# taz.de -- Mitglied der Todesschwadron aus Gambia: Lebenslange Haft für Lowe
       
       > Bai Lowe gehörte in Gambia einer Todesschwadron an. Jahrelang tötete
       > diese für den Diktator Regimegegner. Jetzt wurde er in Deutschland
       > verurteilt.
       
 (IMG) Bild: Baba Hydara, der Sohn des getöteten gambischen Journalisten Deyda Hydara, beim Prozess in Celle
       
       BERLIN taz | Zum ersten Mal hat ein deutsches Gericht ein Mitglied einer
       staatlichen Todesschwadron in Afrika verurteilt. Das Oberlandesgericht
       Celle sprach am Donnerstag Bai Lowe aus Gambia wegen „Mordes in Tateinheit
       mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Tötung in drei Fällen“ –
       einmal davon als Versuch – schuldig und [1][verurteilte ihn zu lebenslanger
       Haft].
       
       Der 1975 geborene Bai Lowe gehörte während der Diktatur des 2017 gestürzten
       Militärherrschers Yahya Jammeh in Gambia der militärischen Killereinheit
       „Junglers“ an, die im Staatsauftrag unliebsame Personen beseitigte. Die
       Junglers waren direkt dem Präsidenten unterstellt. Lowe war für die Einheit
       als Fahrer tätig.
       
       2012, als er selbst seine Festnahme fürchtete, reiste er nach Deutschland
       aus, von wo aus er 2013 in einem Interview mit der gambischen Exilzeitung
       Freedom Newspaper seine Verbrechen beichtete – an erster Stelle den Mord am
       Journalisten Dayda Haydara, Chefredakteur der Oppositionszeitung The Point
       und Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP, am 16. Dezember 2004. „Mein
       Job war, die Mitglieder des Mordteams zu fahren, um den Mord an Hydara
       auszuführen“, erzählte Lowe.
       
       Am 16. März 2021 wurde Lowe in Hannover [2][festgenommen], am 25. April
       2022 begann in Celle [3][der Prozess]. Zur Last gelegt wurde ihm neben dem
       Hydara-Mord auch die Ermordung des oppositionellen Soldaten Dayda Nyassi im
       Jahr 2006 sowie der Mordversuch an Rechtsanwalt Ousman Sillah Ende 2003.
       
       ## Lowe streitet alles ab
       
       Hilfreich war dabei, dass Bai Lowe auch im [4][Abschlussbericht der
       gambischen Wahrheitskommission TRRC], die nach Jammehs Sturz die Verbrechen
       der Diktatur untersuchte, als Jungler genannt wird und namentlich für den
       Mord an Hydara und den Mordversuch an Sillah verantwortlich gemacht wird.
       Außerdem nahm er demnach 2005 an einem Massaker an rund 50
       westafrikanischen Migranten teil, die auf dem Weg nach Europa in Gambia
       gestrandet waren. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des deutschen Verfahrens
       gewesen.
       
       Mehrere Opfer sowie ehemalige Junglers sagten in Celle aus. Bai Lowe selbst
       äußerte sich erst spät und stritt alles ab: Er sei bloß Fahrer gewesen,
       sein Enthüllungsinterview sei eine Lüge gewesen, zu der ihn sein
       Interviewer gedrängt habe. Das Gericht wertete dies als „Schutzbehauptung“.
       Aus Zeugenaussagen, Lowes Interview und den TRRC-Protokollen habe man „die
       Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen“.
       
       Gambische Menschenrechtsorganisationen hoffen nun, dass das deutsche Urteil
       – das erste weltweit wegen der Verbrechen des Jammeh-Regimes – einen Impuls
       zu einer breiteren Aufarbeitung gibt. „Dieses Urteil sendet eine laute
       Botschaft“, sagte nach der Urteilsverkündung Baba Hydara, Sohn von Dayda
       Hydara, der im Prozess als Nebenkläger aufgetreten war. Es müssten nun auch
       die „großen Fische“ vor Gericht landen.
       
       Die Journalistenorganisation RSF (Reporter Ohne Grenzen) betont, dass das
       Urteil die Taten als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ wertet, also als
       Teil eines „ausgedehnten“ oder „systematischen“ Angriffs auf die
       Zivilbevölkerung, mit Yahya Jammeh als Auftraggeber. Gambias Regierung,
       kritisiert Baba Hydara, habe bisher „nichts“ unternommen, um Jammehs
       Auslieferung aus seinem Exil in Äquatorialguinea zu erreichen.
       
       Einen Prozess gegen Jammeh empfahl bereits Gambias Wahrheitskommission TRRC
       in ihrem zu Weihnachten 2021 vorgelegten Abschlussbericht, ebenso
       Reparationszahlungen für Jammehs Opfer. Im Mai 2023 versprach Gambias
       Präsident Adama Barrow, die TRRC-Empfehlungen umzusetzen, und kündigte
       dafür EU-Finanzhilfen von neun Millionen Euro an. Im Gespräch ist ein
       hybrides Tribunal der Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische
       Wirtschaftsgemeinschaft).
       
       30 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://oberlandesgericht-celle.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/staatsschutzverfahren-wegen-des-verdachts-von-verbrechen-gegen-die-menschlichkeit-in-gambia-227625.html
 (DIR) [2] /Staatsverbrechen-in-Gambia/!5754771
 (DIR) [3] https://trialinternational.org/latest-post/questions-and-answers-on-on-first-german-trial-for-serious-crimes-committed-in-the-gambia/
 (DIR) [4] https://www.justiceinfo.net/wp-content/uploads/Volume-8-The-Junglers-Unlawful-Killings-Tortures-and-Other-Human-Rights-Violations.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Gambia
 (DIR) Gerichtsurteil
 (DIR) Mord
 (DIR) Yahya Jammeh 
 (DIR) Gambia
 (DIR) Gerichtsurteil
 (DIR) Gambia
 (DIR) Schwerpunkt Myanmar
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Exminister Sonko aus Gambia verurteilt: Der lange Arm der Justiz
       
       Ein Gericht in der Schweiz verurteilt Gambias ehemaligen Innenminister zu
       20 Jahren Haft. Ousman Sonko war einst für Tötungen und Folter
       verantwortlich.
       
 (DIR) Todesschwadron aus Gambia: Lebenslang für den Staatskiller
       
       Das OLG Celle hat ein ehemaliges Mitglied einer Todesschwadron in Gambia zu
       lebenslanger Haft verurteilt. Er kam 2012 als Flüchtling nach Deutschland.
       
 (DIR) Staatsverbrechen in Gambia: „Das war mein Job“
       
       Unter der Militärdiktatur in Gambia beging eine Todesschwadron Morde. Jetzt
       wurde ein ehemaliges Mitglied in Deutschland verhaftet.
       
 (DIR) Gambias Justizminister gegen Myanmar: Kämpfer gegen Völkermord
       
       Der gambische Minister Ba Tambadou brachte den Internationalen Gerichtshof
       dazu, Myanmar zu verurteilen. An das Thema kam er eher zufällig.