# taz.de -- Heizkostennachzahlung bei der Gewobag: Teuer heizen bei der Landeseigenen
       
       > Mieter der Gewobag im Zentrum Kreuzberg zahlen einen extrem hohen
       > Gaspreis. Der Kauf einer eigenen Heizanlage sei nicht wirtschaftlich,
       > heißt es.
       
 (IMG) Bild: Das Kreuzberger Zentrum am Kottbusser Tor
       
       BERLIN taz | Im Zentrum Kreuzberg leitet Dirk Cieslak seit über zehn Jahren
       die Theaterbühne Vierte Welt. Mitte Dezember erhielt er seine
       Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2022. Mehrere Tausend Euro soll er
       für seinen Gasverbrauch nachzahlen. Damit steht Cieslak nicht allein da.
       
       Auch andere Wohnungs- und Gewerbemieter in dem Gebäuderiegel am Kottbusser
       Tor haben hohe Nachforderungen erhalten. Ihr Verbrauch ist nicht der Grund.
       Dieser liegt für das gesamte Zentrum Kreuzberg 2022 niedriger als noch ein
       Jahr zuvor. Dennoch fällt ihre Gesamtrechnung mehr als doppelt so hoch aus
       wie noch 2021.
       
       Erklären lassen sich die hohen Kosten mit dem sogenannten
       Wärme-Contracting. Denn dem landeseigenen Wohnungsunternehmen gehört die
       Heizungsanlage einschließlich des Blockheizkraftwerks, das das Kreuzberger
       Zentrum mit Wärme versorgt, nicht selbst. Stattdessen wird dieses von einem
       Tochterunternehmen der [1][Gasag] gestellt. Über einen sogenannten
       Wärmepreis stellt die Gasag nicht nur den Gasverbrauch, sondern auch die
       „Verpachtung“ und Instandhaltung der Heizanlage in Rechnung.
       
       ## Keine unübliche Methode
       
       Wärme-Contracting ist auf dem Wohnungsmarkt nicht unüblich. Neben den
       Privaten haben auch die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen mit
       unterschiedlichen Dienstleistern Contracting-Verträge geschlossen. Der
       Wärmepreis beim Contracting basiert auf einer komplizierten Berechnung. In
       diese fließt in der Regel auch der Börsenwert des Erdgases ein. So ist zu
       erklären, warum die Preise während der Heizperiode Ende 2022 explodierten,
       nachdem Russland die Gaslieferungen nach Deutschland gestoppt hatte.
       
       Für die Mieter bedeutet das in erster Linie, dass es teuer wird, wenn sie
       die Heizung aufdrehen. Während Kunden mit bereits bestehenden Gasverträgen
       2022 durchschnittlich weniger als zehn Cent für eine Kilowattstunde Erdgas
       bezahlten, wird den Mietern des Kreuzberger Zentrums ein Wärmepreis von
       22,64 Cent je Kilowattstunde für 2022 in Rechnung gestellt. Im Zentrum
       Kreuzberg zahlen sie somit doppelt so viel für das Heizen wie Mieter, die
       beispielsweise in anderen landeseigenen Beständen mit eigener Heizanlage
       wohnen.
       
       Zwar habe die Gewobag ihm angeboten, seine Nachzahlung zu reduzieren, sagt
       Cieslak. „Das wird aber nur bei denen gemacht, die sich wehren und das auch
       können.“ Cieslak geht davon aus, dass viele migrantische Gewerbetreibende
       des Zentrum Kreuzberg die Nachforderungen einfach begleichen und
       Wohnungsmieter im Transferbezug die Nachforderungen an das Jobcenter
       weiterleiten.
       
       Der Mieterrat des [2][Zentrum Kreuzberg] will die Betriebskostenabrechnung
       nicht einfach akzeptieren. „Wir fordern, dass die Gewobag die gesamte
       Betriebskostenabrechnung für alle Mieter zurücknimmt“, sagt Cieslak.
       
       ## Ein grundsätzliches Problem
       
       Die teuren Heizkosten im Zentrum Kreuzberg sind auch Ausdruck eines
       größeren Problems. 2017 hat das landeseigene Wohnungsunternehmen das
       Zentrum Kreuzberg übernommen – ganz im Interesse der Landespolitik –, um es
       vor einem Weiterverkauf an einen privaten Investor zu sichern.
       
       In der Folge hat die Gewobag den bereits vom Voreigentümer geschlossenen
       Contracting-Vertrag verlängert. Denn Teil des Vertrags war auch, dass die
       Gasag bei Vertragsende das Blockheizkraftwerk hätte entfernen können oder
       andernfalls eine Ablösesumme gezahlt werden muss.
       
       Solch eine Übernahme sei für die Gewobag nicht infrage gekommen. Denn neben
       der Ablösesumme wären angesichts des Zustands der Heizanlage hohe
       Investitionen nötig gewesen, die auf die Mieter hätten umgelegt werden
       müssen, so eine Sprecherin des Unternehmens. „Deshalb war die Entscheidung,
       den Vertrag mit der Gasag Solutions zu verlängern, für uns und unsere
       MieterInnen aus wirtschaftlichen Gründen alternativlos“, sagt sie. Auch die
       Gasag bestätigt, dass seit 2017 Investitionen in die Anlage im „mittleren
       6-stelligen Bereich“ getätigt worden sein. Kosten, die sich die Gewobag
       durch das Contracting sparte.
       
       ## Am Ende zahlen es die Mieter
       
       Was den Wohnungsunternehmen zugutekommt, zahlen am Ende die Mieter. Für
       Aufsehen hatten zuletzt die mehrere Tausend Euro hohen Nachforderungen der
       [3][Vonovia] in Mariendorf und in der Eisenbahnsiedlung Baumschulenweg
       gesorgt. Infolge des erfolgreichen Protests der Mieter musste Vonovias
       Wärmelieferant Fehler in der Abrechnung einräumen.
       
       Auch bei landeseigenen Wohnungsunternehmen gebe es viele Beschwerden über
       die hohen Kosten, sagt Niklas Schenker, Mietenexperte der Linksfraktion im
       Abgeordnetenhaus. „Senat und Unternehmen müssen prüfen, ob es eine
       Möglichkeit gibt, frühzeitig aus den Verträgen auszusteigen“, fordert er
       deshalb.
       
       Für das Zentrum Kreuzberg würde das bedeuten, dass die Gewobag in eine
       eigene Heizanlage investieren muss. Zwar hat die Gewobag 2017 für den
       Erwerb des Gebäudes 56,5 Millionen Euro aufbringen können, der Ankauf der
       Heizanlage sei laut Unternehmen aber „wirtschaftlich nicht darstellbar“.
       
       „Es ist absurd, dass Berlin einerseits Wohnungen rekommunalisiert, dem Land
       dann aber anscheinend die Mittel fehlen, um notwendige Investitionen
       vorzunehmen“, sagt Linken-Politiker Schenker zur taz. Investitionen seien
       gerade in den angekauften Beständen nötig, weil die Privaten in der
       Vergangenheit Gewinne aus den Beständen gezogen und nicht investiert
       hätten, meint Schenker. Er sieht hier den Senat in der Pflicht. Die
       Landeseigenen müssten deutlich mehr Geld vom Senat erhalten, um in die
       Bestände zu investieren, ohne dass die Mieter am Ende die Rechnung zahlen.
       
       Im Zentrum Kreuzberg werden die Mieter voraussichtlich noch lange mit der
       gepachteten Heizanlage und dem Contracting leben müssen. Der Vertrag wurde
       Ende 2023 verlängert. „Das strategische Ziel dort ist die Umstellung auf
       Fernwärme“, heißt es von der Gewobag. Dazu fänden Abstimmungen statt, die
       auf einen möglichen Anschluss bis 2029 hindeuteten.
       
       31 May 2024
       
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