekannt. Eine Hochschule muss
       sie nicht hinnehmen und hat jedes Recht, die Proteste räumen zu lassen.
       Gut, dass die FU Berlin dieses Recht wahrgenommen hat.
       
       Silke Mertins
       
       13 May 2024
       
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