# taz.de -- 29-Euro-Ticket in Berlin: Ungeliebtes Schnäppchen
       
       > Kurz bevor das 29-Euro-Ticket am 1. Juli für alle an den Start geht, wird
       > klar: Es hat kaum Freunde unter den Berliner VerkehrspolitikerInnen
       
 (IMG) Bild: Sie hängt wohl immer noch an ihrem Wahlkampfschlager: Franziska Giffey, im letzten Wahlkampf SPD-Spitzenkandidatin
       
       BERLIN taz | Wer liebt eigentlich das Berliner 29-Euro-Ticket (auch:
       „Berlin-Abo“), das ab dem 1. Juli genutzt werden kann – [1][außer
       vielleicht Franziska Giffey]? Eigentlich niemand. Das wurde am Mittwoch im
       Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses überdeutlich. Der SPD-Abgeordnete
       Matthias Kollatz etwa drückte seine Zuneigung so aus: „Wir glauben nicht,
       dass diejenigen, die das 29-Euro-Ticket nur als schlecht beschreiben, damit
       Recht haben.“ Weniger enthusiastisch kann es ein Parlamentarier der Partei
       wohl kaum beschreiben, die das umstrittene neue Angebot als Wahlversprechen
       vor sich hergetragen und [2][in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU
       durchgedrückt hatte].
       
       Sein Genosse und Ausschusskollege Tino Schopf war noch der eindeutigste
       Verfechter des Parallelangebots zum bundesweit gültigen Deutschlandticket
       à 49 Euro. Man könne sich jetzt „genüsslich darüber streiten, ob das neue
       Ticket für den Tarifbereich AB für alle Sinn macht“, sagte er, „aber wir
       als Koalition meinen: Ja, weil sich eben viele das Deutschlandticket nicht
       leisten können.“
       
       Dagegen gab Johannes Kraft vom Koalitionspartner CDU zu Protokoll, man sei
       sich im Ausschuss „vergleichsweise einig, dass das Deutschlandticket
       vernünftig und gut und dabei sehr günstig ist“ – ein Fan des „Berlin-Abos“
       sei die CDU dagegen von Anfang an nicht gewesen. Es werde aber aufgrund der
       Vertragstreue seiner Partei umgesetzt.
       
       Die neue Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) hatte zuvor den Verkaufsstand
       des 29-Euro-Tickets von Mitte Mai referiert, als rund 75.000 Anträge auf
       das Abo gestellt worden waren. Von diesen seien lediglich 15 Prozent
       Neu-AbokundInnen, also solche, die vorher Einzel- oder Wochenkarten gekauft
       hätten. Daraus lasse sich „schließen, dass Systemeinsteiger von diesem
       Ticket eher nicht erreicht werden“.
       
       Anfang dieser Woche waren auch neuere Zahlen bekannt geworden: Mittlerweile
       wurden rund 115.000 Anträge gestellt, das Verhältnis von Neu- zu
       BestandskundInnen – also Fahrgästen, die aktuell zumeist noch das
       Deutschlandticket beziehen – ist aber in etwa gleich.
       
       ## Problematische Extrawurst
       
       Die Opposition wiederholte ihre bekannte Kritik an dem günstigeren, aber
       auf den Tarifbereich AB beschränkten und zudem nur im Jahresabo
       erhältlichen Produkt. Es müsse darum gehen, wie man mit möglichst wenig
       Mitteln möglichst viel bewirken könne, sagte Oda Hassepaß (Grüne) und bezog
       sich damit auf die Strategie, das Deutschlandticket für einzelne Gruppen
       wie ältere Menschen zu rabattieren. Mit der „Extrawurst“ Berlin-Abo
       riskiere man nun, dass andere Bundesländer Berlin folgten und genau dadurch
       die Fortschreibung des Deutschlandtickets und [3][seiner
       bundeseinheitlichen Struktur gefährdeten].
       
       SPD-Mann Kollatz hatte zuvor genau umgekehrt argumentiert: Sollte das
       Deutschlandticket in den anstehenden Bund-Länder-Verhandlungen scheitern,
       werde man möglicherweise noch froh sein, das Berlin-Abo zu haben.
       „Totgesagte können auch länger leben“, orakelte der ehemalige Finanzsenator
       und machte zudem auf einen grundlegenden Widerspruch der KritikerInnen
       aufmerksam: Man könne nicht gleichzeitig beklagen, dass zu wenige Menschen
       das 29-Euro-Ticket in Anspruch nähmen und dass der Alleingang Berlin 300
       Millionen Euro koste – das ist die in den Haushalt eingestellte Summe.
       
       Sollte sich der Verkauf bei 150.000 Stück einpendeln, habe man „viel
       geringere Volumina“ bei den Ausgaben, so Kollatz. Vielleicht sei es „am
       Ende ein nicht so hoher zweistelliger Millionenbetrag“, der Rest stehe dann
       „für andere Themen zur Verfügung“.
       
       5 Jun 2024
       
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