# taz.de -- Exminister Sonko aus Gambia verurteilt: Der lange Arm der Justiz
       
       > Ein Gericht in der Schweiz verurteilt Gambias ehemaligen Innenminister zu
       > 20 Jahren Haft. Ousman Sonko war einst für Tötungen und Folter
       > verantwortlich.
       
 (IMG) Bild: Olimatou Sonko, Tochter von Ousman Sonko und Anwältin in seinem Verteidigungsteam, vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona
       
       BELLINZONA/BERLIN taz/dpa/ap/epd | Der frühere Innenminister von Gambia,
       [1][Ousman Sonko], ist in der Schweiz wegen Verbrechen gegen die
       Menschlichkeit zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Das Bundesstrafgericht
       in Bellinzona im italienischsprachigen Kanton Tessin kam in seinem
       Schuldspruch zu dem Schluss, dass Sonko „Tötungen, Freiheitsberaubungen und
       Folterungen im Rahmen eines systematischen Angriffs gegen die
       Zivilbevölkerung begangen hat“.
       
       Die Taten habe Sonko teils im Täterkollektiv mit Gambias Militärdiktator
       Yahya Jammeh, der [2][das kleine westafrikanische Land von 1994 bis 2017
       regierte], und anderen damaligen Führungsmitgliedern begangen.
       
       Sonko war unter Jammeh Armeemitglied, dann Generalinspektor der Polizei und
       zuletzt von 2006 bis 2016 Innenminister. In der Zeit wurden nach
       Überzeugung des Gerichts Oppositionelle, Journalisten und als Putschisten
       verdächtige Personen systematisch gefoltert, außergerichtlich hingerichtet,
       willkürlich inhaftiert und zum Verschwinden gebracht. Daran sei Sonko
       beteiligt gewesen. Eine Anklage wegen Vergewaltigung stellte das Gericht
       ein. Sonkos Anwalt hat in dem Prozess sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen.
       Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
       
       „Als ehemaliger Innenminister Gambias ist Ousman Sonko bisher in seiner
       Hierarchiestufe der höchste Staatsfunktionär, der, gestützt auf die
       universelle Gerichtsbarkeit, vor Gericht gestellt und verurteilt wird“,
       teilte das Gericht mit.
       
       Auch in Deutschland gab es bereits einen Prozess gegen einen ehemaligen
       gambischen Soldaten wegen Beteiligung an Gräueltaten während Jammehs
       Herrschaft. Das Oberlandesgericht in Celle [3][verurteilte Bai Lowe am 30.
       November 2023 zu lebenslanger Haft].
       
       ## Karriere unter der Militärdiktatur
       
       Ousman Sonko trat 1988 in die gambische Armee ein. Ein Jahr nachdem sich
       Yahya Jammeh als junger Soldat 1994 an die Macht in Gambia geputscht hatte,
       heuerte Sonko bei der Präsidentengarde an. Als Mitglied der Garde soll
       Sonko am Kommando beteiligt gewesen sein, das im Jahr 2000 den Soldaten
       Almamo Manneh ermordete, weil der angeblich einen Coup geplant hatte.
       Mannehs Frau wirft Sonko vor, sie nach dem Mord mehrfach vergewaltigt zu
       haben.
       
       Anfang der 2000er Jahre wurde Sonko erst stellvertretender Kommandant der
       Präsidentengarde, kurz darauf ihr Chef. 2005 ernannte Jammeh ihn zum
       Polizeichef, 2006 zum Innenminister. In diesem Amt waren ihm die Polizei,
       der Geheimdienst und die Gefängnisse unterstellt, in denen Folter von
       politischen Gegnern an der Tagesordnung war. Noch im April 2016, nur Monate
       vor Ende des Jammeh-Regimes, folterte Sonko nach Überzeugung des Gerichts
       mit anderen zusammen Oppositionelle und tötete einen Organisator von
       Protesten.
       
       Im September 2016 setzte sich Sonko nach Europa ab. Er beantragte eine
       Aufenthaltsgenehmigung in Schweden; als dies abgelehnt wurde, ging er in
       die Schweiz. Zwischenzeitlich hatte Diktator Jammeh in Gambia Ende 2016
       Wahlen angesetzt und diese überraschend verloren.
       
       Zuerst erkannte er das Ergebnis an, dann änderte er seine Meinung, und am
       Ende musste die westafrikanische Regionalorganisation Ecowas
       (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) eine Militärintervention unter
       Führung des großen Nachbarn Senegals starten, um Jammeh zu stürzen und den
       rechtmäßigen Wahlsieger [4][Adama Barrow] ins Amt einzusetzen. Jammeh
       konnte sich nach Äquatorialguinea absetzen, wo er bis heute lebt.
       
       Wenige Tage nach Jammehs Sturz im Januar 2017 wurde Sonko in einem Zentrum
       für Asylbewerber im Kanton Bern, wo ihn andere Flüchtlinge erkannt hatten,
       [5][festgenommen]. Die Festnahme folgte auf eine [6][Anzeige der
       Organisation Trial International], die gegen Straflosigkeit für solche
       Verbrechen kämpft.
       
       Der Ex-Minister bestritt während des Prozesses in der Schweiz die
       Zuständigkeit des Gerichts und erklärte sich für unschuldig. Er ist bisher
       der höchste Amtsträger aus Jammehs Regime, der sich für die Verbrechen vor
       einem Gericht verantworten musste.
       
       Madi MK Ceesay, ein einst unter Anordnung Sonkos festgenommener Journalist,
       der auch als Zeuge in dem Prozess ausgesagt hatte, zeigte sich zufrieden
       mit dem Urteil. Es beweise, dass der lange Arm der Justiz die Täter
       erreichen könnte, sagte Ceesay der Nachrichtenagentur AP. Das dürfte auch
       Jammeh beunruhigen. Hoffentlich werde auch der ehemalige Machthaber bald
       zur Rechenschaft gezogen, sagte der US-Menschenrechtsanwalt Reed Brody, der
       das Verfahren verfolgt hatte.
       
       15 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://trialinternational.org/case/ousman-sonko/
 (DIR) [2] /!3207031
 (DIR) [3] /Mitglied-der-Todesschwadron-aus-Gambia/!5973322
 (DIR) [4] /Gambias-neuer-Praesident/!5373176
 (DIR) [5] /!5375781
 (DIR) [6] https://trialinternational.org/case/ousman-sonko/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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